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II ZR 161/78 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 28.01.1980
Numéro de référence: II ZR 161/78
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Règle du droit: § 485 HGB,§ 612 HGB
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsätze:

1) Keine dingliche Schiffshaftung des Seereeders für das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung.
2) Zum Ersatzanspruch gegen den Reeder nach § 485 HGB und zur Freizeichnungsmöglichkeit wegen eines Schadens, den eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen, z. B. durch fehlerhaftes Stauen der Ladung, schuldhaft zufügt.
3) Zur Haftung des Kapitäns für verschuldete Stauschäden. Zu seinen Gunsten keine Anwendung der Ausschlussfrist des § 612 HGB und der einjährigen Verjährungsfrist der §§ 901 Nr. 4 und 903 Abs. 1 HGB.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 28. Januar 1980

(Landgericht Duisburg, Oberlandesgericht Düsseldorf)

Zum Tatbestand:

Die Fa. R. hatte sich gegenüber der Fa. Z. verpflichtet, für diese im November 1975 rd. 1027 t Profilstahl von Spanien nach Hamburg zu befördern, und zu diesem Zweck das von der Beklagten zu 1 bereederte und vom Beklagten zu 2 als Kapitän geführte MS „S" gechartert. Nach dessen Beladung stellte die Beklagte zu 1 zwei Konnossemente über rd. 554 und 473 t aus. Beim Löschen der Ladung stellten sich erhebliche Ladungsschäden heraus.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Zahlung von über 82 000,- DM, die sie als Transportversicherin an ihre Versicherungsnehmerin, die Fa. Z., gezahlt habe, und zwar aus abgetretenem Recht sowohl der Fa. Z. als auch der Konnossementsempfängerin S. Der Schaden sei durch falsche Stauung der Partie entstanden. Außerdem beantragt die Klägerin mit der im Februar 1977 beim Landgericht eingegangenen Klage Feststellung, dass die Beklagte zu 1 auch dinglich mit MS „S" hafte.
Die Beklagten tragen vor, dass der Klageanspruch nicht innerhalb der Frist des § 612 HGB gerichtlich geltend gemacht und außerdem verjährt sei. Ferner sei es allein Sache der Ladungsbeteiligten gewesen, die Partie ordnungsmäßig zu stauen. Auch seien sie von einer etwaigen Haftung freigezeichnet.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Feststellungsanspruches zurückgewiesen; sie führte jedoch bezüglich des Zahlungsanspruchs zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zwecks anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht den Feststellungsantrag abgewiesen. Für diesen Antrag fehlt das Feststellungsinteresse. Die Klägerin hätte auch insoweit von Anfang an Leistungsklage erheben können. Im übrigen haben alle Prozessbeteiligten übersehen, dass der Reeder seit der Änderung des § 486 HGB durch das Seerechtsänderungsgesetz vom 21. Juni 1972 - BGBI. 1 966 (in Kraft seit 6. April 1973 - BGBI. II 161) für das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung nicht mehr dinglich mit dem Schiff haftet, ferner Schadensersatzanforderungen wegen Beschädigung der Ladung des eigenen Fahrzeugs nach § 754 Abs. 1 Ziff. 3 Halbsatz 2 n. F. HGB nicht mehr die Rechte eines Schiffsgläubigers gewähren.

2. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis auch insoweit, als es einen (fracht-) vertraglichen Schadensersatzanspruch der Fa Z. gegen die Beklagte zu 1 verneint hat. Ein solcher, aus §§ 606, 607 Abs. 1 HGB herzuleitender Anspruch scheitert schon daran, dass zwischen den Genannten keine frachtvertraglichen Beziehungen bestanden haben, somit Z. im Verhältnis zu der Beklagten zu 1 nicht Befrachter der Beschädigten Partie gewesen ist. Auf die Frage, ob die Klägerin einen solchen Anspruch rechtzeitig geltend gemacht hat (§ 612 HGB), kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an.

