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Leitsatz:
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Kläger (Geschädigter) dem in einem Vorprozess die Kosten des einem vermeintlichen Schädigers beigetretenen Nebenintervenienten (tatsächlichen Schädigers) auferlegt worden sind, die Erstattung dieser Kosten von dem Nebenintervenienten nach bürgerlichem Recht verlangen kann.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 28. Februar 1969
(Rheinschifffahrtsgericht St. Goar; Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
Tatbestand:
Auf dem Schleppkahn „A" des Beklagten ging morgens gegen 6 Uhr bei St. Goar (etwa bei km 556,7) der Klippanker durch Bruch des die Verbindung zwischen Ankerwirbel und Ankerkette herstellenden Bolzens verloren. SK A" setzte in seinem Schleppzug die Fahrt fort, ohne der etwa 600 m entfernten Dienststelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes sofort Meldung zu machen und die Verluststelle zu kennzeichnen. Der Schiffsführer holte die Meldung nach, die um 11.45 Uhr bei der Außenstelle des WSA in St. Goar einging. Die noch am selben Tag vorgenommene Ankersuche an der angegebenen Stelle blieb erfolglos.
Etwa 1 Monat später stieß der in einem Schleppzug befindliche SK "L" der Klägerin bei km 555,5 auf den Anker von „A".
Die Kläger hatten zunächst Ersatz des dadurch entstandenen Schadens in Höhe von ca. 47000,- DM von der Bundesrepublik wegen behaupteter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangt. In diesem Vorprozess verkündeten sowohl die Kläger als auch die Bundesrepublik dem Beklagten den Streit, der dem Rechtsstreit auf Seiten der beklagten Bundesrepublik beitrat. Den damals unterlegenen Klägern wurden die Verfahrenskosten auch insoweit auferlegt, als sie durch die Streithilfe entstanden waren. Die Kläger mussten dem Streithelfer, dem jetzigen Beklagten, Kosten in Höhe von etwa 1850,-DM ersetzen.
Die Kläger verlangen nunmehr vom Beklagten außer dem Schaden auch Ersatz der Kosten des Vorprozesses einschl. der dem Beklagten erstatteten Streithilfekosten.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Rheinschifffahrtsobergericht hat ihr dem Grund nach stattgegeben, bezüglich der Vorprozesskosten aber nur insoweit, als dem Beklagten Kosten als Streithelfer entstanden waren. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem Beklagten ist durch § 10 Nr. 1 RhSchPVO die Verantwortung u. a. dafür auferlegt worden, dass sein Fahrzeug so ausgerüstet ist, dass jede Gefahr für die Schifffahrt vermieden wird. Hieraus ergibt sich eine Verpflichtung des Schiffseigners zur regelmäßigen genauen Überprüfung der Ausrüstung des Schiffes und insbesondere auch des stark beanspruchten Ankergeschirrs. Dieselbe Verpflichtung folgt aus der dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht und trifft auch den Schiffsführer. Ein Ankerverlust bringt erhebliche Gefahren für die Schifffahrt mit sich, und zwar ganz besonders auf dem streckenweise nicht sehr tiefen und dazu stark befahrenen Rhein. Wie hoch der Gesetzgeber die Gefahr einschätzt, ergibt sich daraus, dass nach § 12 Nr. 1 RhSchPVO die Anker zu kennzeichnen sind und in § 95 Nr. 1 RhSchPVO eine unverzügliche Meldepflicht für jeden verlorenen Gegenstand statuiert ist, durch den die Schifffahrt behindert oder gefährdet werden kann. Dass es sich bei solchen Gegenständen vor allem um Anker handelt, bedarf keiner näheren Darlegungen (vgl. auch die Ausführungen von Hillebrand in ZfB 1956 S.256 ff). Da danach dem Beklagten und seinem Schiffsführer durch Gesetz die Verantwortung auferlegt ist, für den ordnungsgemäßen Zustand des Ankergeschirrs zu sorgen, hätte der Beklagte darlegen und beweisen müssen, dass er dieses ordnungsgemäß hat warten und in regelmäßigen Abständen gründlich hat untersuchen und beobachten lassen.
Nach alledem bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Verlust des Ankers von „A" durch schuldhaftes Verhalten eines Besatzungsmitgliedes, für das der Beklagte einzustehen hat, herbeigeführt worden ist. Der adäquate Ursachenzusammenhang mit dem Schaden der Kläger wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Anker auf unbekannte Weise stromaufwärts von linksrheinisch nach rechtsrheinisch verschleppt worden ist.
Auch soweit die Revision die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz der den Klägern durch seinen Streitbeitritt auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland im Vorprozess entstandenen Kosten angreift, ist sie unbegründet.
Zunächst kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Kosten des Vorprozesses durch das von dem Beklagten zu verantwortende Schadensereignis adäquat verursacht worden sind. Schon in seinem
Urteil vom 15. Februar 1962 II ZR 87/60 (VersR 1962, 409, 410) ) hat der Senat entschieden, dass die Kosten eines Vorprozesses, in dem der Kläger ein anderes, am Unfall beteiligtes Schiff erfolglos in Anspruch genommen hat, regelmäßig in adäquatem Ursachenzusammenhang mit dem Unfallgeschehen stehen (vgl. auch BGHZ 24, 263, 266).
Ob der Schädiger dem Geschädigten die diesem entstandenen Kosten eines Vorprozesses zu ersetzen hat, ist nach § 254 BGB zu entscheiden. Kommen mehrere Personen als Schädiger in Frage, so ist es in der Regel das Risiko des Klägers, ob er den Richtigen oder den Falschen verklagt; die Verursachung dieser Kosten durch den Kläger, auf dessen freien Entschluss zur Klageerhebung in erster Linie das Entstehen der Kosten zurückzuführen ist, steht dabei im Vordergrund. Er verstößt gegen die ihm nach § 254 BGB obliegende Schadensminderungspflicht, wenn er dadurch, dass er einen Falschen verklagt, höhere Kosten verursacht. Das kann aber unter Umständen auch anders sein, und zwar insbesondere dann, wenn mehrere Schadensursachen in Frage kommen, für die jeweils verschiedene Schädiger verantwortlich sind, der Geschädigte selbst keine Möglichkeit zur Aufklärung der Schadensursache hat, der Schädiger aber sehr wohl den Sachverhalt kennt oder kennen muss und durch sein Verhalten dazu beiträgt, den Geschädigten zunächst auf eine falsche Fährte zu setzen (vgl. auch Wassermeyer der Kollosionsprozess, 3. Aufl. S. 382 und Schaps/Abraham Das deutsche Seerecht, 3. Aufl., HGB § 735 Anm. 158). Ob ein solcher Tatbestand hier gegeben ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls sind die Kosten der Nebenintervention, um deren Ersatz es hier geht, durch den vom Beklagten frei gefassten Entschluss, im Vorprozess dem Rechtsstreit auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland beizutreten, in so weit überwiegendem Maße vom Beklagten verursacht, dass es nicht angemessen erscheint, die Kläger auch nur einen Teil dieser Kosten tragen zu lassen."