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II ZR 75/89 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 09.04.1990
Numéro de référence: II ZR 75/89
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsatz:

Zu den strengen Sorgfaltspflichten eines Verfrachters bei geruchsempfindlicher Ladung

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 9. April 1990

II ZR 75/89

(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg)

 

Zum Tatbestand:


Die Klägerin hatte den Transport einer Partie von 500 Sack Rohkaffee versichert, die unter einem von der Beklagten rein gezeichneten Konnossement von Santa Marta (Kolumbien) nach Hamburg mit dem MS „A" befördert worden ist. Die Partie, die im Unterraum der Luke 4 untergebracht worden war, hatte nach dem Löschen einen Fischmehlgeruch.
Die Beklagte hatte MS „A" in Zeitcharter genommen. Zuvor hatte der von ihr beauftragte Sachverständige die Laderäume des Schiffes in Hamburg überprüft. Dabei hatte er in den Räumen 2 und 4 sowie in den einsehbaren Bereichen der zugehörigen Lüftungsschächte Fischmehlreste und starken Fischmehlgeruch wahrgenommen. Hierauf erfolgte eine nochmalige Reinigung der beiden Räume durch ein Schiffsreinigungsunternehmen, über deren Durchführung und Ergebnis es in dem Zertifikat des Sachverständigen heißt:
"Hatches Nos. 2 and 4 tween decks and lower holds were carefully cleaned by cleaning gang, were washed and deodorized with spray of air refreshment. The cargo compartments were inspected again 21. 12. 1985 10.00 hrs, at this time hatches Nos. 2 and 4 tween decks and lower holds found well cleaned, free of cargo residues and free of fishmeal smell — hatches Nos. 2 and 4 found fit and ready for loading general cargo.
In vessel's cargo compartments ventilator openings found closed with wire mesh and with protection rods, openings are partly fitted with lids. In way of ventilator openings no fishmeal residues were seen but perfect cleaning from inside was impossible. Supercargo was advised to operate cargo hold ventilation in hatches Nos. 2 and 4 an exhaust ventilation only."
Hiervon bezog sich der letzte Absatz auf die etwa 13 m hohen Lüftungsschächte, in die man von oben nicht hineinsehen konnte...
Die Klägerin hat die Wertminderung der Partie Rohkaffee durch den Fischmehlgeruch mit 52 967,09 DM angegeben. In Höhe dieses Betrages zuzüglich Gutachter- und Bearbeitungskosten nimmt sie die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin auf Zahlung in Anspruch. Nach ihrem Vortrag ist MS „A" wegen Rückständen von Fischmehl in den Lüftungsschächten der Luke 4 für den Transport der dort im Unterraum gestauten Partie Rohkaffee nicht ladungstüchtig gewesen.
Die Beklagte meint, daß sie für den Ladungsschaden jedenfalls deshalb nicht hafte, weil sie die Laderäume 2 und 4 in Hamburg auf das sorgfältigste habe säubern lassen und in den Lüftungsschächten danach etwa noch vorhandene Fischmehlreste trotz Anwendung der Sorgfalt eines ordentllichen Verfrachters bis zum Reiseantritt in Santa Marta nicht erkennbar gewesen wären.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts stammt der Fischmehlgeruch, mit dem die Partie Rohkaffee behaftet gewesen ist, von geringen Fischmehlresten in den Lüftungsschächten des Laderaums 4. Ihm ist deshalb zuzustimmen, daß MS „A" nicht ladungstüchtig im Sinne des § 559 Abs. 1 HGB gewesen ist. In diesem Falle hat die Beklagte für den Geruchsschaden des Rohkaffees zu haften, es sei denn, daß der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise (in Santa Maria) nicht zu entdecken war (§ 559 Abs. 2 HGB). Das ist nach Ansicht des Berufungsgerichts der Fall. Die Fischmehlreste hätten von der Beklagten nicht entdeckt werden können. Vielmehr habe sie davon ausgehen dürfen, daß die Luken 2 und 4 völlig frei von Fremdgerüchen waren. Sie habe das getan, was von ihr zu verlangen gewesen sei: Sie habe einen Sachverständigen eingeschaltet, dieser habe die Laderäume des MS „A" genau überprüft, Beanstandungen getroffen, eine Reinigung verlangt, die durchgeführt wurde, danach habe er eine erneute Kontrolle, die umfassend war, vorgenommen und dann die Räume freigegeben. Gegen diese Ausführungen bestehen rechtliche Bedenken.
