Banque de données de juriprudence
Leitsätze:
1) Zur Haftung für Verschmutzung des Hafenwassers mit Ölen und Ölresten.
2) Nur nachgewiesenes schuldhaftes Verhalten der Besatzungsmitglieder führt zur Haftung gemäß § 3 BSchG.
Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts Karlsruhe
vom 9. November 1977
U 3/76 RhSch
(Rheinschiffahrtsobergericht Mainz)
Zum Tatbestand:
Nachdem ein Bunkerboot im Zollhafen der Klägerin an MS „X" der Beklagten zwecks Belieferung mit Gasöl angelegt hatte, wurde auf dem Wasser im Bereich der Schiffe eine Ölschicht festgestellt.
Die Klägerin verlangt Ersatz der von ihr zur Beseitigung der Wasserverschmutzung aufgewendeten Kosten in Höhe von ca. 3000,- DM von der Beklagten, da das 01 von MS „X" in das Hafenwasser abgelassen worden sei.
Die Beklagte bestreitet diese Behauptung.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten als Schiffseignerin für den der Klägerin erwachsenen Schaden wäre nach § 3 BSchG, daß ein ursächliches Verschulden eines Mitglieds der Schiffsbesatzung festgestellt werden könnte. Die Verantwortlichkeit eines Besatzungsmitglieds ohne Verschulden, wie sie nach § 22 Abs. 1 WasserhaushaltsG in Betracht kommen könnte, vermag die Haftung des Schiffseigners nach § 3 BSchF nicht zu begründen (vgl. Vortisch-Zschucke, Binnenschiffahrtsrecht, 3. Aufl., Anm. 4 d zu § 3 BSchG).
Für die Verschmutzung des Hafenwassers mit 01 durch schuldhaftes Handeln oder Unterlassen eines Besatzungsmitglieds hat die auf Schadensersatz klagende Partei die Beweislast.
...
Bewiesen ist, daß sich um das MS „X" der Beklagten herum Ö1 auf dem Wasser ausgebreitet hatte, das nach einer vergleichenden gaschromatographischen Analyse des Sachverständigen Dr. Z. mit einer Ölprobe aus der Bilge dieses Schiffes identisch erschien. Dennoch steht nach dem Beweisergebnis nicht fest, daß das Ö1 nur von MS „X" stammen konnte und jede andere Herkunft ausgeschlossen ist. Deshalb kann das Vorbringen der Beklagten, die Ähnlichkeit der Chromatogramme beider Proben beweise ohne die weitergehende Untersuchung auch ihrer Feinstruktur noch keine Identität, wofür sie Sachverständigenbeweis angetreten hat, dahingestellt bleiben.
Der seinerzeit ermittelnde Polizeihauptmeister Y. hat zwar als Zeuge ausgesagt, die Ölschicht habe eine deutlich erkennbare Ausbreitung um das MS „X" und das Bunkerboot herum gehabt und man habe auch die Grenzen der Ölschicht deutlich sehen können; die Öllache um MS „X" und um das Bunkerboot herum sei genau abgegrenzt gewesen, unverändert geblieben und habe sich nicht bewegt. Diese Darstellung einer ausschließlichen Begrenzung der Ölschicht auf die nächste Nähe der Schiffe ist jedoch durch andere Zeugenaussagen so in Zweifel gestellt, daß von ihrer Richtigkeit nicht ausgegangen werden kann. Der Führer des Bunkerboots gab an, wo das 01 hergekommen sei, könne er nicht sagen; er habe die Vermutung, daß das öl vom Strom her durch die Hafeneinfahrt hereingetrieben sein könne. Der Kranführer, der das MS „X" entlud, bekundete seine Beobachtungen folgendermaßen: „Als ich den Löschvorgang begann, habe ich um das MS ,X' herum noch keine Ölverschmutzung festgestellt. Diese Ölverschmutzung muß im Verlaufe des Löschvorgangs entstanden sein. Ich sah, daß das Bunkerboot die Hafeneinfahrt passierte und zu MS ,X' herüberkam. Als das Bunkerboot sich bis auf eine Entfernung von 4 bis 5 m dem MS X' genähert hatte, sah ich auf der Wasserfläche zwischen diesen