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II ZR 97/66 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Date du jugement: 08.07.1968
Numéro de référence: II ZR 97/66
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Die Verkehrssicherungspflicht der Wasserstraßenverwaltung auf Kanälen bezieht sich nicht nur auf das dem durchgehenden Verkehr dienende Fahrwasser, sondern auch auf die Böschungen, die von der Verwaltung in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten sind.
2) Der Umstand, daß Berührungen der Kanalböschungen durch Schiffe aus Gründen des Uferschutzes nicht erlaubt sind, enthebt die Wasserstraßenverwaltung nicht der Verpflichtung, die Böschung von Sprengkörpern freizuhalten und alle von einer Böschung ausgehenden Gefahren von den Schiffen fernzuhalten.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 8. Juli 1968

II ZR 97/66

(Schiffahrtsobergericht Hamburg).

Zum Tatbestand:

Das mit Schrott beladene Motorschiff K des Beklagten lief im Jahre 1960 auf dem Küstenkanal bei der Fahrt von Oldenburg in westlicher Richtung bei Sedelsberg aus dem Ruder, scherte nach Steuerbord aus und löste bei der Berührung der Böschung des Nordufers eine Minenexplosion aus, durch welche ein erhebliches Leck entstand und bewirkt wurde, daß das Schiff nach kurzem Weiterlaufen mit dem Bug bei km 41,685 auf Grund kam. Die Ladung mußte geleichtert werden.
Die Klägerin (Wasserstraßenverwaltung) verlangt ca. 5500,- DM als Entgelt für die Entsendung eines Schwimmgreifers zum Entlöschen der Ladung. Der Beklagte fordert mit der Widerklage Ersatz seines Schadens von insgesamt ca. 97 000,- DM und behauptet, daß die Klägerin ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht gehörig nachgekommen sei. Nach dem Hinweis eines Maurers Kn. im Jahre 1951, daß bei km 41,6 an der Nordseite des Kanals gegen Ende des 2. Weltkrieges 4 Riegelminen von der Uferböschung aus in den Kanal abgesenkt worden seien, habe sich die Klägerin mit den nach dem Kriege bis 1952 unstreitig durchgeführten Suchaktionen nicht begnügen dürfen, sondern die Gefahrenstelle mit der einiger Zeit später verfügbaren sogenannten Förstersonde absuchen müssen. Zum mindestens hätte die Klägerin an der Unfallstelle Warntafeln aufstellen oder die Schiffahrt in anderer Weise warnen müssen.

