Banque de données de juriprudence
Leitsätze:
1) Ein Schiffsführer kann auf dem Rhein nicht gleichzeitig 2 Schiffe eines Schleppzuges führen.
2) Auch der Lotse kann nicht den Weisungen mehrerer Schiffsführer eines Schleppzuges unterworfen sein. Haftung von zwei längsseits gemeerten Motorschiffen für das Verschulden eines gemeinsam angeheuerten Lotsen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 27. Februar 1967
II ZR 249/64
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar-Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin als Versicherin des MS „F" nimmt den Beklagten zu 1 als Eigner und den Beklagten zu 2 als Schiffsführer des MS „A" wegen eines Unfalls bei Bingen in Anspruch. Beide Schiffe fuhren leer zu Tal, und zwar nebeneinander gemeert unter Führung eines Lotsen zunächst bis Mannheim, wo die Verbindung zwischen den Schiffen gelöst wurde. Bei Bingen kamen beide Schiffsführer erneut überein, die Talfahrt durch das Neue Fahrwasser wieder gemeinsam, längsseits gekoppelt, mit einem Lotsen fortzusetzen, dessen Vergütung von jedem Schiff zur Hälfte getragen werden sollte. Welches Schiff die Führung der gesamten Einheit haben sollte, wurde nicht vereinbart. Der Lotse übernahm das Ruder auf dem steuerbords fahrenden MS „A". An der Südspitze der Mäuseturminsel kamen beide Schiffe auf Grund. MS „A" kam mit eigener Kraft wieder frei, MS „F" wurde beim Losturnen durch Vorspannboot „G" beschädigt. Die Klägerin verlangt Ersatz der Hälfte des Schadens. Alle 3 Instanzen hielten diesen Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Ausführungen des Berufungsgerichts stehen im Einklang mit den Grundsätzen des Urteils des erkennenden Senats, das inzwischen am 27. Januar 1966 (II ZR 42/64; VersR 1966, S. 335; ZfB 1966, S. 170) ergangen ist. Dort hat sich der erkennende Senat im wesentlichen bereits mit den Argumenten auseinandergesetzt, die auch im vorliegenden Fall die Revision vorbringt. Unrichtig ist die Ansicht der Revision, der Schiffsführer könne auf dem Rhein gleichzeitig zwei Schiffe eines Schleppzuges führen. Das verstieße gegen § 2 Nr. 1, Nr. 4 RhSchPVO; vielmehr muh jedes Schiff einen Führer haben, der das Rheinpatent (Kählitz, Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen, RhSch-PVO § 2 Anm. 4) besitzt. Da der Lotse das Ruder auf MS „A" bediente, war er als Gehilfe des Schiffsführers von A", der gleichzeitig Schleppzugführer war, Besatzungsangehöriger allein dieses Schiffs. Er war nur den Weisungen des Schiffsführers von „A", nicht aber denen des Führers von „F" unterworfen. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, das es untragbar wäre, den Lotsen den möglicherweise widersprechenden Weisungen mehrerer Schiffsführer zu unterwerfen, die im übrigen nicht einander gleichgeordnet sind, da der Anhang (MS „F") die Weisungen des Schleppzugführers (MS „A") zu befolgen hat (§ 2 Nr. 4 Abs. 2 RhSchPVO). Wenn aber der Lotse den Weisungen des Anhangführers nicht unterworfen war, konnte er auch nicht zur Besatzung dieses Schiffes gehören; er war nicht „auf dem Schiffe", nämlich dem MS „F", „angestellt" (§ 3 Abs. 2 BSchG) und befand sich nicht an Bord dieses Schiffes (§ 3 Nr. 2 RhSchPVO). Die Gegenansicht würde zu dem Ergebnis führen, das der Anhang für das Verschulden des Schleppers haften würde (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG), was mit der Vorschrift des § 4 Abs. 3 BSchG nicht zu vereinbaren wäre. Da der Lotse zur Schiffsbesatzung von MS „A" gehörte und der Schiffseigner von „F" Dritter" im Sinne des § 3 Abs. 1 BSchG war, wird durch die Inanspruchnahme des beklagten Schiffseigners von "A" entgegen der Ansicht der Revision der Grundsatz der adjektivischen Haftung des Schiffseigners nicht verletzt.
Die Ansicht der Revision, der beklagte Schiffsführer von "A" habe keine Befehlsgewalt über MS „F", steht in eindeutigem Widerspruch zu § 2 Nr. 4 Abs. 2 S. 1 RhSchPVO. Der vorliegende Fall weist gegenüber dem durch das oben bezeichnete Urteil des erkennenden Senats entschiedenen Fall die Besonderheit auf, dass, wie das Berufungsgericht annimmt, von beiden Schiffsführern der Dienstvertrag mit dem Lotsen geschlossen worden ist. Ob die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil eine solche Annahme rechtfertigen, kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn die Annahme richtig ist, kann die Revision keinen Erfolg haben. Es taucht allerdings dann die Frage auf, ob nicht die Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer vertraglichen Haftungsgemeinschaft die Mitverantwortung für das Verschulden des Lotsen zu tragen hat. Einer Entscheidung bedarf diese Frage nicht. Denn selbst wenn man sie bejahen würde, könnte die Schadensverteilung nach den Umständen des Falles nicht zu einer Minderung über die Hälfte des Schadensbetrages führen. Mehr hat aber die Klägerin nicht eingeklagt. Hiernach ist die Revision nicht begründet."