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Leitsätze:
1) Ist bei einer Versicherung die „Selbstentzündung" der Güter in die Versicherung eingeschlossen worden, so fällt die bloße Erhitzung ohne Feuererscheinung nicht darunter.
Der Versicherer haftet gemäß § 86 Abs. 1 ADS nicht, wenn der Schaden auf die natürliche Beschaffenheit der Güter in Verbindung mit den gewöhnlichen Transportverhältnissen zurückzuführen ist.
2) Die Berücksichtigung eines Restitutionsgrundes gemäß § 580 Abs. 1 Nr. 7 b ZPO ist in der Revisionsinstanz wegen der Vorschrift des § 561 ZPO nicht möglich. Außerdem ist ein Restitutionsgrund nur gegeben, wenn dieser von der Partei ohne ihr Verschulden nicht schon in der Berufungsinstanz hat vorgebracht werden können.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 27. September 1971
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Auf einem Transport waren zwei von der Klägerin bei den Beklagten versicherte Partien getrockneter mexikanischer Fliegen völlig unbrauchbar geworden.
Die Klägerin hat Versicherungsleistung in Höhe von mehr als 20 000 DM verlangt und zur Begründung geltend gemacht, dass die Güter durch See- und Regenwasser durchnässt worden seien. Außerdem habe sich mangels genügender Belüftung der Laderäume Schiffsschweiß gebildet, durch den die Güter nass geworden seien. Infolge der Feuchtigkeit seien sie stark erhitzt und unter Rauchentwicklung innerlich verbrannt. Dieser Vorgang falle unter den Begriff „Selbstentzündung", die gemäß der vereinbarten Sonderbedingung ebenso wie „Schäden, entstanden durch Beiladung, Süß- und Regenwasser", mitversichert sei.
Die Beklagten bestreiten das Vorbringen. Der Schaden sei durch die hohe Eigenfeuchtigkeit der Ware verursacht, die zu starker Erhitzung, aber nicht zu ihrer Selbstentzündung geführt habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht stellt fest, dass die getrockneten mexikanischen Fliegen infolge Selbsterhitzung verdorben sind. Der Feuchtigkeitsgehalt und die Temperatur der Ware hätten bei den Tierleichen zu Abbauprozessen geführt, die unter großer Wärmefreisetzung verliefen. Es sei aber lediglich zu einer Rauch-, nicht zu einer Feuer- und Brandentwicklung gekommen. Eine „Selbstentzündung", die nach der laufenden Police ausdrücklich mitversichert sei, liege also nicht vor.
Die Revision bekämpft vergeblich diese Ansicht des Berufungsgerichts. Die Auslegung dieser typischen Klausel (vgl. RGZ 31, 131 ; Passehl, Die Beschaffenheitsschäden in der Seeversicherung 1966 S. 45, 53) durch das Berufungsgericht ist zutreffend. Von der Entzündung, die eine Lichterscheinung („Feuer") voraussetzt, ist die Erhitzung zu unterscheiden (Ritter/Abraham, Das Recht der Seeversicherung § 86 ADS Anm. 16). Nicht das „Verbrennen" der Ware, d. h. ihre Oxydation, ist versichert, wie die Revision meint, sondern ihre Entzündung, die nach dem Sprachgebrauch „Feuer anzünden" etwas anderes ist als bloße Erhitzung. Nur durch eine solche Auslegung ist der Versicherungsfall der „Selbstentzündung" gegen andere chemische Vorgänge, die zum Selbstverderb einer Ware unter Temperaturerhöhung führen, klar abzugrenzen.
Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, dass die Beklagten für den nach alledem nicht mitversicherten Beschaffenheitsschaden nicht haften, auch wenn dieser auf Einwirkungen und Einflüsse eines normalen und regelmäßigen Seetransportes zurückzuführen sein sollte. Denn „natürliche Beschaffenheit" der Güter im Sinne des § 86 Abs. 1 ADS ist diejenige, die die Güter instand setzt, sich durch die ihnen eigentümlichen, regelmäßig dabei aktiv wirksam werdenden Eigenschaften allein oder in Verbindung mit den Verhältnissen, denen sie bestimmungsgemäß - hier also den gewöhnlichen Seetransportverhältnissen - ausgesetzt sind, zu verändern (Ritter/Abraham aa0 § 86 Anm. 7; Passehl, aa0 S. 78 f, 109 f).
Eine Haftung der Beklagten käme daher nur in Betracht, wenn die Selbsterhitzung der Fliegen auf andere als die gewöhnlichen, nach Ort, Zeit und Erfahrung zu erwartenden Ereignisse zurückzuführen gewesen wäre. Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht festzustellen vermocht. Nach den Untersuchungsbefunden sei weder ein Eindringen von See- oder Regenwasser noch übermäßiger Schiffsschweiß für den Schaden ursächlich gewesen. Die Revision vermag diese Feststellungen mit ihren Verfahrensrügen nicht erfolgreich zu bekämpfen (wird ausgeführt).
Die Revision will unter Vorlage der Deklarationen der Partien dartun, dass auch Schiffsdunst zu den ausdrücklich mitversicherten Schadensereignissen gezählt habe. Diese Urkunden seien nach Beendigung des zweiten Rechtszuges bei einer weiteren Durchsicht der Unterlagen aufgefunden worden, so dass sie nach § 580 Abs. 1 Nr. 7 b ZPO auch noch in der Revisionsinstanz berücksichtigt werden könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 18, 59), von der der Senat abzugehen keinen Anlass hat, ist das jedoch wegen der Vorschrift des § 561 ZPO nicht möglich. Davon abgesehen wäre ein Restitutionsgrund wegen der etwa erst jetzt „aufgefundenen" Deklarationen jedenfalls nur gegeben, wenn die Klägerin ohne ihr Verschulden außerstande gewesen wäre, von den Urkunden spätestens in der Berufungsinstanz Gebrauch zu machen (§ 582 ZPO). Dafür ist nichts dargetan. Die Klägerin hätte die für den Versicherungsumfang maßgeblichen, ihr bekannten Urkunden oder ihre Durchschläge rechtzeitig einsehen und nach ihnen forschen müssen, wenn sie nicht zur Hand waren (RGZ 91, 168, 170). Sie hätte auch den Versicherungsmakler veranlassen können, die Originale der Deklarationen herauszusuchen. Wenn, wie die Klägerin behauptet, den Beklagten die gesamten Urkunden vorlagen, so konnte sie deren Vorlegung nach § 421 ZPO beantragen. Ob ein Verstoß der Beklagten gegen die Wahrheitspflicht vorliegt, weil sie die Klägerin, wie sie behauptet, trotz des erkannten Irrtums nicht darauf hingewiesen haben, dass sie offenbar die Mitversicherung des Schiffsdunstes übersehe, kann offen bleiben. Er wäre jedenfalls nicht geeignet, das Verschulden der Klägerin zu entkräften und einen nach § 582 ZPO sonst nicht gegebenen Restitutionsgrund zu rechtfertigen.