Banque de données de juriprudence

U 1/01 RhSch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 05.10.2001
Numéro de référence: U 1/01 RhSch
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Karlsruhe
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

1. Der Kausalzusammenhang zwischen einem schädigenden Ereignis (hier: Anfahren eines Dalbens) und dem eingetretenen Schaden (hier: Beschädigung eines Motorbootes, mit dem der Dalbenschaden untersucht werden soll) wird nicht durch ein sorgfaltswidriges Vorgehen des Geschädigten unterbrochen; allerdings kann dieses Vorgehen ein Mitverschulden begründen.

2. Für die Kenntnis des Nichtbestehens eines Rechtsgrundes im Sinne des § 814 BGB kommt es auf das Wissen des die Leistung bewirkenden Vertreters bzw. Mitarbeiters der juristischen Person an. Die Kenntnis eines Mitarbeiters der Vertrags- oder der Havarieabteilung einer größeren Schifffahrtsgesellschaft steht nicht der Kenntnis des die Zahlung veranlassenden Mitarbeiters gleich.

 

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschifffahrstsobergerichts) Karlsruhe

vom 5.10.2001

- U 1/01 RhSch -

(rechtskräftig)

(Rheinschifffahrtsgericht Mannheim)


Zum Tatbestand:

Die Klägerin, die die A. Häfen betreibt und der deren Verkehrssicherheit obliegt, fordert von der Beklagten Schadensersatz.
Die Beklagte ist Eignerin des Koppelverbandes MS „L" / SL „P". Dieser Verband fuhr am 16. Oktober 1999 gegen 21.45 Uhr unter Einsatz eines Lotsen innerhalb des A Hafens im Bereich der D.-Brücke einen Dalben an und drückte ihn unter die Wasseroberfläche. Die Klägerin ergriff Maßnahmen, um Beeinträchtigungen der Schifffahrtsrinne festzustellen. Dabei lief das von ihr dazu eingesetzte Motorboot „R" trotz Einsatzes von Echolot und Peilstange auf die unter der Wasseroberfläche befindliche Spitze des abgeknickten Dalbens auf.

Die Klägerein hat im ersten Rechtszug hierzu vorgetragen:
Die Maschine des Motorbootes sei nur gelegentlich eingesetzt worden, um die Position des Bootes in etwa zu halten oder die Position leicht zu verändern. Praktisch zeitgleich mit dem Lokalisieren der Dalbenspitze sei das Motorboot mit Ruderanlage und Schraube gegen den Dalben geraten, wodurch hieran Schäden entstanden seien. Der Kostenaufwand zur Schadensbeseitigung belaufe sich auf DM 4.888,00.