beiden Schiffen eine Ölverschmutzung, und zwar etwa Richtung Mittelschiff. Die Ölfläche breitete sich weiter aus, und zwar in Richtung Vorschiff des MS ,X'. Als das Bunkerboot in den Hafen einfuhr, lag die Sonne darauf, und als sich das Bunkerboot dem Motorschiff näherte, sah es so aus, als zerteile das Boot mit seinem Bug irgendeine Fläche oder Masse, eine Schmutzfläche, eine Ölfläche oder dergleichen." Nach diesen Zeugenaussagen ist trotz der Darstellung des Zeugen die Möglichkeit offen, daß die Ölschicht zu MS „X" herangetrieben wurde und nicht aus dem Schiff selbst herrührte, zumal es von der Schiffsbesatzung höchst unvernünftig gewesen wäre, unter den Augen des Kranführers und der Besatzung des herankommenden Bunkerboots die Bilge in das Hafenbecken zu lenzen. Des weiteren ist auch nicht völlig undenkbar, daß bei einem von dem Matrosen als Zeugen bekundeten Probelauf der Maschine, bei dem der Aussage zufolge öl zwischen den Ruderblättern hochkam, die Schraube den Inhalt eines im Hafengrund liegenden Ölbehältnisses hochgewirbelt hat.
Wenn auch nach der Aussage des Sachverständigen Dr. Z. die Möglichkeit von Identitäten der Bilgproben verschiedener Schiffe in der Praxis relativ gering ist, steht bei diesem Beweisergebnis nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit fest, daß die Verschmutzung des Wassers durch 101 aus dem MS „X" verursacht war.
Selbst aber wenn man die Herkunft des Öls von MS „X" als bewiesen unterstellte, könnte mangels des Beweises dafür, wie es vom Schiff in das Wasser kam, kein Verschulden eines Besatzungsmitglieds festgestellt werden. Die bisher genannten Zeugen konnten hierüber keine Angaben machen (wird ausgeführt).
...
Ein schuldhaftes Verhalten der Schiffsbesatzung bleibt damit unbewiesen. Auch ein Beweis des ersten Anscheins liegt gegen sie nicht vor, weil nicht jede andere Ursache als ein Fehlverhalten der Besatzungsmitglieder entfällt. Es ist durch die Aussagen der Zeugen bewiesen, daß während' der Löscharbeiten auf dem MS „X" von zwei Elektrikern die Öldruckwarnanlage repariert wurde. Der Matrose hat darüber folgendes bekundet: „Bei uns an Bord befanden sich zwei Elektriker der Firma E., die im Maschinenraum die Warnanlage für Öldruck überprüften bzw. reparierten. Diese Öldruckwarnanlage war nämlich nicht in Ordnung. Auf Geheiß der beiden Elektriker habe ich dann die Maschine angeworfen, damit wir feststellen konnten, ob die Warnanlage wieder funktioniert und alles in Ordnung ist. Nachdem die Maschine lief, sah man an unserem Schiff unter den Ruderblättern 01 hochkommen. Es war nur eine ganz kleine Fläche. Der Hafenmeister kam gelaufen und rief mir zu: Stellt Eure Maschine ab, da hinten ist 01! Nach diesem Zuruf habe ich die Maschine abgestellt. . . . Der Hafenmeister wies mich darauf hin, daß unter unseren Ruderblättern 01 hochkomme. Dies habe ich dann auch gesehen. Ich habe auch gesehen, daß sich zwischen dem Bunkerboot und unserem Schiff eine Ölfläche ausgebreitet hat." Unter diesen Umständen kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, daß es im Zusammenhang mit der Oberprüfung der Reparaturarbeit zu einem Übertreten von 01 aus dem Schiff gekommen ist, ohne daß den Matrosen oder Schiffsführer daran eine Schuld trifft.
Da somit die Voraussetzungen für eine Haftung der Schiffseignerin nach § 3 BSchG nicht bewiesen sind, muß die Klage abgewiesen und das erstinstanzliche Urteil demgemäß geändert werden....“