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Leitsätze:
1) Ein Unternehmen, das sich mit dem Umschlag von Flohholz befallt, hat besondere Vorsichtsmaßnahmeregeln zu treffen, um Schäden zu verhüten, die die schwimmend lagernden Hölzer infolge Abtreibens herbeiführen können.
2) Es ist ein Organisationsmangel, wenn das Umschlags-personal nicht auf die besonderen Gefahren, die durch treibende Flohhölzer insbesondere bei Hochwasser entstehen, hingewiesen wird und wenn die Leitung des Unternehmens nicht besondere Vorsorgemaßnahmen für den Fall schwieriger Situationen, wie Hochwasser, trifft.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 27. April 1964
(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg— Ruhrort/Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
II ZR 222/62
Zum Tatbestand:
Das den Klägern gehörende MS „A" wurde am Morgen eines Februartages bei starkem Hochwasser (über Marke 1 = 9,30 m Ruhrorter Pegel) durch losgerissene Floßhölzer von seinem rechtsrheinischen Ankerplatz bei km 775,28 abgetrieben, geriet gegen andere Ankerlieger und erlitt erhebliche Schiffsschäden. Nach der Behauptung der Kläger stammen die Floßhölzer von einem Floß, das unter der Obhut der Beklagten stand und die als Reederei und Speditionsunternehmen seit Jahrzehnten die Lagerung und den Umschlag von Floßholz betreibt. Durch das Hochwasser war am Unfalltag die Längskribbe im Hafen am Umschlagsplatz überflutet worden. Das an der Innenseite der Längskribbe liegende Floßholz war vom Personal der Beklagten vorher auf die Landseite, an den Lagerplatz der Beklagten, verbracht worden. Unstreitig haben sich dort am Morgen des Unfalltages Teile dieses Floßholzes, das zwei Holzhandlungen gehörte, losgerissen und sind durch den unteren Ausgang des Hafens getrieben worden.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat der Klage auf Ersatz des an „A" entstandenen Schadens dem Grunde nach stattgegeben, das Rheinschifffahrtsobergericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision wurde das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach der rechtsfehlerfreien Feststellung des Berufsgerichts ist die Beschädigung des Schiffes der Klägerin durch die bei der Beklagten befindlichen Flohhölzer verursacht worden. Zutreffend: geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich für die Beklagte aus der Ausübung ihres Gewerbebetriebes die Verpflichtung ergebe, die Flohhölzer in Obhut zu nehmen und Dritte vor Schäden zu bewahren, die die schwimmend lagernden Hölzer infolge Abtreibens herbeiführen könnten.
Die Organe der Beklagten habe ihre Leute weder schriftlich noch mündlich auf die besonderen Gefahren hingewiesen, die der Schifffahrt durch treibende Flohhölzer entstehen (vgl. § 10 RhSchPVO). Sie haben insbesondere unterlassen, ihre Leute anzuweisen, sofort und in erster Linie die Wasserschutzpolizei zu verständigen, wenn Flohhölzer sich aus dem Verband lösten. Nur weil diese Anweisungen unterlassen worden sind, ist es zu verstehen, dass der Hafenexpedient „B", der am Unfalltag um 7.45 Uhr im Südhafen erschienen und kurz nach 8 Uhr über das Abtreiben von Floßhölzern verständigt worden ist, nach seiner Aussage nur an die Sicherstellung der abgetriebenen Stämme gedacht hat, ihm aber gar nicht der Gedanke an eine Gefährdung der Ankerlieger gekommen ist, und er nach der Feststellung des Berufungsgerichts erst um 9.25 Uhr die Wasserschutzpolizei verständigt hat.
Darüber hinaus fehlen Anweisungen darüber, was sonst zu geschehen hat, wenn festgestellt wird, dass die Flohverbindungen nicht mehr fest sind oder sich schon Flohteile gelöst haben, insbesondere hinsichtlich der Inanspruchnahme fremder Hilfe (z. B. von Schleppern).
Es ist ein Organisationsmangel, wenn die Beklagte das Floh bei Tagesanbruch, also vor Sonnenaufgang (am 27. Februar 1958, um 7.13 Uhr), nicht durch einen zuverlässigen Arbeiter, der im Gefahrenfall weih, wie er sich zu verhalten hat, kontrollieren lieb, sondern sich damit begnügte, dass bei der normalen Zeit des Dienstantrittes ein Bediensteter an Ort und Stelle war.
Es ist ein Organisationsfehler, wenn die Beklagte bei so starkem Hochwasser nicht dafür sorgt, dass in Höhe des Flohes an Land ein Nachen greifbar ist, mit dem der kontrollierende Bedienstete an das Floh heranfahren kann, sondern sich damit begnügt, dass von Land aus kontrolliert wird, was bei unsichtigem Wetter gar nicht möglich ist, oder dass vom weiter abwärts gelegenen K.-Hafen ein Nachen herangeführt wird.
Wäre das Floß bei Tagesanbruch vom Nachen aus eingehend kontrolliert worden, so hätte trotz des diesigen Wetters bei Prüfung aus nächster Nähe festgestellt werden können, da sich der Flohverband gelöst hafte. Sofern nicht das Herauslösen des Flohteiles selbst hätte verhütet werden können, hätte doch spätestens um 7 Uhr die Wasserschutzpolizei verständigt werden und es hätten die erforderlichen Malinahmen zum Einsatz fremder Hilfe ergriffen werden können.
Wäre der Schiffsführer des klägerischen Schiffes gewarnt worden, so wäre er beim Herantreiben des Flohteiles an Bord gewesen und hätte schon frühzeitig die Maschine anwerfen können, so dass sein Schiff nicht in der Weise, wie geschehen, abgetrieben worden wäre.
Da hiernach die Beklagte für eigenes Verschulden gemäß §§ 823, 31 BGB haftet, war das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts wieder herzustellen."