Es sei grundsätzlich ihr überlassen, welche Maßnahmen sie im Zusammenhang mit der erforderlichen Schadensfeststellung treffe. Der Einsatz des Motorbootes sei sachgerecht gewesen. Ein Einsatz von Tauchern sei nicht möglich gewesen, da innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit - die Anfahrung erfolgte an einem Samstag - kein Taucherunternehmen erreichbar gewesen sei und darüber hinaus hierdurch auch erhebliche Kosten angefallen wären, die zu Lasten der Beklagten gegangen wären.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat im ersten Rechtszug im wesentlichen vorgetragen, der Einsatz eines Motorbootes zum Ausmachen des geschädigten Dalbens unter Maschineneinsatz sei nicht angezeigt gewesen. Die Klägerin sei durch die Unfallmeldung des Führers des Koppelverbandes genau informiert gewesen, in welcher Fahrtrichtung der Dalben abgeknickt worden sei. Ohne Maschineneinsatz oder mit Hilfe eines Arbeitspontons habe man sich problemlos aus der dem Dalben abgewandten Seite der Havariestelle nähern und ohne jeglichen Schaden - erforderlichenfalls unter dem Einsatz von Tauchern - die Lage des Dalbens feststellen können. Vorsorglich berufe sich die Beklagte auf ein grobes Mitverschulden der Klägerin. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage auf Zahlung von DM 4.888,00 nebst Zinsen und Mahnkosten abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie wiederholt und vertieft im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Beklagte habe die Klagesumme am 13.03.2001 - also noch vor Urteilsverkündung und damit auch ohne durch Androhung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hierzu veranlasst worden zu sein - bezahlt. Damit sei der Rechstreit in der Hauptsache erledigt.
Bis zu dem erledigenden Ereignis sei die Klage zulässig und begründet gewesen. Die Beklagte hafte grundsätzlich als Schiffseignerin für die auf ein schuldhaftes Handeln des Lotsen zurückzuführende Dalbenanfahrung. Dieses Ereignis sei Ursache dafür gewesen, dass die Klägerin im Rahmen der sie treffenden Verkehrsicherungspflicht die genaue Lage des angefahrenen Dalbens habe feststellen müssen. Angegriffen werde die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bestehe nicht, weil sie nicht die gebotenen Maßnahmen ergriffen habe. Ein Einsatz eines Tauchers sei in der Kürze der Zeit und unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen. Wegen der Dalbenanfahrung sei Gefahr im Verzug gewesen. Der Einsatz eines Nachens sei kein geeignetes Mittel gewesen. Die Klägerin beantragt, auf ihre Berufung das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts im Kostenpunkt aufzuheben und

1. dahin zu ändern, dass festgestellt wird, dass die Hauptsache erledigt ist.
2. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
2. auf die Widerklage der Beklagten die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte DM 5.670,08 zuzüglich Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte tritt der Feststellung der Erledigung der Hauptsache entgegen und trägt dazu wie folgt vor: Am 13.03.2001 sei ein Betrag von DM 5.670,08 (Klageforderung in Höhe von DM 4.888,00 zuzüglich DM 782,08 Mehrwertsteuer) an die Klägerin bezahlt worden. Diese Zahlung sei ohne Rechtsgrund geleistet worden, da der Klägerin, wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend festgestellt habe, keine Schadensersatzforderung gegen die Beklagte in dieser Höhe zustehe. Der Bereicherungsanspruch der Beklagten sei nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen, da der Leistende nicht gewusst habe, dass er zur Leistung nicht verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte sei ein großes Unternehmen, das über 120 Einheiten auf den Europäischen Wasserstrassen einsetze. Die Buchhaltungsabteilung der Beklagten arbeite von der Havarieabteilung getrennt. Der Mitarbeiter R. der Beklagten habe die Überweisung in Unkenntnis der Tatsache veranlasst, dass über die Forderung ein Rechtstreit anhängig sei. Im übrigen habe das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend entschieden, dass es weder sachgerecht noch erforderlich gewesen sei, mit einem Motorboot die Havariestelle anzufahren, ohne sich zunächst Klarheit über die genaue Lage des Dalbens zu verschaffen. Die Sondierung der Havariestelle sei nicht eilbedürftig gewesen. Da Samstag abends nur wenig Verkehr vor Ort herrsche, hätte die Sondierung auch sonntags oder montags morgens bei Tageslicht stattfinden können. Jedenfalls sei es sachgerecht gewesen, sich wenigstens auf den letzten Metern der Havariestelle ohne Maschine zu nähern.

Zur Widerklage führt die Klägerin aus, die Beklagte könne sich auf die angebliche Unkenntnis ihres Mitarbeiters R. nicht berufen. Es sei zweifelhaft, dass die Buchhaltungsabteilung über laufende Rechtstreitigkeiten nicht informiert sei und wenig Tage vor Urteilsverkündung Zahlungen leiste. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

„1. Der Übergang der Klägerin von der Zahlungsklage zu dem Klageantrag, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei (einseitige Erledigungserklärung), ist zulässig.

