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Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11. November 1976
II ZR 182/74
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim; Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)
Zum Tatbestand:
Ein Schleppzug, bestehend aus dem dem Beklagten zu 1 gehörenden und vom Beklagten zu 2 geführten Schleppboot H sowie den Anhängen D und F, wendete bei unsichtigem Wetter vom rechtsrheinischen Fahrwasser bei Rhein-km 422 über Steuerbord auf die linksrheinische Seite zu Tal. Beide Anhänge stießen kurz darauf mit einem zu Berg kommenden Schubverband zusammen, der aus dem der Beklagten zu 3 gehörenden, vom Beklagten zu 4 geführten MS O und dem vorgekoppelten SL R bestand. Dabei erhielt Kahn D an seiner Steuerbordseite wenig über der Wasserlinie 2 große Lecks. Nachdem diese in der Nähe des Kollisionsortes provisorisch abgedichtet waren, trat der Kahn 3 Tage später, längsseits gemeert an einem Motorschiff, die Fahrt nach Duisburg an, wo er kurz vor Erreichen einer Werft sank.
Die Klägerin verlangt als frühere Eignerin des Kahns D, der inzwischen verschrottet ist, Ersatz eines Schadens von insgesamt rund 189280,- DM.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nur den Kollisionsschaden in Höhe von ca. 18 160,- DM mit gegenüber den einzelnen Beklagten unterschiedlichen Quoten für gerechtfertigt erklärt, dagegen die Klage wegen des durch das Sinken des Schiffes eingetretenen Schadens von rund 171 120,- DM abgewiesen.
Das Rheinschiffahrtsobergericht hat dieses Urteil im wesentlichen aufrechterhalten, und zwar mit folgenden - abgeänderten - Haftungsquoten:
„Die Klage ist hinsichtlich des mit 18 160,80 DM angegebenen Anspruchs
gegen den Beklagten zu 1 in Höhe von '/2,
gegen den Beklagten zu 2 in Höhe von 5/6,
gegen den Beklagten zu 3 in Höhe von 1/4,
gegen den Beklagten zu 4 in Höhe von 2/3
dem Grund nach gerechtfertigt. Insgesamt haben die Beklagten jedoch nicht mehr als 7/s dieses Schadens der Klägerin zu ersetzen.
Als Gesamtschuldner haften der Klägerin
die Beklagten zu 1 und 2 zu '/2,
die Beklagten zu 3 und 4 zu 1/4,
die Beklagten zu 2 und 4 zu 2/3,
die Beklagten zu 1 und 4 zu '/2,
die Beklagten zu 2 und 3 zu '/4.
Die Beklagten zu 1 und 3 haften im Rahmen der §§ 4,114 BinnSchG, dinglich der Beklagte zu 1 mit dem SB H, die Beklagte zu 3 mit dem MS O und dem SK R.
Die Klägerin hat wegen des abweisenden Teiles des Urteils Revision eingelegt und dabei ihren Anspruch auf 7/s beschränkt. Die Beklagten zu 3 und 4 betreiben im Wege der Anschlußrevision die Aufhebung des gegen sie gerichteten Teiles des Urteils.
Die Revision bleibt erfolglos. Auf die Anschlußrevision wurde das Urteil gegen die Beklagten zu 3 und 4 aufgehoben und die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Nach dem angefochtenen Urteil trat der Schleppzug die Talfahrt an, obwohl seine Führung wegen des unsichtigen Wetters nicht im der Lage war, „rechtzeitig genug einen Bergfahrer, dessen Kurs und seine Kursweisung zu erkennen". Deshalb habe sie nicht mehr die Weisung des Schubverbandes O befolgen können, an der Backbordseite vorbeizufahren. Stattdessen! habe sie versucht, durch Zeigen der blauen Seitenflagge und des 1 weißen Blinklichts sowie durch Abgabe des Kurssignals „zwei kurze Töne" den eingeschlagenen linksrheinischen Kurs zu erzwingen. Dabei sei es zur Kollision gekommen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes trifft die Führung des Schubverbandes O ebenfalls ein Verschulden an dem Schiffszusammenstoß:
Aufgrund einer Mitteilung des Schubverbandes S über Sprechkanal 13 sei sie unterrichtet gewesen, daß rechtsrheinisch weiter oberhalb ein Schleppzug treibe, der offenbar wenden wolle.
Den Schleppzug habe sie auf dem eigenen Radarbild ausgemacht, als er noch 500 bis 800 m entfernt gewesen sei und eine Wendelage nach linksrheinisch gezeigt habe. Danach sei für sie äußerste Vorsicht geboten gewesen, zumal sie von dem Schleppzug auf ihre Durchsagen über Sprechkanal 13 keine Antwort erhalten habe und deshalb davon ausgehen müssen, daß dieser ohne Radar fahre und ihren Schubverband sowie dessen Kurs noch nicht ausmachen könne. Diese Lage habe es erfordert, den eigenen Verband sofort zu stoppen - anstatt mit auf 5 km/h herabgesetzter Geschwindigkeit weiterzulaufen -, ferner den Schleppzug verstärkt zu warnen und insbesondere durch Kurssignale die eigene Begegnungsabsicht deutlich zu machen. Dann wäre es „nach der Lebenserfahrung" nicht zur Kollision gekommen.
