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Leitsatz:
Werden bei drohendem Hochwasser bei den sonst zum Schiffs-Umschlag von Schrott und Spänen eingesetzten Kränen die Fahrwerksmotoren abgebaut, so liegt ein allgemeines Ladungshindernis vor; der Ausschluß eines Liegegeldanspruches nach § 29 Abs. 3 Satz 2 BSchG a.F. scheitert nicht daran, daß an anderer Stelle im Hafen ein Schiff mit einem privaten Förderband eine Restladung aufnimmt.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 30.6.1999
- U 8/98 BSch -
(Schiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Die klagende Frachtführerin verlangt von der beklagten Befrachterin Liegegeld wegen verzögerter Beladung.
Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Frachtvertrag über die Beförderung von Schrott und Spänen mit MS „M" geschlossen. Die Ladebereitschaft wurde am 26.02.1997 um 11.00 Uhr angezeigt. Die Beladung erfolgte im MHafen S ab Montag dem 03.03.1997 und wurde am 04.03.1997 um 19.20 Uhr beendet. Im S Hafen stand von zwei Kränen infolge von Reparaturarbeiten nur ein Kran zur Verfügung. Bei diesem waren wegen bevorstehendem Hochwasser die Brückenfahrwerksmotoren ausgebaut worden, so daß er nicht mehr parallel zum Hafenbecken bewegt werden konnte. Entsprechend einem Hochwasserarbeitsplan der Hafenbetreiberin für den Hafen S werden bei Pegelständen von 4,40 m und mehr die Kräne nicht an der für den Schrottumschlag bestimmten Uferfläche, sondern an einem anderen Standort zur vorrangigen Produktionsbestückung des dort befindlichen Betonwerkes postiert.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug vorgetragen, Schiffsumschlag habe stattfinden können, weshalb die Ladezeit von drei Tagen am 01.03.1998 abgelaufen sei. Ihr stehe daher ein Liegegeld für drei Tage in Höhe von täglich DM 1.400,00 zu. Ferner hat sie behauptet, die Beladung sei erst am 05.03.1997 abgeschlossen worden, weil die Übergabe der Ladungspapiere, die zuvor verweigert worden sei, erst am 05.03.1997 um 7.30 Uhr erfolgt sei. Dafür stünden ihr weitere 2/10 des Liegegeldsatzes von DM 1.400,00 zu.
Die Beklagte hat im ersten Rechtszug im wesentlichen geltend gemacht, aus einem Schreiben der Hafenverwaltung ergebe sich, daß an der vorgesehenen Ladestelle für Schrott im Hafen ein Beund Entladen von Schiffen bei einem Wasserstand von mehr als 4,40 m nicht möglich gewesen sei.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach dem Ergebnis der im zweiten Rechtszug ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme stehen zur Überzeugung des Berufungsgerichts die tatsächlichen Voraussetzungen für den von der Klägerin erhobenen Liegegeldanspruch gemäß § 30 Abs. 1 B SchG a.F. nicht vor.
1. Nach der am 26.02.1997 erfolgten Anzeige der Ladebereitschaft gemäß § 29 Abs. 1 BSchG a.F. begann die Ladezeit von drei Tagen am 27.02.1997 zu laufen. Unter gewöhnlichen Umständen hätte sie damit am 01.03.1997 geendet.
a) Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 BSchG a.F. kommen bei der Berechnung jedoch die Sonntage, die allgemeinen Feiertage sowie die Tage nicht in Ansatz, „an welchen durch zufällige Umstände, insbesondere durch Hochwasser oder Eisgefahr, die Verladung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Gütern auf das Schiff verhindert ist". Das weder vom Absender noch vom Frachtführer zu beherrschende allgemeine Risiko des Ruhens jeden Ladeverkehrs soll damit nach der Vorstellung des Gesetzgebers von dem Frachtführer getragen werden, der unter diesen Umständen, keinerlei andere Güter an Bord nehmen und dadurch sein Schiff an diesen Tagen gegen Zahlung von Entgelt einsetzen könnte. Eisgefahr und Hochwasser stelle nur Beispielsfälle solcher allgemeinen Ladungshindernisse dar; dasselbe gilt in vergleichbaren, von keiner Seite zu vertretenden Fällen, also etwa auch bei Niedrigwasser, beim Ausfall sämtlicher ladetechnischen Einrichtungen am Ladeort oder bei einem dort stattfindenden flächendeckenden Streik (vgl. Goette, Binnenschiffahrtsrecht, § 29 BSchG Rdnr. 4).
