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II ZR 79/68 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Date du jugement: 13.10.1969
Numéro de référence: II ZR 79/68
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung hat die Fahrrinne in einer bestimmten Breite und Tiefe zu erhalten, turnusmäßig den Zustand der Fahrrinne zu überprüfen und je nach dem Ergebnis die Fahrrinne auszubaggern, Hindernisse zu beseitigen oder sie zu bezeichnen.

2) Eine Pflichtwidrigkeit der Verwaltung ist nur dann ursächlich für eine Grundberührung, wenn die Untiefe bereits zu dem Zeitpunkt vorhanden war, zu dem die letzte turnusmäßige Überprüfung der Fahrrinne vor dem Unfalltag hätte erfolgen müssen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 13. 10. 1969

II ZR 79/68

(Schiffahrtsgerichtobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, deren beladenes MS N am 19. 7. 1965 auf der Bergfahrt bei Mosel-km 55,5 (Stauhaltung Müden) rakte und beschädigt wurde, verlangt von der beklagten Wasser- und Schifffahrtverwaltung Ersatz des Unfallschadens von ca. 14 600 hfl., weil die Beklagte in Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht die Fahrrinne im Bereich der Unfallstelle vor dem Unfall letztmals im Dezember 1964 überprüft habe und infolgedessen eine 6 m breite Felsplatte, die die Solltiefe an der Unfallstelle etwa 30 cm überragt habe, vor dem Unfall nicht gefunden und beseitigt worden sei.

Die Beklagte bestreitet, daß eine Grundberührung stattgefunden habe. Wegen des von Dezember 1964 bis Juli 1965 vorhandenen hohen Wasserstandes habe die Kontrolle erst im Juli 1965 wieder beginnen können. Das plötzliche Hineinragen der Felsplatte in die Solltiefe könne nur dadurch erklärt werden, daß ein schleppender Anker die Felsplatte aus der Flußsohle hochgerissen habe.

Das Schiffahrtsgericht und das Schiffahrtsobergericht haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. In der Revisionsinstanz wurde das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagten obliegt, wie sie nicht in Abrede stellt, die Verkehrssicherungspflicht für den durchgehenden Schiffsverkehr auf dem inländischen Teil der Mosel. Sie ist deshalb gehalten, den der durchgehenden Schiffahrt zur Verfügung gestellten Teil des Fahrwassers im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu sichern (BGHIZ 37, 69 f). Hierzu gehört, daß die Beklagte, da sie es auch übernommen hat, die Fahrrinne in einer bestimmten Breite und Tiefe zu erhalten, turnusmäßig den Zustand der Fahrrinne überprüft und je nach dem Ergebnis dieser Prüfungen die Fahrrinne ausbaggert, Hindernisse beseitigt oder, solange eine Beseitigung nicht möglich ist, kennzeichnet (BGH aaO). Wie oft sie die Fahrrinne innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu überprüfen hat, beurteilt sich nach den jeweiligen Gegebenheiten. Ist beispielsweise wegen der Kraft des strömenden Wassers oder nach der Beschaffenheit des Flußbetts oder unter Berücksichtigung des Verkehrs mit ständigen oder häufigen Veränderungen der Flußsohle in einem bestimmten Gebiet zu rechnen, so muß die Beklagte, sofern möglich und zumutbar, die turnusmäßige Überprüfung der Fahrrinne in diesem Gebiet in zeitlich dichter Reihenfolge durchführen. Unterliegt hingegen die Flußsohle in einem anderen Bereich nach den bisherigen Erfahrungen nur geringfügigen Veränderungen, so kann die Beklagte sich dort mit einer Überprüfung in zeitlich größeren Abständen begnügen. Dabei ist es Sache des Tatrichters, im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, gegebenenfalls nach Zuziehung eines Sachverständigen, festzustellen, zu welchen Zeitpunkten jeweils eine turnusmäßige Überprüfung der Fahrrinne erfolgen muß.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Mosel in der Zeit vom Januar bis Mai 1965 Hochwasser führte. Dieser Umstand konnte nach der Auffassung des Berufungsgerichts ein im einzelnen nicht vorhersehbares, starkes Geschiebe in der Flußsohle bewirken. Die gleiche Wirkung konnte nach den weiteren Darlegungen des Berufungsgerichts dadurch eintreten, daß der Schiffahrtsweg im Bereich der Unfallstelle „erst kürzlich eröffnet" worden war und die Fahrrinne noch frische Ausbaggerungen aufwies. Hieraus ergab sich nach der Meinung des Berufungsgerichts die Pflicht der Beklagten, die turnusmäßige Überprüfung der Fahrrinne „in kürzeren Zeiträumen" oder, wie es an anderer Stelle des angefochtenen Urteils heißt, „besonders häufig" vorzunehmen. Von dieser Pflicht, so führt das Berufungsgericht weiter aus, sei die Beklagte auch dann nicht vorübergehend befreit gewesen, wenn sie die Fahrrinne mit den ihr zur Verfügung stehenden Geräten (Echolot, Echograph, Peilrahmen) in der Zeit von Januar bis Anfang Juli 1965 wegen des hohen Wasserstands der Mosel nur in beschränktem Umfang habe überprüfen können; denn die Beklagte habe sich „rechtzeitig in den Besitz von auf der Mosel verwendbaren Meßschiffen setzen müssen, die ihr eine zuverlässige Kontrolle der Fahrrinne auch unter den besonderen Verhältnissen des Frühjahrshochwassers gestattet hätten", zumindest habe sie hierfür durch die „rechtzeitige Entwicklung von auf der Mosel verwendbaren Meßschiffen Sorge tragen müssen." Wegen der dargelegten Pflichtverletzung, so meint das Berufungsgericht schließlich, sei die Beklagte der Klägerin zum Ersatz ihres Unfallschadens verpflichtet.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die Beklagte hat in der schriftlichen Berufungsbegründung vom 26. Januar 1968 eingehend dargelegt, warum sie nach der im Dezember 1964 erfolgten Gesamtaufnahme der Fahrrinne in der Stauhaltung Müden erst am 5. Juli 1965 mit einer weiteren turnusmäßigen Überprüfung der Fahrrinne in diesem Gebiet beginnen konnte. In diesem Zusammenhang hat sie vorgetragen, daß Fachleute die bisherigen Meßschiffe als für die Mosel ungeeignet abgelehnt hätten und erst neue Meßschiffe hätten entwickelt werden müssen, „die jetzt als brauchbares Gerät eingesetzt werden". Damit hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen, wenn es zu der Annahme gelangen wollte, die Beklagte habe derartige Meßschiffe bereits bis zum Frühsommer 1965 erwerben oder deren abschließende Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt veranlassen können.

b) Die Pflichtwidrigkeit, welche das Berufungsgericht der Beklagten vorwirft, kann nur dann ursächlich für die Grundberührung des MS N gewesen sein, wenn die Untiefe bereits zu dem Zeitpunkt vorhanden war, zu dem die letzte turnusmäßige Überprüfung der Fahrrinne vor dem Unfalltag hätte erfolgen müssen. Denn nur dann hätte die Beklagte vor dem Unfall die Gefahrenstelle erkennen und beseitigen können. Zu diesem Punkte hat das Berufungsgericht aber keine Ausführungen gemacht."