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Leitsatz:
Container, die vom Befrachter oder Ablader verpackt und sodann dem Verfrachter zur Beförderung übergeben worden sind, sind eine „Packung" im Sinne des § 660 HGB.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 19. September 1977
II ZR 77/75
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Der Beklagten waren 3137 Graphit-Platten zur Beförderung übergeben worden, die in 65 Lattenkisten (crates) und diese in 5 Containern untergebracht waren. Während des Transports riß sich 1 Container los und kippte um, so daß die darin befindlichen 641 Platten in 13 crates als Totalverlust anzusehen waren.
Die Klägerin verlangt als Warenversicherin Ersatz des erstatteten Schadens von ca. 65 000,- DM.
Die Beklagte hat in grundsätzlicher Anerkennung ihrer Haftung 1250,- DM gezahlt, im übrigen die Zahlung verweigert, da es sich bei dem Container um eine „Packung" im Sinne des § 660 HGB gehandelt habe.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 15 000,- DM stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Nach § 660 HGB „haftet in jedem Fall der Verfrachter für jede Packung oder Einheit bis zu einem Höchstbetrag von 1250 DM". Da auf die „Einheit" erst zurückgegriffen werden kann, wenn keine „Packung" vorliegt (BGH, Urt. v. 9. 7. 1973 - II ZR 86/711), LM § 612 HGB Nr. 4 = VersR 1973, 1038, 1039), hängt die Entscheidung über den Klageanspruch zunächst davon ab, ob in dem umgestürzten Container eine „Packung" im Sinne des § 660 HGB zu sehen ist. Die Frage ist mit dem Berufungsgericht und entgegen der Ansicht der Revision zu bejahen.
a) Nach allgemeiner Auffassung liegt eine „Packung" im Sinne des § 660 HGB vor, wenn das zu befördernde Gut vollständig oder teilweise mit einer Umhüllung versehen („verpackt") ist und ihm diese einen nicht unwesentlichen äußeren Schutz gegen die Transportgefahren gewährt.
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Auch kommt es insoweit weder auf die Größe der einzelnen Behältnisse noch darauf an, ob sie nur eine Art von Waren oder verschiedene Güter enthalten.
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b) Ein Container umschließt - wie eine große Kiste - die darin untergebrachten Güter und gibt ihnen einen wesentlichen äußeren Schutz vor den Transportgefahren. Güter, die in einem Container verpackt sind, sind daher grundsätzlich als eine „Packung" im Sinne des § 660 HGB anzusehen. Daran ändert entgegen der Ansicht der Revision nichts der Umstand, daß ein Container auch ein Beförderungsmittel ist. Richtig ist es, daß die - weltweit genormten - Abmessungen der Container auf die zu ihrer Beförderung eingesetzten Verkehrsmittel zugeschnitten und nicht ladungsbezogen sind. Das beseitigt jedoch nicht ihre Eigenschaft, die in ihnen befindlichen Güter verpackungsmäßig zu umhüllen und ihnen einen wesentlichen äußeren Schutz vor den Transportgefahren zu gewähren.
c) Eine andere Frage ist es, ob Sinn und Zweck des § 660 HGB es verbieten, Container in die Haftungsbeschränkung dieser Vorschrift einzubeziehen. Auch das ist - jedenfalls soweit es, wie hier, um einen vom Befrachter (oder Ablader) gepackten Container geht - zu verneinen. § 660 HGB entspricht Art. 4 § 5 Abs. 1 des Internationalen Obereinkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente vom 25. August 1924 (sogenannte Haager Regeln). Beide Bestimmungen wollen den Verfrachter vor unvorhergesehenen oder übermäßigen Schadensersatzansprüchen der Ladungsbeteiligten schützen, die sich bei den ihm übergebenen „Packungen" daraus ergeben können, daß er vielfach den Wert der darin befindlichen Güter nicht kennt, den Packungsinhalt nicht auf zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen untersuchen und sodann entsprechend behandeln kann.
