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Leitsatz:
Zur Frage der Zulässigkeit von Wendemanövern.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 16. Januar 1967
II ZR 243/64
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar, Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte MS D, das im Neuwieder Stromarm geladen hatte, ließ sich in dem Stromarm hinuntertreiben, weil der Beklagte zu 2 am Ende des Weissenthurmer Werthes wenden wollte. Während es über Steuerbord zu Tal wendete, stieß es am Steuerbordvorschiff mit dem Backbordvorschiff des zu Berg fahrenden, beladenen und bei der Klägerin versicherten MS A zusammen. Beide Schiffe wurden beschädigt.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz. Das Wendemanöver sei unzulässig gewesen, da es in zu geringem Abstand von dem Bergfahrer begonnen und in Querfahrt durchgeführt worden sei; es hätte auch entweder über Backbord oder in kurzem Bogen über Steuerbord ausgeführt werden müssen. Die Beklagten messen der Schiffsführung von A die Alleinschuld bei, weil sie infolge Unaufmerksamkeit keine Rücksicht auf das wendende Schiff genommen und den Kurs nach Steuerbord eingeschlagen habe, obwohl man sich über eine Begegnung an der Steuerbordseite verständigt gehabt habe.
Die Klage wurde vom Rheinschiffahrtsgericht abgewiesen, vom Rheinschiffahrtsobergericht dagegen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, die Interessenten von D hätten zu beweisen, das Wendemanöver sei in einem solchen Abstand von dem Bergfahrer A begonnen worden, daß dieser nicht unvermittelt seine Geschwindigkeit habe vermindern oder seinen Kurs habe ändern müssen (BGH VersR 1962, 417; BGH-Urteile vom 17. Oktober 1966 II ZR 162, 163/64*). Diesen Beweis hält das Berufungsgericht nicht für erbracht. Allenfalls, so meint das Berufungsgericht, sei die Feststellung gerechtfertigt, dass MS D bei Beginn seines Wendemanövers mindestens 200 m von dem Bergfahrer Adelheid Anna" entfernt gewesen sei. Dieser Abstand habe für ein gefahrloses Wenden nicht genügt.
Den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß die Behauptung der Interessenten von D, der Abstand habe bei Wendebeginn mehr als 200 m betragen, nicht für bewiesen erachtet worden ist.
Die Kollisionsstelle liegt nach der Feststellung des Berufungsgerichts zwischen km 608,2 und 608,3. Wie weit MS D sich hat treiben lassen und wo es mit dem Wenden begann, steht nicht fest. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß diese Stelle nicht unerheblich unterhalb der Werthspitze liegt, da man auf D erst von dort aus den Überblick auf etwaige Talfahrt aus dem Hauptarm des Rheinstromes gewinnen konnte. Ein Wenden unmittelbar unterhalb der Werthspitze wäre nautisch fehlerhaft gewesen. Das non liquet geht zu Lasten der Interessenten von D. Wird weiter berücksichtigt, dass D im stillen Wasser wendete und der Bergfahrer auf den letzten 150 m zurückschlug, so können gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Beweis über einen gröberen Abstand als 200 m sei nicht erbracht, rechtliche Bedenken nicht erhoben werden.
Es stand im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es dem Antrag auf wiederholte Vernehmung von Zeugen stattgeben wollte (§ 398 ZPO). Um eine wiederholte Beweisaufnahme handelt es sich auch, wenn Zeugen, die bereits im Verklarungsverfahren vernommen worden sind, nochmals vernommen werden sollen (BGH VersR 1964, 1293). Das Berufungsgericht brauchte Zeugen auch nicht deshalb erneut zu vernehmen, weil es ihre Aussagen anders würdigte als das Rheinschiffahrtsgericht.
Der allgemein gehaltene Antrag, einen Zeugen über den tatsächlichen Hergang des Unfalls zu vernehmen, genügt im Verklarungsverfahren (§ 14 BSchG), jedoch nicht im Rechtsstreit, wo die Tatsachen, für die ein Zeuge benannt wird, ausreichend bestimmt bezeichnet werden müssen (§ 373 ZPO).