2. Begründet ist dieser Feststellungsantrag jedoch nur insoweit, als die Hauptsache in Höhe von DM 2.601,59 erledigt ist. In dieser Höhe war die Zahlungsklage zum Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses (Zahlung durch die Beklagte) zulässig und begründet.

a) Der KLägerin steht aus § 823 Abs. 1 BGB, § 3 BinSchG ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte als Eignerin des Koppelverbandes MS „L" / SL „P" zu. Nach § 3 BinSchG ist der Schiffseigner für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Die Haftung für die auf das schuldhafte Handeln des Lotsen zurückzuführende Dalbenanfahrung ist nicht auf den unmittelbaren Sachschaden des Dalbens beschränkt. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf solche Schäden, die der Klägerin als Eignerin des Dalbens und als Verkehrssicherungspflichtige für die A Häfen dadurch entstanden sind, dass sie die Lage des beschädigten Dalbens festzustellen versuchte und ihr dabei eingesetztes Gerät beschädigte. Der Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung des Lotsen und dem eingetretenen Schaden ist entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts nicht durch die Entscheidung der Mitarbeiter der Klägerin unterbrochen worden, den Schadensbereich mit einem Motorboot unter Maschineneinsatz abzusuchen. Grundsätzlich hat ein Schädiger auch für solche Schäden einzustehen, die der Geschädigte oder Dritte bei einem mit einer Risikoerhöhung verbundenen Rettungs- und Hilfeversuch erleiden (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 60. Auflage, Vorbemerkung 77 ff. vor § 249 m.w.N.). Für die Zurechnung einer durch den Verletzten selbst herbeigeführten Erfolges kommt es darauf an, inwieweit der Erstverursacher eine Gefahrerhöhung herbeigeführt hat, ob sein Verhalten gewissermaßen Aufforderungscharakter hatte, inwieweit dem Eingreifen des Verletzten Dringlichkeit und Vernünftigkeit zuzusprechen ist und ob sein Verhalten mit Blick auf das von ihm verfolgte Ziel der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. Geigel/Rixecker Haftpflichtprozess Kap. 1 Rdnr 17 m.w.N.). Dies alles ist vorliegend - hinsichtlich der Kausalität - dem Grunde nach zu bejahen.

b) Der danach dem Grunde nach gegebene Anspruch ist jedoch nur auf Ersatz der Hälfte des entstandenen Schadens gerichtet, da sich die Klägerin ein Mitverschulden, § 254 BGB, anrechnen lassen muss. Als Mitverschulden ist ein Verschulden gegen sich selbst zu verstehen; maßgeblich ist diejenige Sorgfalt, die ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Eine mitwirkende Verursachung durch den Geschädigten, insbesondere durch ein auf freiwilligem Entschluss beruhendes Verhalten, schließt den Kausalzusammenhang zwischen der Erstschädigung und dem Schaden nicht aus, es sei denn, dass das eigene Verhalten außerhalb jeden Erfahrungsbereiches liegt und der Schaden seine zureichende Begründung allein in diesem Verhalten hat. Die Grenze für ein rechtserhebliches Mitverschulden ist dann erreicht, wenn der Geschädigte das ihm zumutbare Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt bei der Besorgung seiner Angelegenheit aufgewandt hat (Wussow/Kürschner Unfallhaftpflichtrecht 14. Aufl. TZ 1887 m.w.N.). Unter den gegebenen Umständen war es risikoreich und bedurfte daher besonderer Sorgfalt, ein Motorboot mit Maschinenantrieb einzusetzen, um die Lage des angefahrenen umgeknickten Dalbens auszumachen, der sich vollständig unterhalb der Wasseroberfläche befand. Zwar war und blieb es Sache der Klägerin, auszuwählen und zu entscheiden, welche Maßnahmen sie zur Feststellung der Lage des angefahrenen Dalbens ergriff. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Klägerin im Rahmen der Schadensminderungspflicht unter den gegebenen Umständen Samstag abends 22.00 Uhr gehalten war, einen Taucher zu beauftragen und einzusetzen. Ihr war auch nicht zuzumuten, bis Sonntag oder Montag zuzuwarten, um ihrer Verkehrssicherungspflicht zu entsprechen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war ihr ferner nicht zuzumuten, einen Nachen oder einen an Leinen geführten Ponton zur Ermittlung der Schadensstelle einzusetzen. Vielmehr war sie, wie in vergleichbaren Situationen, auf den Einsatz des hierfür bereitgehaltenen Motorbootes „R" angewiesen, schon um auch das erforderliche Material an die Unfallstelle zu bringen. Zum Mitverschulden - das der Senat unter Abwägung aller maßgeblichen Faktoren mit 50 % bewertet - geeicht ihr jedoch, dass sie es unterließ, wenigstens auf den letzten Metern sich der ihr aufgrund der früheren Lage des Dalbens und den Angaben der Schiffsführung des Koppelverbandes bekannten Havariestelle ohne Maschineneinsatz zu nähern. Dies wäre - da an der Havariestelle praktisch keine Strömung herrscht - problemlos möglich gewesen. Dadurch wären die tatsächlich eingetretenen Schäden an Ruder und Propeller zu vermeiden gewesen.

