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II ZR 239/78 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Date du jugement: 13.03.1980
Numéro de référence: II ZR 239/78
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Der Rechtsstreit zwischen einem Gläubiger und dem Reeder wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffes kann trotz Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Reeders behauptet und daher den Anspruch außerhalb des Verteilungsverfahrens weiterverfolgen will.
2) Zugleich kann der Gläubiger für den Fall der beschränkten Haftung des Reeders den Anspruch hilfsweise im Verteilungsverfahren anmelden; soweit es in dem Rechtsstreit um diesen Anspruch geht, ist er mit der Eröffnung des Verteilungsverfahrens unterbrochen.
3) Haben im Prüfungstermin des Verteilungsverfahren mehrere Beteiligte (Schuldner, Sachwalter, Gläubiger) dem angemeldeten Anspruch widersprochen, so kann der Rechtsstreit wirksam nur ihnen allen gegenüber aufgenommen werden.
4) Zur Überwachungspflicht des Reeders eines Schleppers, der den Kapitän des Fahrzeugs mit einer schwierigen Schleppreise betraut hat (hier: Verschleppen einer Schwimmramme zur winterlichen Jahreszeit über See).

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 13. März 1980

II ZR 239/78

(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die der Klägerin gehörende Schwimmramme W sollte durch den von der Beklagten zu 1 a) bereederten Schlepper S unter Assistenz eines weiteren Schleppers von der Weser nach Travemünde verbracht werden. Vor Beendigung der Reise sank die Schwimmramme am 2. 12. 1973 in der Ostsee.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten zu la) und deren persönlich haftenden Gesellschafterin, der Beklagten zu l b), als Gesamtschuldnern 3/4 dieses Unfallschadens, nämlich über 1,3 Mill. DM mit der Begründung, daß Kapitän J. von S trotz schlechter Wetterverhältnisse die Ostsee, dazu noch mit zu hoher Geschwindigkeit befahren, die Beklagte zu 1a) mit J. einen für die Führung des Schleppzuges ungeeigneten Kapitän eingesetzt sowie pflichtwidrig die Erteilung einer entsprechenden Anweisung und seine Überwachung unterlassen, schließlich der Kommanditist L. der Beklagten zu 1a dem J. schuldhaft falsche Mitteilungen über die gültigen Auflagen gemacht habe.
Die Beklagten wenden Ablauf der einjährigen Ausschlußfrist des § 612 HGB ein und behaupten, daß die Klägerin die Schwimmramme vor Reisebeginn nicht gemäß den Auflagen der Seeberufsgenossenschaft seefest gemacht habe.
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagten abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ist auf Antrag des Beklagten zu la) das seerechtliche Verteilungsverfahren eröffnet und zuvor die Haftungssumme auf etwa 50 000,- DM festgesetzt worden. Der Sachwalter und die Beklagte zu l a) haben gegen die angemeldete Schadensersatzforderung der Klägerin Widerspruch „wegen des Rechts auf Teilnahme, wegen des Grundes und wegen der Höhe" erhoben. Die Klägerin hat erklärt, den Rechtsstreit wiederaufzunehmen, falls er gemäß § 8 Abs. 2 SeeVertO. unterbrochen sei. Dies sei jedoch nicht anzunehmen, da die Beklagten wegen ihres persönlichen Verschuldens an dem Unfall ihre Haftung nicht beschränken könnten.
Das Berufungsgericht hat - unter Abweichung der Klage im übrigen - festgestellt, daß die Klägerin am seerechtlichen Verteilungsverfahren der Beklagten gegen sie mit einer Forderung teilnimmt, welche die Haftungssumme übersteigt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen, soweit das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von ca. 1,3 Mill. DM außerhalb des seerechtlichen Verteilungsverfahrens verneint hatte. Das Berufungsurteil wurde aufgehoben, soweit die Teilnahme der Klägerin am seerechtlichen Verteilungsverfahren der Beklagten mit einer die Haftungssumme übersteigenden Forderung festgestellt wurde. Der Rechtsstreit wurde bezüglich des vorgenannten Verteilungsverfahrens für unterbrochen erklärt.

Aus den Entscheidungsgründen:

„I. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Rechtsstreit durch die Eröffnung des Verteilungsverfahrens unterbrochen oder danach von der Klägerin ordnungsgemäß aufgenommen worden ist, nicht erörtert. Hierzu ist zunächst zu bemerken":

Weiterhin heißt es in der Begründung des Revisionsurteils:
...