b) Diese Voraussetzungen lagen nach Überzeugung des Berufungsgerichtes am 28.02. und 01.03.1997 vor. An beiden Tagen war jegliches Beladen des Schiffes mit Gütern an der vorgesehenen Ladestelle im Hafen nicht möglich. Ursache war, daß die erforderliche Ladeeinrichtung - einer der beiden Kräne - infolge von Hochwasser nicht zur Verfügung stand. Daß Hochwasser herrschte, ergibt sich aus der amtlichen Auskunft des Wasser- und Schiffahrtsamtes S vom 27.04.1999. Danach betrug das Tagesmittel der Wasserstände am Pegel S - Neuer Hafen - am 28.02.1997 476 cm und am 01.03.1997 440 cm.
Bereits bei der Ankündigung bevorstehenden Hochwassers werden generell und so auch Ende Februar 1997 die Fahrmotoren der Kräne durch den Hafenumschlagsbetrieb - die Stadtwerke S - abgebaut und sie werden zur Produktionsbestückung an anderer Stelle eingesetzt. Einer der beiden Kräne war ohnehin infolge länger andauernder Reparaturarbeiten nicht einsatzfähig. Der zweite Kran war rechtzeitig nach der Ankündigung des dann auch tatsächlich eintretenden Hochwassers zur Produktionsbestückung verbracht, und sein Fahrwerksmotor war ausgebaut worden. Der allgemeine Ladebetrieb im S-er Hafen war damit ausgeschlossen. Daß eine abschließende Restbeladung von MS „M" mittels des der Bay Wa privat gehörenden Förderbandes durchgeführt wurde, ändert nichts am Vorliegen eines allgemeinen Ladungshindernisses im Hafen; denn die dem Hafenbetrieb zum Güterumschlag zur Verfügung stehenden ladetechnischen Einrichtungen am Ladeort konnten nicht eingesetzt werden. Dies hat der für den Hafenbetrieb der Stadt S verantwortlich tätige Zeuge Mario G bei seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht glaubhaft bekundet. Dem Antrag der Klägerin, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und die bereits früher benannten Zeugen L, W und P zu vernehmen, war nicht zu entsprechen. Diese Zeugen wurden lediglich dafür benannt, daß andere Schiffe zur selben Zeit im S-er Mainhafen lagen und daß nach Meinung der Zeugen ein Umschlag hätte stattfinden können. Daß aber - abgesehen von MS „M" - bei den anderen Schiffen tatsächlich ein Umschlag stattfand, wird ebensowenig in das Wissen der Zeugen gestellt, wie die Unrichtigkeit der Aussage des Zeugen G über die objektiven Gründe, die zu dem allgemeinen Ladungshindernis führten.
c) Unabhängig vom Ausfall der beiden Kräne wäre eine Beladung von MS „M" auch deshalb unterblieben, weil bei Hochwasser ein Umschlag nicht stattfindet, um eine Beschädigung der Schiffe durch die an den Kaimauern unten angebrachten Poller (Festmachevorrichtungen) zu verhindern. Dies ergibt sich anschaulich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Lichtbildern, die im Verhandlungstermin in Augenschein genommen wurden. Daher steht der für die Dauer von drei Tagen geltend gemachte Liegegeldanspruch der Klägerin nicht zu.
2. Die Voraussetzungen für einen anteiligen Anspruch von 2/10 für den 05.03.1998 vermochte die Klägerin zur Überzeugung des Gerichtes ebenfalls nicht darzutun. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten hätte der Schiffsführer von MS „M" nach Beendigung der Beladung am 04.03.1997 seine Ladepapiere erhalten und die Reise antreten können. Er verlangte jedoch, daß auf dem Ladebericht/Lieferschein nicht nur eine schriftliche Bestätigung der Schifffahrtssperre vermerkt wurde, sondern daß dieser Vermerk auch noch von dem Geschäftsführer der Firma S Hafenumschlag GmbH unterschrieben würde.
Aus diesem Grund wartete er bis zum 05.03.1997. Er hat damit selbst das weitere Liegen von M S „M" veranlaßt und diese Verzögerung zu vertreten; denn er hätte auch auf anderem Wege sich die gewünschte Bescheinigung zukommen lassen können...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr. 11 (Sammlung Seite 1760 f.); ZfB 1999, 1760 f.