Die Frage, ob der Schleppzug ohne einen folgenschweren Zusammenstoß an dem Schubverband O hätte vorbeifahren können, wenn dieser sofort beim Erkennen des Wendemanövers auf dem Radarabild gestoppt und damit beim Sichtbarwerden für den Schleppzug bereits ständig gewesen wäre, hängt im wesentlichen davon ab, wie sich dann die Lage für den Schleppzugführer bei Insichtkommen des Schubverbandes unter Berücksichtigung der eigenen Geschwindigkeit und des eigenen Kursus dargestellt hätte und ob er danach noch in der Lage gewesen wäre, den - nach dem Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts - schwerfällig zu manövrierenden Schleppzug schadenfrei an dem Schubverband vorbeizubringen. Um diese Frage bejahen zu können, genügt nicht, wie das Berufungsgericht meint, ein Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung. Vielmehr ist das nur anhand genauer Feststellungen zu den aufgezeigten Punkten möglich. Derartiger Feststellungen bedarf es außerdem, soweit es um die Frage geht, ob die Kollision durch weitere Achtungszeichen oder ein oder mehrere Kurssignale seitens des Schubverbandes noch hätte vermieden werden können.
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Soweit das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, ist es der Ansicht, daß zwischen dem Schiffszusammenstoß und dem Sinken des SK D in Duisburg-Ruhrort kein adäquat ursächlicher Zusammenhang gegeben sei. Zu dem letzteren sei es nur durch einen außergewöhnlichen Fehler des Kahnschiffes gekommen. So habe nach der Kollision zunächst keine Sinkgefahr bestanden, weil sich die beiden Lecks des SK D über der Wasserlinie befunden hätten und durch den Riß, der von dem hinteren Leck bis unter die Wasseroberfläche gereicht habe, nur geringfügig Wasser in das Schiff gelangt sei. Diese Gefahr sei erst während der Reise des Kahnes nach Duisburg-Ruhrort eingetreten, als sich gezeigt habe, daß die provisorischen Abdichtungen der beiden Lecks während der Fahrt das Eindringen von Wasser nicht verhindern konnten, dieses im Vorschiff trotz des Einsatzes von zuletzt sechs Pumpen laufend zugenommen habe, so daß in Düsseldorf Matrosenwohnung und Raum 1 bereits zu drei Viertel unter Wasser gestanden hätten und nunmehr ein Feuerlöschboot zum Lenzen habe zugezogen werden müssen, um die Lecks erst wieder über die Wasserlinie zu bekommen. Jedenfalls nunmehr hätte der Kahnschiffer erkennen müssen, daß sein Schiff mit der gewählten Abdichtungsweise fahruntauglich sei.
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Die Revision greift diese Ausführungen ohne Erfolg an. Bei allem, was sie insoweit gegenüber dem angefochtenen Urteil rügt, übersieht sie, daß der Schiffer des SK D in Düsseldorf die Fahrt nach Duisburg-Ruhrort fortgesetzt hat, obwohl zumindest in diesem Zeitpunkt klar erkennbar war, daß die provisorische Abdichtung der beiden Lecks durch das Taucherunternehmen nicht genügte, um während der Fahrt des Kahnes das Eindringen von größeren, mit den an Bord befindlichen Pumpen nicht beherrschbaren Wassermengen zu verhindern. Darin ist ein derart grobes Verschulden des Kahnschiffers zu sehen - zumal die Schotts des SK D durchgerostet waren -, daß das darauf beruhende Sinken des Kahnes und der hierdurch der Klägerin ententstandene Schaden den Beklagten billigerweise nicht mehr zugerechnet werden kann. Daran ändert nichts, daß der Kahnschiffer in Düsseldorf das vordere Leck seines Fahrzeuges zusätzlich mit einer Wolldecke und zwei Kopfkeilen abgedichtet hat. Eine derart unzulängliche Maßnahme bot keinerlei Gewähr dafür, daß SK D nicht erneut während der Fahrt in die Gefahr des Sinkens geriet.
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Aus den aufgezeigten Gründen bedarf die Sache, soweit es um die Haftung der Beklagten zu 3 und 4 für den eigentlichen Kollisionsschaden geht, der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch das Berufungsgericht. Sollte dieses wiederum zu der Feststellung gelangen, daß auch den Beklagten zu 4 ein kausales Verschulden an dem Schiffszusammenstoß trifft, so wird es bei der Schuldabwägung die Grundsätze zu beachten haben, wie sie in dem Senatsurteil v. 29. 6. 1959 - II ZR 3/58 (LM Nr. 3 zu RheinschiffahrtspolizeiVO vom 24. 12. 1954 = VersR 1959, 608, 612/613]) für die Schadensverteilung unter mehr als zwei schuldigen Schiffen dargestellt sind (vgl. auch das Senatsurteil v. 5. 12. 1974 - II ZR 56/73, VersR 1975, 255, 256) und nach denen vor einer Gesamtabwägung jeweils eine Einzelabwägung im Verhältnis vom Geschädigten zu jedem einzelnen Schädiger vorzunehmen ist. Ferner wird das Berufsgericht näher darzulegen haben, aus welchen Gründen die Beklagte zu 3 für ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 4 nicht nur mit MS O, sondern auch mit SL R haftet (vgl. zu dem Fragenkomplex der Haftung bei der Kollision eines Schubverbandes mit einem anderen Fahrzeug Bemm/Kortendick Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1970 S. 76/77 sowie zuletzt OLG Köln, ZfB 1976, 363 ff.]).
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