1. Die Geruchsgefährlichkeit von Fischmehl und die Geruchsempfindlichkeit von Rohkaffee sind Verfrachtern allgemein bekannt. Soll deshalb in einem Laderaum, in dem Fischmehl befördert worden war, Rohkaffee transportiert werden, so treffen den Verfrachter strenge Sorgfaltspflichten. Insbesondere muß er prüfen, ob nicht an uneinsehbaren Stellen noch „Geruchsnester" aus Fischmehlresten vorhanden sind, die eine Rohkaffeeladung infolge ihrer Geruchsempfindlichkeit beschädigen können. Auch vermag ihn in aller Regel nicht zu entlasten, wenn er — wie hier — die Untersuchung der Laderäume einem nautischen Sachverständigen übertragen hat. Zumindest hat er das ihm von diesem mitgeteilte Untersuchungszertifikat sorgfältig zu prüfen und, sofern erforderlich, ergänzende Auskünfte oder zusätzliche Maßnahmen zu veranlassen...
2. Hier hat der Sachverständige nach seinem Zertifikat an sich die Laderäume 2 und 4 als „fit and ready for loading general cargo" bezeichnet. Hinsichtlich der Lüftungsschächte heißt es dann aber in dem Zertifikat: „In way of ventilator openings no .fishmeal residues were seen but perfect cleaning from inside was impossible. Supercargo was advised to operate cargo hold ventilation in hatches Nos. 2 and 4 an exhaust ventilation only." Allerdings hat der Sachverständige bei seiner Anhörung durch das Berufungsgericht die Anweisung an den Supercargo als reine Vorsichtsmaßnahme bezeichnet, weshalb das Berufungsgericht meint, der Anweisung könne nicht entnommen werden, daß die Reinigung nicht sorgfältig genug erfolgt sei. Indes hat der Sachverständige weiter erklärt, daß man den Kopf in die „verschlossenen" Lüftungsöffnungen nicht habe hineinstecken und diese (nur) „bis in eine gewisse Höhe, so hoch wie der Strahl geht", habe ausspritzen können. Auf diese Erklärung ist das Berufungsgericht, wie die Revision mit Grund rügt, nicht weiter eingegangen, obwohl sie offenbar in einem engen Zusammenhang mit dem Hinweis in dem Zertifikat des Sachverständigen steht, „but perfect cleaning from inside was impossible", und ein sorgfältiger Verfrachter bereits danach nicht sicher sein konnte, daß etwaige „Geruchsnester" in den Lüftungsschächten durch die Reinigungsarbeiten vollständig beseitigt worden sind. Damit kommt aber dem Vortrag der Klägerin besondere Bedeutung zu, daß, um das festzustellen, ein Probelauf der Lüfter bei geschlossenen Luken hätte durchgeführt werden müssen (was unstreitig nicht erfolgt ist). . . .
Das Berufungsgericht selbst meint, ein Probelauf der Lüfter wäre nicht zu fordern und hätte auch nichts erbracht. Beides hat es aber nicht zureichend begründet. Gewiß mag der bei Vorbereitung der Laderäume übliche Probelauf der Lüfter dazu dienen festzustellen, ob sie einwandfrei funktionieren. Damit läßt sich aber nicht belegen, daß es nicht zu den Pflichten eines sorgfältigen Verfrachters gehört, bei einem hinreichenden Anlaß vermittels eines Probelaufs der Lüfter bei geschlossenen Luken zu prüfen, ob die Lüftungsschächte in ihren nicht einsehbaren Teilen frei von für eine geruchsempfindliche Ladung gefährlichen „Geruchsnestern" sind. Auch schließt nicht schon allein -der Umstand, daß während der Reise des MS „A" von Hamburg nach Santa Marta oder daß dem dortigen Besichtiger der Ladungsräume kein Fischmehlgeruch aufgefallen ist, aus, daß ein solcher bei einem Probelauf der Lüfter bei geschlossenen Luken bemerkt worden wäre. Ein derartiger Probelauf hat in Santa Maria nicht stattgefunden. Das könnte übrigens seinen Grund darin haben, daß die Beklagte, obwohl sie nach dem Zertifikat hinsichtlich der Beseitigung etwaiger „Geruchsnester" in den Lüftungsschächten nicht sicher sein konnte, möglicherweise davon abgesehen hat, hierüber den Ladungsraumbesichtiger der Verlader entgegen den ihr obliegenden strengen Sorgfaltspflichten zu unterrichten. Ferner läßt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, daß ein Probelauf der Lüfter bei geschlossenen Luken während der Reise von Hamburg nach Santa Maria erfolgt ist. Auch hier könnte der Anlaß gewesen sein, daß sie die in dem Zertifikat festgehaltene Unmöglichkeit einer vollständigen Innenreinigung der Lüftungssschächte dem Kapitän des MS „A" nicht mitgeteilt und die Besatzung des Schiffes deshalb nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit auf einen Fischgeruch in den Luken 2 und 4 geachtet hat.
3. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Vielmehr bedarf die Sache — gegebenenfalls nach ergänzendem Vorbringen durch die Parteien — weiterer Prüfung durch das Berufungsgericht. Sie war deshalb unter Aufhebung seines Urteils an dieses zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

 

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.4 (Sammlung Seite 1294 f.); ZfB 1990, 1294 f.