Banque de données de juriprudence

II ZR 180/67 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 18.09.1969
Numéro de référence: II ZR 180/67
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Kommt es innerhalb eines räumlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Vorbeifahrt eines Schiffes zu einem Brechen der Drähte eines Stilliegers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß das Verhalten des Vorbeifahrers ursächlich für das Brechen der Drähte war.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 18. September 1969

II ZR 180/67

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Das beladene, bei der Klägerin zu 1 versicherte und dem Kläger zu 2 gehörende MS M lag an der Verladestelle der Bayer-Werke bei Rhein-km 765,8 stromwärts neben dem bereits teilweise gelöschten MS E. Als mehrere Schiffe vorbeifuhren, brachen die Befestigungsdrähte beider Stillieger mit Ausnahme eines zum Ufer stehenden achteren Beidrahtes des MS E und eines achteren Laufdrahtes von MS M zu MS E. Als MS M zur Strommitte hin verfiel, wurde es in Schräglage von einem Kahn des Talschleppzuges B angefahren und beschädigt.

Die Klägerin zu 1 verlangt Ersatz des dem Bekläger zu 2 erstatteten Schadens von ca. 12000,- DM, der Kläger zu 2 Ersatz seines Nutzungsverlustes in Höhe von ca. DM 16000,- mit der Behauptung, daß dem Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte TMS R mit überhöhter Geschwindigkeit an MS M vorübergefahren und das Brechen der Drähte verursacht habe.

Die Beklagten bestreiten jedes Verschulden und tragen vor, daß nach TMS R 2 weitere Talfahrer (MS G und TMS T) vorbeigefahren seien und sich TMS R im Zeitpunkt des Brechens der Drähte bereits so weit unterhalb des Stilliegers befunden habe, daß seine Fahrweise für den Vorfall nicht habe ursächlich sein können.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Kläger ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Zu Unrecht rügt die Revision eine Verletzung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Anwendung der genannten Vorschrift setzt u. a. voraus, daß mehrere - ein jeder selbständig - eine unerlaubte Handlung begangen haben (BGHZ 33, 286, 292). Im Streitfall besteht aber, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, kein hinreichender Anhalt für einen Verstoß der Führung des MS G oder des TMS T gegen § 54 Nr. 1 c RheinSchPolVO oder sonstige zum Schutze des Schiffsverkehrs erlassene Bestimmungen.
Zutreffend rügt die Revision aber, daß die Erwägungen des Berufungsgerichts zu der - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach § 287 ZPO, sondern nach § 286 ZPO zu beurteilenden (BGHZ 4, 192, 197) - Frage, ob MS M durch die Fahrweise des TMS R überhaupt betroffen worden ist, den Sachverhalt nicht erschöpfen und damit § 286 ZPO verletzen.
Zwar hat das Berufungsgericht nicht übersehen, daß ein gewisser Zeitraum vergehen mußte, „bis der von TMS R ausgehende Wellenschlag MS M erreichte und dort Folgen zeitigen" konnte. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts lassen jedoch nicht erkennen, ob ihm bei seinen Erwägungen zur Frage des Ursachenzusammenhangs gegenwärtig war, daß MS M beide Buganker - nach den Bekundungen der Zeugen K. und M. mit ausreichender Kette - gesetzt hatte und ein 20 mm starker, achtern in doppelter Bucht zu MS E stehender Laufdraht nicht gebrochen war. Diese Umstände lassen es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß MS M trotz Brechens der beiden weiteren Befestigungsdrähte noch einige Minuten bis zum Wirksamwerden des Wellenschlags der TMS R folgenden Talfahrer (MS G und TMS T) in seiner ursprünglichen Lage verblieb, zumal nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß die zur Unfallzeit im Bereich der Stillieger vorhandenen Wasser- und Strömungsverhältnisse ein sofortiges Verfallen des MS M nach dem Brechen der Drähte hätten bewirken müssen.
Da nicht auszuschließen ist, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der dargelegten Gesichtspunkte die volle Überzeugung von der Ursächlichkeit der Fahrweise des TMS R für das Brechen der Drähte des MS M gewonnen, mithin das Vorliegen einer Fernschädigung (§ 92 BSchG i.V.m. § 738 HGB) bejaht hätte, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob nicht zu Gunsten der Kläger ein Anscheinsbeweis spricht. Fährt nämlich ein Schiff unter Verstoß gegen die Schutzvorschrift des § 54 Nr. 1 c RheinSchPolVO an einem im Sinne des § 69 RheinSchPolVO ordnungsgemäß gesicherten Stillieger vorbei und kommt es innerhalb eines räumlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Vorbeifahrt zu einem Brechen der Drähte des Stilllegers, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß das Verhalten des Vorbeifahrers ursächlich für das Brechen der Drähte war (Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, 3. Aufl., § 738 HGB, Anm. 13). Sollte daher das Berufungsgericht bei der erneuten Würdigung des Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Auffassung kommen, daß MS M ordnungsgemäß gesichert war und seine Drähte innerhalb eines räumlichen oder zeitlichen Zusammenhangs mit der Vorbeifahrt des TMS R gebrochen sind, so ist damit der den Klägern obliegende Beweis des Ursachenzusammenhangs zunächst erbracht. Es wird dann Sache der Beklagten sein, Tatsachen darzutun und im Streitfall zu beweisen, aus denen sich die Möglichkeit eines anderen Sachablaufs als des erfahrungsgemäßen ergibt (BGHZ 2, 1; 8, 239). Hierfür dürfte aber nicht der Nachweis genügen, daß MS G und TMS T vor dem Abgehen des MS M an diesem Schiff vorbeigefahren sind, es sei denn, daß auch diese Fahrzeuge oder eines von ihnen während der Vorbeifahrt § 54 Nr. 1 c RheinSchPolVO verletzt haben."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1969 - Sammlung Seite 132 f.; ZfB 1969, 132 f.