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, daß eine Entfernung von 200 m bei Wendebeginn für ein gefahrloses Wenden nicht genügte. Das Wenden zu Tal war daher nach § 47 Nr. 1 RhSchPVO nicht erlaubt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ein schuldhaft nautisches Fehlverhalten der Schiffsführung von D darin gesehen, daß das Schiff in weitem Bogen zu Tal gewendet hat. Das Wenden ist grundsätzlich in kurzem Bogen durchzuführen; in weitem Bogen darf es nur vorgenommen werden, wenn dies die Verkehrslage zulässt oder sogar gebietet. Dabei spielt es keine Rolle, ob der übliche Talweg an dieser Stelle linksrheinisch verläuft. Bei der Frage, ob in weitem Bogen zu Tal gewendet werden darf, kommt es bei sich kreuzenden Kursen entscheidend auf die Entfernung zwischen dem wendenden Schiff und dem Bergfahrer an (vgl. BGH VersR 1966, 465, ZfB 1966, 236). Die Führung von D konnte nicht davon ausgehen, daß der Bergfahrer A in den Neuwieder Rheinarm einfahren wolle, sondern mußte damit rechnen, daß der Bergfahrer seine Fahrt in der rechten Fahrwasserhälfte des Hauptstromarmes fortsetzen werde und sich daher die Kurse kreuzen würden.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner ausgeführt, daß D als wendendes Schiff die blaue Flagge des Bergfahrers, die dieser wegen der Talfahrt hatte setzen müssen, nicht auf sich beziehen durfte.
Da das Wenden in weitem Bogen wegen des herankommenden Bergfahrers nautisch fehlerhaft war, bedarf es keiner Erörterung, ob dem Berufungsgericht (BU S. 15) darin zugestimmt werden kann, daß D nicht gegen das Querfahrtverbot (§ 49 Nr. 1 RhSchPVO) verstoßen hat.
Das Berufungsgericht hält nicht für bewiesen, daß MS D das beabsichtigte Wenden durch ein Wendesignal angekündigt hat. Der Führung des Bergfahrers kann daher kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Geschwindigkeit und den Kurs zum Hauptstromarm beibehalten hat, solange D mit dem Drehen tatsächlich noch nicht begonnen hatte. Das angefochtene Urteil geht weiter davon aus, D habe in 200 m Abstand von A zu drehen begonnen, die Führung von A habe aber das wendende Schiff erst in einem Abstand von 150 m bemerkt.
Nach Steuerbord habe A wegen der Talfahrt nicht ausweichen können. Ein Ausweichen nach Backbord sei gefährlich gewesen, da man auf A habe berücksichtigen müssen, daß D das Wenden abbrechen würde oder jedenfalls das Fahrwasser nicht rechtzeitig freimachen könnte und die Folge eine Kollision mit dem Achterschiff von D hätte sein können.
Die Angriffe der Revision gegen diese Ausführungen beruhen auf tatsächlichem Gebiet und können daher keinen Erfolg haben. Zutreffend ist auch die Absicht des Berufungsgerichts, dem Bergfahrer könne nicht vorgeworfen werden, daß sein Schiff beim Zurückschlagen in Abweichung von seinem Kurs nach Steuerbord verfallen sei, da dies beim Zurückschlagen in der Regel unvermeidbar sei.
Eine Kursverständigung liegt nicht vor. Aber auch ohne eine solche war allerdings der Bergfahrer, wenn er Backbordschallsignal abgab, verpflichtet, Backbordkurs einzuschlagen. Im angefochtenen Urteil wird jedoch hierzu ausgeführt, das Signal sei in der letzten Phase des Unfallgeschehens abgegeben worden; der Bergfahrer sei, nachdem er seine Maschine gestoppt und begonnen habe, zurückzuschlagen, nicht in der Lage gewesen, ein Backbordmanöver durchzuführen, was in diesem Zeitpunkt im übrigen nicht geeignet gewesen wäre, die jetzt unvermeidbare Kollision noch abzuwenden. An diesen Feststellungen scheitert der Angriff der Revision, die von einem anderen Sachverhalt ausgeht."