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Leitsatz:
Eine Bodenseeanliegergemeinde, die einen Bootshafen privatrechtlich durch Vermietung von Bootsliegeplätzen betreibt, macht sich nicht schadensersatzpflichtig, wenn ihr Hafenmeister zum Zeitpunkt einer Sturmvorwarnung bei vollbelegtem Hafen die Belegung mit einem weiteren Segelboot ablehnt.
Urteil des Schiffahrtsobergerichts Karlsruhe
vom 26.03.1996
U 5/96 Bsch - (rechtskräftig)
(Schiffahrtsgericht Konstanz)
Zum Tatbestand:
Der Kläger ist Eigner eines Segelboots, das er während einer Sturmvorwarnung in einem Hafen der Beklagten am Bodensee festmachen wollte. Der Hafenmeister der Beklagten untersagte dies zunächst und bot dem Kläger an, an der Außenmauer des Hafens festzumachen. Dort erlitt das Boot bei dem aufkommenden Sturm Schaden. Das Schiffahrtsgericht hat die Schadensersatzanklage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Dem Kläger steht gegen die Beklagte Gemeinde unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihm am 06.08.1994 an seinem Segelboot (Typ Corsaire) an der Außenmauer des H Westhafens entstanden ist. Entgegen dem Berufungsvorbringen war die Beklagte nicht verpflichtet, mit dem Kläger einen Mietvertrag abzuschließen, aufgrund dessen der Kläger sein Segelboot in den H Westhafen verbringen, dort festmachen und über Nacht liegen lassen konnte.
1. Ein Rechtsanspruch auf ein Festmachen im Hafengebiet während einer Sturmvorwarnung besteht weder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, noch nach den Vorschriften der Bodensee-SchG, noch nach sonstigen Rechtsvorschriften. Die Verordnung für die Anlandestelle in H (GVBI 1898, 210) gilt für den Segelhafen H nicht. Auch die Hafenverordnung vom 10.01.1983 (GB1 1983, 41 ff) gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 nicht für Häfen, die am Bodensee einschließlich des Untersees und am Rhein oberhalb von S liegen. Der H Westhafen ist nicht, wie bestimmte Häfen an Bundeswasserstraßen, "Schutz- und Sicherheitshafen" oder auch nur "Nothafen", in dem "in Fällen äußerster Gefahr bei Hochwasser Schiffe Schutz suchen können" (vgl. Westeuropäischer Schiffahrts- und Hafenkalender 1995, A 893 ff, A 894). Bei dem H Westhafen handelt es sich vielmehr um ein kleines Hafengebiet, das regelmäßig fest und vollständig belegt ist. Gastlieger können nur aufgenommen werden, wenn ein Liegeplatz frei ist. Die beklagte Gemeinde hat durch Beschluß des Gemeinderates eine Hafenordnung erlassen. Danach betreibt sie als Eigentümerin der Hafenanlagen den Hafen privatrechtlich durch Abschluß von Einzelverträgen, durch die sie Bootsliegeplätze vermietet. Sie unterhält keinen öffentlichen Hafen. Danach ist es nicht zu beanstanden, daß der Hafenmeister der Beklagten dem Kläger zunächst untersagte, im Hafen festzumachen, jedoch anbot, an der Außenmauer des Hafens bugseits festzumachen, mit der Möglichkeit, bei schlechter werdendem Wetter das Hafeninnere aufzusuchen und dort querzubinden. Die beklagte Gemeinde hat von Beginn des Rechtsstreits an vorgetragen, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger am 06.08.1994 bei dem Hafenmeister der Beklagten anfragte, ob er sein Boot dort festmachen könne, der Hafen vollständig belegt gewesen sei. Für seine Behauptung, es sei jedenfalls ein freier Liegeplatz vorhanden gewesen, der allerdings mit dem Schild "Besetzt" versehen gewesen sei, hat der Kläger in beiden Instanzen keinen Beweis angetreten. Vielmehr hat er in der Klageschrift selbst dargelegt, der Hafenmeister der Beklagten, E, habe ihm zugerufen, er (der Kläger) könne nicht im Hafen bleiben, da alles überbelegt sei, es sei kein Platz frei. Zu diesem Zeitpunkt war und zwar unstreitig das Sturmwarnzeichen gemäß Anlage B Buchst. H.1 der Bodensee-SchG (GB1 1976, 257 ff, 288) - Aufleuchten von orangefarbigen Blinklichtern mit ca. 40 Blitzen pro Minute - gegeben worden, nicht aber eine Sturmwarnung - Aufleuchten von orangefarbigen Blinklichtern mit ca. 90 Blitzen pro Minute -, die eine unmittelbare Sturmgefahr ankündigt.
2. Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten käme allenfalls dann nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (vgl. SoergeUWolf BGB 12. Aufl. Rdnr 108 vor § 145) in Betracht, wenn der Kläger bei seinem Boot verblieben wäre und bei Aufkommen des Sturmes erneut um Aufnahme in den Hafen nachgesucht hätte, diese dann aber vom Hafenmeister E entgegen seiner vertrauensbegründenden Zusage abgelehnt worden wäre. Dies ist jedoch unstreitig nicht geschehen. Vielmehr hat der Kläger sein Segelboot an der Außenmauer festgemacht und ging in ein Restaurant. Er kam erst wieder zum Boot zurück, als der Sturm bereits in Böen 10 Beaufort erreicht hatte und die an der Außenmauer festgemachten Boote längsseits und zum Teil gegeneinander schlugen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Heckanker seines Bootes richtig gesetzt hatte und ob durch eine Ankerwache der eingetretene Schaden von ihm selbst hätte vermieden werden können. Jedenfalls haftet die beklagte Gemeinde nicht für den eingetretenen Schaden, denn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über die Aufnahme des Bootes zum Übernachten im Westhafen abschließen wollte, bestand für die Beklagte entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Auffassung des Klägers kein Kontrahierungszwang. Ein solcher ergab sich weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Gesetz.
a) Für wichtige Teilbereiche der Daseinsvorsorge ist ein Abschlußzwang ausdrücklich festgelegt, so z.B. für die Versorgung mit Strom und Gas in EnergiewirtschaftsG §. Für die Benutzung eines kleinen Sportboothafens gibt es hingegen keine Vorschriften, die einen Abschlußzwang beinhalten. Zwar sehen Gemeindeordnungen in der Regel Rechte auf Zulassung zu Versorgungseinrichtungen der Gemeinden vor, auch wenn diese Einrichtungen privatrechtlich betrieben werden. Im Bereich des Verwaltungsprivatrechts ergibt sich aus der Grundrechtsbindung gemäß Artikel 3 GG ein Diskriminierungsverbot. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann zu einer Abschlußpflicht führen, wenn Leistungen den Bürgern generell angeboten werden Aus den Vorschriften der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg lassen sich indessen keine Grundsätze ableiten, die die Beklagte verletzt und sie sich dadurch gegenüber dem Kläger schadensersatzpflichtig gemacht hätte. § 10 Abs. 2 Satz2 GO BaWü regelt lediglich, daß die Einwohner im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt sind, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde nach gleichen Grundsätzen zu benützen. Der Kläger ist nicht Einwohner, im übrigen liegt auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor, wenn der Hafenmeister eines vollbelegten Hafens die Belegung mit einem weiteren Schiff ablehnt.
b) Die Beklagte Gemeinde unterlag auch nicht einem mittelbaren Kontrahierungszwang. Ein solcher kann gegeben sein, wenn die Ablehnung des Vertragsschlusses eine unerlaubte Handlung darstellen würde. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl, RGZ 48, 114 ff; 115, 253 (258); 132, 273, (276), 133, 388 (392); 148, 326 (334) kann eine Abschlußpflicht für Monopolbetriebe dann bestehen, wenn die Verweigerung des Abschlusses zu den für alle geltenden oder zu den angemessenen Bedingungen nach den Umständen des Einzelfalls eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB darstellt. Dem sind der BGH und das Schrifttum gefolgt (vgl. BGHZ 63, 282; BGH VersR 1990, 91 m.w.N.). Den Fällen, in denen die Verweigerung eines Vertragsabschlusses als sittenwidrig bewertet werden kann, ist gemeinsam, daß jemand eine Leistung zwar allgemein anbietet, sie aber dennoch einer einzelnen Person vorenthält (vgl, Medicus, Schuldrecht AT 1, 3. Aufl. § 11 IV). Die Sittenwidrigkeit hängt von den Gründen für diese Vorenthaltung ab. Die vollständige Belegung eines Hafens stellt einen sachlichen Grund für den Nichtabschluß eines Mietvertrages mit einem Interessenten dar. Der Kläger wurde deshalb nicht diskriminiert oder willkürlich abgewiesen.
3. Das Schiffahrtsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte auch nicht aufgrund der allgemeinen Hilfeleistungspflicht bei Unglücken, die durch § 323 c StGB als "unterlassene Hilfeleistung" strafrechtlich sanktioniert wird, verpflichtet war, dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, mit seinem Segelschiff im Hafen festzumachen. Als der Kläger um Aufnahme im Hafen bat, waren die Voraussetzungen für einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr oder Not nicht gegeben..."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.8 (Sammlung Seite 1603 f.); ZfB 1996, 1603 f.