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Leitsatz:
Zur Verkehrssicherheitspflicht für die mit Schüttsteinen abgedeckte Uferböschung eines ausgewiesenen Schiffsliegeplatzes.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 5. Februar 1979
II ZR 75/77
(Schiffahrtsgericht St. Goar; Schiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende MS E erlitt bei einem Anlegemanöver auf dem Schiffsliegeplatz oberhalb der Moselschleuse Aldegund eine Leckage.
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Schadensersatz in Höhe von fast 75 000,- DM, weil ein kegelförmiger Stein ein Loch in den Schiffsboden gedrückt habe, der etwa 8 m aus dem linken Ufer ungefähr 45 bis 50 cm senkrecht aus der mit Schüttsteinen abgedeckten Böschung geragt und nach seinem Bewuchs so schon lange
gestanden habe.
Die Beklagte behauptet dagegen, daß das Schiff beim Anlegen den eigenen Anker überlaufen und hierbei das Leck erhalten habe. Der Liegeplatz sei einen Monat vorher mit dem Echolot ihres Meßschiffes abgesucht worden. Im übrigen habe bisher ein geeignetes Gerät für eine umfassende und absolut sichere Überprüfung von Böschungen noch nicht erworben oder entwickelt werden können.
Beide Vorinstanzen haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Das Schiffahrtsobergericht hat festgestellt, daß MS E auf dem Liegeplatz im Oberwasser der Schleuse St. Aldegund beim Beigehen mit dem Vorschiff zum linken Ufer auf einen spitzen, etwa 45 cm aus der Böschung nach oben ragenden Stein geraten und leck geschlagen ist. Insoweit hat es für bedeutsam angesehen, daß die Schiffsjungen B. und S. während des Anlegemanövers einen Anstoß des MS E wahrgenommen haben und der Taucher G. an der ihm von der Schiffsbesatzung bezeichneten Anstoßstelle einen etwa 45 cm aus der Böschung hervorstehenden Stein gefunden hat, dessen Konturen - nach dem vom Schiffahrtsgericht eingeholten Gutachten der Staatlichen Materialprüfungsanstalt Darmstadt - eine große Ahnlichkeit mit denen des Lecks aufgewiesen haben. Zudem hat es das Schiffahrtsobergericht für ausgeschlossen gehalten, daß MS E auf den eigenen Backbordbuganker gelaufen sei, weil das Schiff bei dem Anlegen überhaupt keinen Anker gesetzt gehabt habe.
Entgegen der Ansicht der Revision sind die Feststellungen des Schiffahrtsobergerichts zur Schadensursache nicht auf Vermutungen gegründet; vielmehr beruhen sie auf einer eingehenden Würdigung des Beweisergebnisses. Auch hat das Schiffahrtsobergericht bei der Erörterung des Gutachtens der Staatlichen Materialprüfungsanstalt Darmstadt nicht die Beweislast zum Nachteil der Beklagten verkannt. Insoweit ist der Revision entgegenzuhalten, daß das Gutachten in erster Linie die von der Beklagten zu beweisende Gegenbehauptung betrifft, aus dem Fehlen bestimmter Spuren an dem Stein und an der Leckstelle sei zu schließen, daß MS E eine Berührung mit dem eigenen Anker gehabt haben müsse und nicht gegen den von dem Taucher G. aufgefundenen und geborgenen Stein geraten sein könne. Ohne Erfolg muß ferner die Rüge bleiben, das Schiffahrtsobergericht habe verfahrenswidrig die Frage bejaht, ob MS E auf dem Stein gerakt haben konnte, ohne an diesem Bruchspuren hinterlassen zu haben.
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Jedenfalls konnte das Schiffahrtsobergericht davon ausgehen, daß das Fehlen von Bruchspuren an dem Stein diesen als Schadensursache nicht ausschloß, und weiter anhand des sonstigen Beweisergebnisses die Überzeugung gewinnen, daß dieser das Loch in den Boden des MS E gedrückt hat.