3. Bis zu dem Eintritt des erledigenden Ereignisses - Zahlung - stand der Klägerin daher gegen die Beklagte ein begründeter Zahlungsanspruch in folgender Höhe zu: materieller Schadensersatz (50 %) DM 2.444,00, 5 % Zinsen hieraus für die Zeit vom 18.01.2000 bis 12.03.2001= DM 140,19, vorgerichtliche Mahnkosten DM 17,40, insgesamt DM 2.601,59. Hinsichtlich des weitergehenden Schadensersatzanspruches (einschließlich Nebenforderung) war die Klage zum Zeitpunkt des erledigenden Ereigniseintrittes zwar zulässig aber nicht begründet, so dass auch der dahingehende weitergehende Feststellungsantrag abzuweisen war.

4. Die im zweiten Rechtszug erhobene Widerklage ist zulässig, § 530 Abs. 1 ZPO, da das Gericht die Geltendmachung des mit ihr verfolgten Anspruches in dem anhängigen Verfahren für sachdienlich hält.

5. Begründet ist die Widerklage in Höhe von (DM 5.670,08 abzüglich DM 2.601,59 =) DM 3.068,49.
Dem mit der Widerklage verfolgten Rückforderungsanspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. BGB steht nicht § 814 BGB entgegen. Für die Kenntnis des Nichtbestehens eines Rechtsgrundes im Sinne des § 814 BGB kommt es auf das Wissen des die Leistung bewirkenden Vertreters bzw. Mitarbeiters der juristischen Person an. Die Kenntnis eines Mitarbeiters der Vertrags- oder der Havarieabteilung einer größeren Schifffahrtsgesellschaft steht nicht der Kenntnis des die Zahlung veranlassenden Mitarbeiters gleich (vgl. dazu auch OLG Hamm NJW-RR 1996, 1312; BGH NJW 1999, 1024). Die beweisbelastete Klägerin hat für die Kenntnis der Zahlungsabteilung bzw. des auszahlenden Mitarbeiters der Beklagten keinen Beweis angetreten. Demgegenüber stellt ein Indiz dafür, dass der Mitarbeiter der Beklagten R. vom Inhalt des Rechtstreits und damit von der Tatsache, dass die Beklagte die Klageforderung bestritt, kein Wissen hatte, der Umstand dar, dass er nicht nur den mit der Klage geltend gemachten Nettobetrag von DM 4.888,00 sondern den mit vorgerichtlicher Rechnung der Klägerin vom 20.12.1999 aufgegebenen Bruttobetrag von DM 5.670,08 an die Klägerin ausgezahlt hat.
Die Voraussetzungen für einen über die Prozesszinsen (§§ 291 i.V.m. 288 BGB) hinaus gehenden Zinsanspruch hat die Beklagte/Widerklägerin nicht dargelegt und nachgewiesen..."

 Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2002 - Nr.3 (Sammlung Seite 1855 ff.); ZfB 2002, 1855 ff.