Die Klägerin meint demgegenüber, daß sie alles Erforderliche, auch durch Taucheruntersuchungen, getan habe. Zu späteren Nachforschungen sei sie nicht verpflichtet gewesen. Die Böschung unterliege nicht ihrer Verkehrssicherungspflicht. Der Unfall sei in erster Linie auf das Verschulden der Schiffsführung zurückzuführen.
Das Schiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Schiffahrtsobergericht hat umgekehrt die Klage abgewiesen und Widerklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Entgegen der Ansicht der Revision bezieht sich die Verkehrssicherungspflicht auf Kanälen nicht nur auf das dem durchgehenden Verkehr dienende Fahrwasser, sondern auch auf die Böschungen, die die Klägerin in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten hat. Nur der Umfang der Verkehrssicherungspflicht und dementsprechend das Maß der von der Klägerin anzuwendenden Sorgfalt kann verschieden sein je nach dem Verkehr, mit dem an der betreffenden Stelle zu rechnen ist. Zwar müssen nach § 84 Nr. 2 BSchSO Schlepper und Selbstfahrer vor und während der Fahrt genügenden Abstand von den Ufern halten. Andererseits muß nach § 80 BSchSO bei unsichtigem Wetter unter Umständen angehalten und dabei das Fahrwasser soweit wie möglich freigemacht werden. Hierbei und selbst bei durchgehender Schiffahrt wird nicht immer auszuschließen sein, daß ein Schiff - verschuldet oder unverschuldet - die Böschung berührt. Selbstverständlich muß und kann eine Böschung nicht in einen solchen Zustand versetzt werden, daß ein in Fahrt befindliches, die Böschung berührendes Schiff nicht beschädigt wird. Wohl aber muß die Böschung von Sprengkörpern jeder Art freigehalten werden. Die Revision hat nicht recht, wenn sie meint, allein der Umstand, daß die Berührung der Kanalböschung durch Schiffe aus Gründen des Uferschutzes nicht erlaubt sei - dabei kann dahingestellt bleiben, wie weit ein solches Verbot reicht -, enthebe die Klägerin der Verpflichtung, selbst offensichtlich von einer Böschung ausgehende Gefahren (hier Sprengstoffe in der Böschung) von den Schiffen fernzuhalten. Gerade das Gegenteil ist richtig. Nicht zu entscheiden ist, ob die Beseitigung der von Sprengstoffen in Kanälen ausgehenden Gefahren nicht auch eine Aufgabe der Polizei ist.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe in den Jahren 1951/52 ihrer Verkehrssicherungspflicht genügt, indem sie die von dem Maurer Kn. bei km 41,6 aufgezeigte Stelle auf dem Leinpfad habe aufgraben und die Nordböschung auf der Strecke zwischen km 41,575 bis km 41,625, d. h. je 25 m, beiderseits der ursprünglichen Fundstelle durch Taucher habe absuchen lassen; eine bessere Untersuchungsmethode als das Absuchen durch Taucher habe es damals nicht gegeben. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Im angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt: Das erfolglose Bemühen, die Minen aufzufinden, habe den Verdacht, sie seien ins Wasser geworfen worden, nicht beseitigt. Dafür habe die Taucheruntersuchung nicht ausgereicht. Auch sei es sehr viel näherliegend anzunehmen, daß jemand die Minen aus dem Erdloch, in dem Kn. sie gesehen gehabt habe, herausgeholt und ins Wasser geworfen habe als davon auszugehen, daß Dritte sie mitgenommen oder sonst unschädlich gemacht haben könnten. Der fortbestehende Verdacht und die Tatsache, daß in den folgenden Jahren der Klägerin bekannt geworden sei, daß mit der sogenannten Förstersonde sehr günstige Ergebnisse bei der Suche nach eisenhaltigen Körpern erzielt worden seien, hätten die Klägerin veranlassen müssen, u. a. auch diese Verdachtstelle neu überprüfen zu lassen. In eingehender Darlegung und Würdigung der Umstände des Falles kommt das Schiffahrtsobergericht zu der Überzeugung, daß die Riegelminen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefunden worden wären, wenn die Klägerin die verdächtige Stelle bei km 41,6 nach beiden Seiten hin hätte absuchen lassen. Da zwischenzeitlich die ganz erhebliche Verunreinigung des Kanals mit Sprengkörpern, Waffen und Munition festgestellt worden sei und sich herausgestellt habe, daß die früheren Suchmethoden nicht verläßlich gewesen seien, hätte die Klägerin ihre über ihre früheren Untersuchungen vorliegenden Aktenunterlagen erneut durchsehen und auf Grund der jedenfalls 1959 vorliegenden Erfahrungen zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß eine erneute Suche unabweislich sei.

Mit Rücksicht darauf, daß bei der Explosion von Minen nicht nur Sachwerte, sondern Menschenleben auf dem Spiele stehen, hat das Berufungsgericht die an die Sorgfaltspflicht der Klägerin zu stellenden Anforderungen nicht überspannt. Nachdem die im angefochtenen Urteil festgestellten günstigen Erfahrungen mit der Förstersonde der Klägerin bekanntgeworden waren, wäre es sogar notwendig gewesen, daß die Wasser- und Schiffahrtsämter in einer allgemeinen Weisung auf das Ortungsgerät aufmerksam gemacht worden wären mit dem Auftrag, bekannte Verdachtstellen mit dem Gerät erneut abzusuchen. Von den zahlreichen Revisionsrügen, die sich im wesentlichen gegen die tatrichterliche Würdigung richten, greift jedoch eine durch.
Es wird zu prüfen sein, ob mit der Förstersonde eine weitere Strecke oberhalb und unterhalb des Erdlochs abgesucht werden mußte als bei der Taucheruntersuchung im Jahre 1952.
Auch bedarf es der Erörterung, ob und welche Anhaltspunkte - der Klägerin erkennbar - etwa dafür vorliegen, daß die Minen durch Wasserbewegung oder sonstige Ereignisse an die erheblich oberhalb des Erdlochs befindliche Unfallstelle geraten konnten. Von allen diesen Umständen wird es abhängen, ob das Berufungsgericht die Überzeugung gewinnt, daß die Minen aus dem Erdloch stammen und die Klägerin es schuldhaft unterlassen habe, die Strecke vom Erdloch bis zur Explosionsstelle mit der Förstersonde absuchen zu lassen.

Hiernach mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Für die weitere Verhandlung mag darauf hingewiesen werden, daß der Beklagte den Unfallort zu beweisen hat, da die Lage des Unfallortes zu den haftungsbegründenden Tatsachen gehört.

In der Revisionsinstanz hat die Klägerin vorgetragen, die Berührung der Böschung sei in jedem Falle geeignet gewesen, zu einer schweren Beschädigung des Schiffes und zu einem Absinken zu führen. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Klägerin hätte schon besondere Umstände dartun müssen, die die Feststellung solcher Schadensfolgen nach § 287 ZPO rechtfertigen würden. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ausgeführt, bei bloßer Berührung mit der Böschung sei allenfalls mit einer Schramme oder Einbeulung zu rechnen gewesen."