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II ZR 170/76 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 29.05.1978
Numéro de référence: II ZR 170/76
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsätze:

1) Zu dem Umfang der Befestigungspflicht eines Streckenschubbootes bei dem Ablegen von Schubleichtern auf einem - bewachten - Schubleichterliegeplatz.
2) Zu dem Umfang der Sicherungspflicht eines Hafenschubbootes, das einen Schubleichter aus einer Zusammenstellung von mehreren stilliegenden Schubleichtern herausholt.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 29. Mai 1978 

(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschifffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Das den Streithelfern zu 1 gehörende Schubboot „H" hatte morgens die beladenen, der Klägerin gehörenden Schubleichter „E" und „EW" - mit den platten Achterschiffen aneinandergekoppelt - auf dem linksrheinischen Schubleichterliegeplatz „O" abgelegt. Die Leichter wurden dadurch gesichert, dass die Schubbootbesatzung auf ihnen vorn und achtern jeweils einen Anker gesetzt und den vorderen Leichter („E") mit der Steuerbordseite an den beladenen, schon auf dem Liegeplatz befindlichen und mit 2 Bugankern verankerten Schubleichter „P 2" gemehrt hatte. Abends koppelte der Beklagte zu 2 das von ihm geführte, den Beklagten zu 1 gehörende Hafenschubboot „T" am Heck von „P 2" an, ließ die Mehrdrähte zwischen „P 2" und „E" lösen und die Buganker von „P 2" herausdrehen. Zu gleicher Zeit passierte der mit 4 beladenen Schubleichtern zu Berg kommende Schubverband „F" der Streithelferin zu 2 die Backbordseite der „E"-Leichter, die nach Lösen der Mehrdrähte etwas abgetrieben waren und nach der Vorbeifahrt des Schubverbandes quer in Richtung rechtes Ufer verfielen. Damit versperrten sie dem Talfahrer MS „Union" den Weg, so dass er gegen „E" stieß. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.

Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schadens an „E" und - aus abgetretenem Recht - auch den Schaden an MS „Union" in Höhe von zusammen über 129000,- hfl, weil der Beklagte zu 2 beim Herauslösen aus dem Schubleichterpäckchen es schuldhaft unterlassen habe, für ein sicheres Stilliegen der „E"-Leichter zu sorgen.

Die Beklagten sind der Meinung, dass der Führer des Schubbootes „H" die „E"-Leichter beim Ablegen nicht genügend gesichert habe und der Führer des „Ha"-Schubverbandes mit dem Schraubenstrahl den Kopf der Leichter getroffen und dadurch deren Querfallen bewirkt habe. Damit hätten die Schiffsführer dieser Einheiten allein die Kollision bewirkt.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat dem Klageanspruch zu 1/3, das Rheinschifffahrtsobergericht hat ihm voll entsprochen. Die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 7.02 RheinSchPolVO müssen stilliegende Fahrzeuge und, wie die teilweise Neufassung der Vorschrift zum 1. Oktober 1974 (VkBI. 1974, 600) besonders verdeutlicht, Fahrzeugzusammenstellungen sicher verankert oder festgemacht werden. Diese Pflicht trifft beim Ablegen eines Schubleichters oder einer Zusammenstellung von mehreren Schubleichtern grundsätzlich die Führung des Schubbootes, da die Leichter regelmäßig keine eigene Besatzung haben. Auch wird sie hiervon nicht schon durch die Anwesenheit eines Wachschiffes auf dem Liegeplatz befreit. Zwar entbindet sie das Vorhandensein eines solchen Fahrzeugs von der Verpflichtung, selbst eine Wache für die abgelegten Leichter aufzustellen (§ 7.06 Nr. 2 RheinSchPolVO), bis ein Dritter die Leichter in seine Obhut übernommen und nunmehr für deren Bewachung zu sorgen hat. Jedoch handelt es sich bei dem Ablegen eines Schubleichters oder einer Zusammenstellung von mehreren Schubleichtern (noch) um ein Manöver des Schubbootes. Hierfür trägt aber dessen Führung die Verantwortung. Sie muss deshalb alle Vorsichtsmaßregeln treffen, welche die allgemeine Sorgfaltspflicht und die berufliche Übung gebieten, damit andere Fahrzeuge durch den oder die abgelegten Leichter nicht beschädigt, gefährdet oder behindert werden (§ 1.04 RheinSchPolVO; vgl. außerdem Satz 1 der bereits erwähnten Neufassung des § 7.02 RheinSchPolVO). Jedoch folgt daraus nicht, dass ein Schubleichter oder eine Zusammenstellung von mehreren Schubleichtern stets schon auf den eigenen Ankern sicher stilliegen muss, was bei einem - zulässigerweise (vgl. § 7.01 Nr. 1 und Nr. 2 a Rheinschiffs-Untersuchungsverordnung vom 26. März 1976 - BGBI. 1 776) - lediglich mit einem Buganker ausgerüsteten Leichter ohnehin kaum möglich sein dürfte (vgl. Bemm/Korten-dick, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung 1970 § 7.02 Anm. A 1). Vielmehr kann deren Sicherung auch dadurch erfolgen, dass einzelne Leichter - zusätzlich oder ausschließlich - mit Drähten an Land oder an einem anderen Stilllieger festgemacht werden, wodurch allerdings die Sicherheit des stilliegenden Fahrzeugs selbst nicht beeinträchtigt werden darf. Auch ist nach dem angefochtenen Urteil das seitliche Befestigen eines abzulegenden Schubleichters an einem Stilllieger durchaus schifffahrtsüblich (vgl. ferner SenUrt. v. 17. 1. 63 - II ZR 48/61, Anmerkung der Redaktion: s. auch ZfB 1963, S. 141, LM BinnSchStrO Nr. 1 = VersR 1963, 352 sowie Wassermeyer. Der Kollisionsprozess in der Binnenschifffahrt 4. Aufl. S. 288/289 und 306f). Dem steht nicht, wie die Revision meint, die Schifffahrtspolizeiliche Verordnung für die Rheinschifffahrt über die Sicherheitsanforderungen an Fahrzeuge der Schubschifffahrt vom 12. Juli 1973 (VkBl. S. 601) entgegen.