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Zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gehört es, daß sie den der durchgehenden Schiffahrt zur Verfügung gestellten Teil der Wasserstraße turnusmäßig überprüft und je nach dem Ergebnis der Prüfung Baggerarbeiten durchführt, Hindernisse beseitigt oder, solange das nicht möglich ist, die Gefahrenstelle kennzeichnet (SenUrt. v. 13. 10. 69 - II ZR 79/68, VersR 1969, 1132/1133). Das gilt ebenso für Liegeplätze, welche die Beklagte für die Schiffahrt ausweist, beispielsweise zum Übernachten oder zum Warten auf eine Schleusung. Denn dort hat sie ebenfalls die Wasserstraße für den Schiffsverkehr eröffnet. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß jeder Stillieger so nahe zum Ufer beigehen muß, wie es sein Tiefgang und die örtlichen Verhältnisse gestatten (§ 7.01 Nr. 1 MoselSchPolVO; vgl. auch die § 7.01 Nr. 1 RheinSchPolVO und § 7.01 Nr. 1 BinSchStrO). Er kann daher - je nach seiner Abladung und der Höhe des Wasserstandes - beim Anlegen, bei der Abfahrt oder beim Stielliegen selbst mit dem Schiffsboden auch über einen Teil einer etwa vorhandenen Böschung gelangen. Deshalb kann ein dort befindliches Hindernis für den Schiffsverkehr ebenso gefährlich werden wie ein solches, das in dem der durchgehenden Schiffahrt zur Verfügung gestellten Teil der Wasserstraße liegt oder sich gebildet hat (vgl. auch SenUrt. v. 4. 3. 74 - II ZR 66/721, VersR 1974, 768 f). Aus diesem Grunde darf sich der für die Böschung eines Liegeplatzes Verkehrssicherungspflichtige nicht, wie die Revision meint, damit begnügen, diese lediglich ordnungsgemäß herstellen und nach bekannt gewordenen Hindernissen absuchen zu lassen. Vielmehr muß er sie - im Rahmen des Zumutbaren und des Möglichen - ebenso kontrollieren und sichern wie den der Schiffahrt für die Reise oder das Stilliegen zur Verfügung gestellten Teil der Wasserstraße. Aus den von der Revision angeführten Entscheidungen des Senats (Urt. v. 29. 3. 62 - II ZR 43/602, BGHZ 37, 69 f; Urt. v. B. 7. 68 - II ZR 97/662, VersR 1968, 1137) ergibt sich nichts anderes.
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Es braucht weder erörtert zu werden, ob es für die Beklagte unzumutbar wäre, die Böschungen der Liegeplätze durch Spundwände zu ersetzen oder sie von Tauchern turnusgemäß absuchen zu lassen, noch, daß es ihr bisher nicht möglich gewesen sein soll, technische Geräte für eine einfache und sichere Kontrolle von Schüttböschungen entwickeln zu lassen. Denn sollte das alles zutreffend sein, so hätte die Beklagte durch das Aufstellen von Verbotszeichen oder von Hinweistafeln jedenfalls dafür sorgen müssen, daß die Schiffe, die einen von ihr ausgewiesenen Liegeplatz benutzen wollen und nach den bereits erwähnten schiffahrtspolizeilichen Bestimmungen so weit als möglich zum Ufer beigehen müssen, einen solchen Abstand zu diesem einhalten, daß sie von solchen Hindernissen auf dem nicht turnusmäßig überprüften Teil der Böschung nicht gefährdet werden können, die dort, insbesondere nach der Beschaffenheit der Böschung, ohne weiteres auftreten können.
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Gerade sie kann die Schiffsführung, wie bereits das Schiffahrtsgericht hervorgehoben hat, mit bordseitigen Mitteln nicht ausmachen. Auch wäre es ohne rechtliche Bedeutung, falls es im Interesse der durchgehenden Schiffahrt unerwünscht sein sollte, daß Stillieger einen bestimmten Uferabstand einhalten. Denn es kann nicht zu Gunsten der Zügigkeit des Schiffsverkehrs auf die Sicherung stilliegender Fahrzeuge vor bestimmten Gefahren verzichtet werden. Im übrigen geht es nicht an, bestimmte Risiken eines Liegeplatzes den Benutzern aufzubürden, obwohl der für dessen Sicherheit Verantwortliche durch klare Kennzeichnungen eine Gefährdung ausschließen und damit seiner Sicherungspflicht genügen kann.
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