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d) Es mag sein, daß der Haftungshöchstbetrag in § 660 HGB von 1250 DM, der auf die in Art. 4 § 5 Abs. 1 der Haager Regeln bestimmte Haftungssumme von 100 englischen Pfund zurückgeht (vgl. hierzu Gramm, Das neue deutsche Seefrachtrecht nach den Haager Regeln S. 178), heute wegen der gestiegenen Durchschnittswert der Ladung allgemein als zu gering empfunden wird und deshalb einer angemessenen Erhöhung bedarf (so bereits Art. 4 § 5 Buchst. a] der Haager Regeln in der Fassung des - von der Bundesrepublik Deutschland allerdings noch nicht ratifizierten - Brüsseler Protokolls vom 23. Februar 1968, sogenannte Haager¬Visby-Rules, wonach der Haftungshöchstbetrag pro Packung oder Einheit 10 000 Poincarö-Francs betragen soll). Das allein rechtfertigt es jedoch nicht, auch ohne eine entsprechende Änderung des § 660 HGB für bestimmte „Packungen" eine höhere Haftungsgrenze des Verfrachters als 1250 DM anzusetzen oder diese von der genannten Vorschrift ganz auszunehmen.
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Überdies besteht kein zwingendes Bedürfnis für ein „Richterrecht", weil es die Befrachter bereits jetzt in der Hand haben, die Haftungshöchstgrenze für Verfrachter in Art. 4 § 5 Abs. 1 der Haager Regeln bzw. in § 660 HGB auch für Container dadurch aus¬zuschließen, daß der Ablader - was im Streitfall nicht geschehen ist - die Art und den Wert des Gutes vor dem Beginn der Einladung angibt und diese Angabe in das Konnossement aufgenommen wird (Art. 4 § 5 Abs. 1 Halbsatz 2 der Haager Regeln, § 660 Halbsatz 2 HGB). Das mag zwar den Verfrachter wegen seines nunmehr vergrößerten Haftungsrisikos veranlassen, eine höhere Fracht zu berechnen. Jedoch bietet diese Möglichkeit den Ladungsbeteiligten einen einfachen Weg, sich die uneingeschränkte Haftung des Verfrachters zu eröffnen.
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e) Unterstellt man zu Gunsten der Klägerin die Richtigkeit ihrer Behauptung, daß auch die einzelnen Graphit-Platten verpackt gewesen seien und ohne zusätzliche Umhüllung auf die Seereise hätten geschickt werden können, so führt das gleichfalls nicht zu einer für die Klägerin günstigeren Beurteilung. Insbesondere kann der Revision nicht gefolgt werden, soweit sie meint, damit habe es sich bei den 641 - totalbeschädigten - Graphit-Platten um 641 „Packungen" im Sinne des § 660 HGB gehandelt. Dem steht entgegen, daß die Platten nicht jeweils als einzelne „Packung" der Verfrachterin übergeben worden sind, sondern in einem sie allseits umschließenden Behälter (Container) untergebracht waren. Entsprechendes gilt für die einzelnen crates.
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Die Vorschrift des § 660 HGB ist zwingendes Recht (§ 662 Abs. 1 HGB). Jedoch sieht § 662 Abs. 3 HGB vor, daß die Haftung des Verfrachters erweitert werden kann, die Vereinbarung darüber aber in das Konnossement aufzunehmen ist. Die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen entspricht Art. 4 § 5 Abs. 3 der Haager Regeln. Allerdings ist in dieser Bestimmung nur von der Möglichkeit einer Erhöhung des Haftungshöchstbetrages die Rede. Darauf läuft es aber auch hinaus, wenn Befrachter und Verfrachter absprechen, daß bestimmte in einem Container befindliche Güter oder Packungseinheiten selbst als „Packung" im Sinne des § 660 HGB angesehen werden sollen. Dadurch wird nicht der Begriff „Packung" in einer mit dem Gesetz unvereinbaren Weise festgelegt, sondern lediglich der Höchsthaftungsbetrag des § 660 HGB gemäß der Zahl der einzelnen Güter oder Packungseinheiten vervielfacht. Bedenken gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bestehen daher nicht.
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Eine Haftungserweiterung des Verfrachters nach § 662 Abs. 3 HGB stellt eine Ausnahme von der Grundregel des § 660 HGB dar. Sie muß daher unmißverständlich vereinbart und in der gleichen Weise im Konnossement niedergelegt sein. Nur das meint offenbar das Berufungsgericht, soweit es davon spricht, „der Wille der Vertragsparteien, nicht den Container, sondern die in ihm gestauten Packstücke haftungsrechtlich als maßgeblich zu erklären, müsse in eindeutiger Weise im Konnossement zum Ausdruck kommen".
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