Ihr Inhalt besagt jedoch nichts über die Art und Weise einer sicheren Befestigung eines solchen Verbandes oder der von ihm abgelegten Leichter. Entgegen der Ansicht der Revision ist ferner ohne Bedeutung, dass das Wasser- und Schifffahrtsamt Wesel und - ihm folgend - die Wasserschutzpolizeistation Duisburg in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die Schiffsführer von SB „Thyssen IV und SB „H" die Auffassung vertreten haben, Schubleichter müssten bereits von den Ankern sicher gehalten werden, wogegen Mehrdrähte üblicherweise nur ein Gegeneinanderschlagen benachbarter Leichter zu verhindern hätten. Diese Auffassung findet in den Vorschriften der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung keine Stütze. Die Revision meint daher zu Unrecht, es sei Pflicht der Führung des Streckenschubbootes, die von ihr abgelegten Schubleichter stets bereits so mit den Ankern zu sichern, dass die Leichter ordnungsgemäß liegen blieben, wenn das Hafenschubboot die Mehrdrähte innerhalb eines Päckchens löse.
 
Will ein Hafenschubboot einen Schubleichter aus einem stilliegenden Leichterpäckchen herausholen, so hat seine Führung - auch beim Vorhandensein eines Wachschiffes - grundsätzlich dafür zu sorgen, dass die zurückbleibenden Fahrzeug sowohl während des Manövers als auch danach gegen jede gefährliche Veränderung ihrer Lage, insbesondere gegen ein Abtreiben, ausreichend gesichert sind. Diese Verpflichtung ergibt sich ebenfalls aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Schiffsführer (§ 1.04 RheinSchPolVO). Sie beruht letztlich darauf, dass das Hafenschubboot bei einem solchen Manöver in den Bestand des Päckchens eingreift. Das berücksichtigt die Revision nicht genügend, soweit sie Zweifel gegen das Bestehen einer derartigen Verpflichtung der Führung des Hafenschubbootes äußert. Ferner beachtet sie in diesem Zusammenhang nicht, dass die Schubbootführung beim Herausholen eines Schubleichters aus einem Leichterpäckchen von der Lage auszugehen hat, die sie unmittelbar vor Beginn des Manövers antrifft. Auch kann sie sich hierbei wegen der verschiedenen Möglichkeiten, einen Leichter zu befestigen, nicht ohne vorherige sorgfältige Prüfung darauf verlassen, dass jedes Fahrzeug des Päckchens schon von dem eigenen Anker sicher gehalten wird. Sie darf daher Mehrdrähte zu einem anderen Fahrzeug des Päckchens erst dann lösen lassen, wenn sie sicher sein kann, dass hierdurch das ordnungsgemäße Stillliegen aller Leichter des Päckchens nicht nachteilig beeinflusst wird.
Beurteilt man den Streitfall anhand der vorstehend aufgezeigten Grundsätze, so ergibt sich, dass der Beklagte zu 2 als Schiffsführer des SB „T" das Abtreiben der beiden „E"-Leichter und damit die Kollision zwischen MS „Union" und SL „E" verschuldet hat, hingegen die Führung von SB „H" kein Verschulden an dem Schiffszusammenstoß trifft. Die letztere hat nach den rechtlich einwandfreien Feststellungen des Berufungsgerichts beim Ablegen der "E"-Leichter diese durch das Setzen je eines Ankers am Bug und am Heck der Einheit sowie durch das Ausbringen von Mehrdrähten zu SL „P 2" ordnungsgemäß gesichert. Demgegenüber hat der Beklagte zu 2 beim Lösen der Mehrdrähte nichts für ein weiteres sicheres Stillliegen der „E"-Leichter getan, was umso mehr geboten gewesen wäre, als er - nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts - schon vor Beginn des von ihm beabsichtigten Manövers Bedenken hatte, dass die Leichter liegenbleiben würden, wenn er deren Drahtverbindung zu SL „P 2" beseitige.