„3. Nun wird ein Gläubiger, auch wenn er meint, daß er seine Forderung gegen den Schuldner außerhalb des Verteilungsverfahrens geltend machen kann, diese im allgemeinen vorsorglich im Verteilungsverfahren anmelden, damit er wenigstens an diesem teilnimmt und nicht vollständig leer ausgeht, wenn das Prozeßgericht seine Ansicht von der unbeschränkten Haftung des Schuldners nicht teilen sollte. Widerspricht nunmehr dort der Schuldner, ein anderer Gläubiger oder der Sachwalter der Forderung im Prüfungstermin, so kann er vorsorglich den Rechtsstreit gegen den Widersprechenden aufnehmen und hilfsweise die Feststellung der Forderung zur Tabelle beantragen.

4. Hier ist es nun so, daß die Klägerin durch die Weiterverfolgung des Zahlungsantrags und ihren Vortrag zur Frage einer Haftungsbeschränkung der Beklagten zu la) und 1b) deutlich gemacht hat, daß sie diese außerhalb des Verteilungsverfahrens in Anspruch nimmt. Ferner zeigt ihre vorsorgliche Aufnahmeerklärung, daß sie hilfsweise die Feststellung der Klageforderung zur Tabelle des Verteilungsverfahrens beantragt.
Für die Entscheidung über die Klage kommt es demnach darauf an, ob die Beklagten zu la) und 1b) für den Schaden der Klägerin aus dem Untergang der Schwimmramme unbeschränkt haften und, falls das zu verneinen sein sollte, ob die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich des Hilfsantrags ordnungsgemäß aufgenommen hat. Das ist im Nachfolgenden zu prüfen.

II. Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß die Haftung der Beklagten zu la) und lb) durch die Eröffnung des Verteilungsverfahrens gemäß § 486 Abs. 1, § 487a Abs. 1 HGB auf die Haftungssumme von 50 039,79 DM beschränkt worden und des¬halb der Antrag der Klägerin, diese Beklagten zur Zahlung von 1 315 649,25 DM nebst Zinsen außerhalb des Verteilungsverfahrens zu verurteilen, unbegründet ist.

1. Nach dem - insoweit von keiner Seite angegriffenen - Berufungsurteil trifft Kapitän J. ein Verschulden an dem Untergang der Schwimmramme.
.. . Daß die Beklagten zu 1a) und 1b) für das schuldhafte Verhalten J.s nur beschränkt haften, vermag auch die Revision nicht zu bezweifeln.

2. Der Reeder kann seine Haftung für einen Schaden, der aus der Verwendung des Schiffes entstanden ist, nicht beschränken, wenn ihn selbst daran ein Verschulden trifft (§ 486 Abs. 4 Satz 2 HGB). Auf die im Schrifttum umstrittene Frage, ob unter die Vorschrift auch ein vermutetes Verschulden nach § 831 BGB fällt (vgl. Schaps/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Seehandelsrecht § 486 Rdr. 21 m.w.N.), kommt es hier nicht an.

a) Kapitän J. war nach Ausbildung, beruflichem Werdegang und bisheriger Tätigkeit geeignet, den Schleppzug zu führen. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts.

b) Für ein Auswahlverschulden der Beklagten zu la) hinsichtlich des Kapitäns J. gibt auch das Gutachten des Sachverständigen B. nichts her. Daß es danach besser' gewesen wäre, dem A 4-Kapitän des zudem stärkeren Assistenzschleppers die Führung des Schleppzuges zu übertragen, begründet noch kein Verschulden der Beklagten zu la), da J. das für die Reise ausreichende A 3-Patent besessen hat und als erfahrener Schlepperkapitän geeignet war, die Führung des Schleppzuges zu übernehmen.

c) Zuzugeben ist der Revision, daß es sich bei dem Verbringen der Schwimmramme von der Weser nach Travemünde wegen ihres pontonförmigen Schwimmkörpers und ihres hohen Kranaufbaus um eine schwierige Reise handelte, zumal sie in der winterlichen Jahreszeit stattfinden sollte. Das wird auch durch die Auflage im Fahrterlaubnisschein der Seeberufsgenossenschaft (nur bei gutem Wetter bis zu 3 Windstärken und ruhiger See) und deren zahlreiche weiteren Anordnungen, um die Schwimmramme seefest zu machen, deutlich. Richtig ist ferner, daß in einem solchen Falle der Reeder des leitenden Schleppers der Reise seine besondere Aufmerksamkeit zuwenden muß und mit gesteigerter Sorgfalt zu handeln hat. Indes sind auch hier für den Umfang seiner Sorgfaltspflichten die jeweiligen Umstände entscheidend.
Handelt es sich hingegen, wie hier bei Kapitän J. bei dem Schleppzugführer um einen Schiffer, der im Verschleppen nicht alltäglicher Anhänge besonders erfahren und für den außerdem aus dem Inhalt des Fahrterlaubnisscheins ohne weiteres erkennbar ist, worauf er im Interesse einer sicheren Abwicklung der Reise speziell zu achten hat, so muß ihn der Reeder während der Reise nicht noch zusätzlich überwachen oder selbst über deren Beginn oder Fortsetzung entscheiden, was ohnehin an Ort und Stelle vielfach besser und, wenn notwendig, schneller geschehen kann als im Kontor des Reeders. Demnach trifft die Beklagte zu la) auch kein Überwachungsverschulden hinsichtlich 1.s.

3. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts hat der Kommanditist L. der Beklagten zu la) den Untergang der Schwimmramme ebenfalls verschuldet. Er habe Kapitän J. vor der Abfahrt des Schleppzuges mitteilen lassen, daß die Wetterlage im Fahrterlaubnisschein der Seeberufsgenossenschaft weggefallen sei, wogegen diese nachträglich nur ein Verschleppen der Schwimmramme bis höchstens Windstärke 4 (statt bisher Windstärke 3) zugelassen habe. Entgegen der Ansicht der Revision führt dieser Fehler L.s zu keiner unbeschränkten Haftung der Beklagten zu la und lb).

a) Allerdings kann eine Personengesellschaft, die ein Schiff bereedert, ihre Haftung für einen Schaden aus der Verwendung des Schiffes nicht beschränken, wenn an dessen Entstehung einen zur Vertretung berechtigten Gesellschafter ein Verschulden trifft (§ 486 Abs. 4 Satz 2 HGB). Jedoch war L. als Kommanditist der Beklagten zu la) kein derartiger Gesellschafter (§ 125 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 170 HGB). Das verkennt auch die Revision nicht. Sie meint aber, daß es sich bei L. um einen verfassungsgemäß berufenen Vertreter im Sinne der §§ 30, 31 BGB gehandelt habe und ein solcher gleichfalls unter die Regelung des § 486 Abs. 4 Satz 2 HGB falle. Indes fehlt es insoweit bereits an jedem Vortrag der Klägerin dahin, daß L. ein gesellschaftsvertraglich verankertes Recht auf Vertretung und Geschäftsführung zugestanden habe.

b) Entgegen der Ansicht der Revision vermag auch die Regelung des § 486 Abs. 2 Nr. 2 HGB nicht den Zahlungsantrag der Klägerin zu stützen. Nach dieser Vorschrift entfällt die Möglichkeit des Reeders, seine Haftung nach § 486 Abs. 1 HGB zu beschränken, wenn es sich um einen Schaden handelt, der von einer Person verursacht worden ist, die sich nicht an Bord des Schiffes befunden hat, es sei denn, daß das den Schaden verursachende Verhalten im Zusammenhang mit der Führung oder sonstigen Bedienung des Schiffes, dem Einladen, Befördern oder Ausladen von Gütern steht. Hier hat sich zwar L., als er den vom Berufungsgericht festgestellten Fehler beging, nicht an Bord von S aufgehalten. Jedoch steht dieser Fehler mit dem Schleppen oder anders ausgedrückt mit dem Befördern der - weder mit einem Steuer versehenen noch über eine nautische Besatzung verfügenden - Schwimmramme im Zusammenhang. Denn durch die falsche Übermittlung der geänderten Wetterauflage der Seeberufsgenossenschaft wurde bewirkt, daß Kapitän J. die Ramme trotz schlechten Wetters über die Ostsee beförderte, so daß, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, Wasser das Pontondeck laufend überspülen, von dort in den pontonförmigen Schwimmkörper gelangen und das Kentern der Ramme verursachen konnte. Auch spielt es im Rahmen des § 486 Abs. 2 Nr. 2 HGB keine Rolle, ob der Schleppvertrag, welcher der Beförderung der Schwimmramme zugrunde lag, als Werk-, Dienst- oder Frachtvertrag einzuordnen ist.

c) Was schließlich die Frage eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens der Beklagten zu la) hinsichtlich ihres Kommanditisten L. angeht (§ 831 Abs. 1 BGB), so ist der Klägerin bereits ihr eigener Vortrag im Schriftsatz vom 2. März 1977 S. 24 entgegenzuhalten, wonach L. ein erfahrener Kapitän und Schiffseigner ist, der voll übersehen konnte, worum es bei dem Auftrag mit diesem Anhang ging'.

III. Keinen Bestand kann das angefochtene Urteil hingegen haben, soweit das Berufungsgericht dem - hilfsweise - gestellten Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben hat. Zu diesem Punkte hat es übersehen, daß die Klägerin den Rechtsstreit - vorsorglich - nur gegenüber den Beklagten zu l a) und l b), jedoch nicht gegenüber dem Sachwalter aufgenommen hat, der ebenfalls der angemeldeten Forderung der Klägerin widersprochen hatte. Deshalb ist der Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrags noch unterbrochen (vgl. oben unter Ziff. 1 1). Das ist - unter Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts über diesen Antrag (vgl. § 249 ZPO) - klarzustellen. Der Aufhebung steht nicht, wie die Revision in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers (vgl. §§ 536, 559 ZPO) entgegen. Dieses greift hier nicht ein.
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