3. Anders ist das hingegen, soweit es um einen Schadensersatzanspruch der Fa. S. als konnossementsmäßig legitimierte Empfängerin der beschädigten Partie aus den §§ 606, 607 Abs. 1 HGB gegen die Beklagte zu 1 geht. Einem solchen Anspruch steht, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, entgegen, dass die Klage erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 612 HGB eingereicht worden ist.

4. Als Anspruchsgrundlage gegen die Beklagte zu 1 kommen aber nicht nur die §§ 606, 607 Abs. 1 HGB in Betracht, sondern auch § 485 HGB. Nach dieser Vorschrift ist der Reeder für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Allerdings ist diese Haftung nach § 485 Satz 2 HGB gegenüber den Ladungsbeteiligten des eigenen Schiffes dahin beschränkt, dass der Reeder ihnen „nur insoweit haftet, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat".
Zum Kreis der Ladungsbeteiligten gehört hier aber nur die Fa. S. als konnossementsmäßig legitimierte Empfängerin der beschädigten Partie. Hingegen ist hierzu nicht die Fa. Z. zu rechnen, weil sie nicht Befrachterin des MS „S" und damit nicht Ladungsbeteiligte im Sinne des § 485 Satz 2 HGB gewesen ist (vgl. auch oben Ziff. 2). Ihr kann demnach die Beklagte zu 1 nicht entgegenhalten, dass sie auch als Reeder dieses Schiffes lediglich wie ein Verfrachter für ein Verschulden der Schiffsbesatzung hafte, wogegen die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 485 Satz 2 HGB gegenüber der Fa. S. bewirkt, dass ein Schadensersatzanspruch der letzteren aus § 485 Satz 1 HGB ebenfalls wegen Versäumung der Klagefrist des § 612 HGB erloschen ist (vgl. Senatsurt. v. 9. 7. 73 - II ZR 86/71 2), LM § 612 HGB Nr. 4 = VersR 1973, 1038).


5. Das Berufungsgericht hat die Bestimmung des § 485 HGB als Grundlage für einen Schadensersatzanspruch der Fa. Z. gegen die Beklagte zu 1 übersehen und demgemäß auch nicht geprüft, ob diese sich gegenüber einem solchen Anspruch mit Erfolg auf eine Haftungsfreizeichnung berufen kann. Das ist zu verneinen.
Die Beklagte zu 1 hat eine derartige Freizeichnung aus der Inkorporationsklausel („All terms and conditions, liberties and exceptions auf the Charter Party, dated as overleaf, are herewith incorporated") der beiden Konnossemente („Congenbill") in Verbindung mit Ziff. 9 der Gencon-Charter entnommen, auf deren Grundlage sie den Chartervertrag mit der Fa. R. offenbar abgeschlossen hat. Insoweit berücksichtigt sie aber nicht, dass die Konnossemente nur für das Rechtsverhältnis zwischen ihr und der Empfängerin der beschädigten Partie maßgebend sind (§ 656 Abs. 1 HGB) und im übrigen keine vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Fa. Z. bestanden haben (wird ausgeführt).
6. Für die Entscheidung über den gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Zahlungsantrag kann demnach nicht die Frage offen bleiben, ob der Beklagte zu 2 als Kapitän des MS „S" durch ein fehlerhaftes Verhalten beim Stauen der rund 1027 t Profilstahl den streitigen Schaden verursacht hat.

Das gilt ebenso für die Beurteilung des gegen ihn selbst verfolgten Zahlungsanspruchs:
Wird die Ladung eines Seeschiffs beim Stauen durch ein Verschulden des Kapitäns beschädigt, so haftet er den Ladungsbetei1igten (somit hier der Fa. S. als Konnossementsempfängerin) für deren Schaden nach den §§ 511, 512, 514 Abs. 1 HGB. Ferner ist er dem Eigentümer der Ladung (was hier zunächst auch die Fa. Z, als erste Käuferin der Partie gewesen sein kann) nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Auch greift zugunsten des Kapitäns nach der jeweils eindeutigen Gesetzesfassung weder die Ausschlussfrist des § 612 HGB noch die Regelung des § 901 Nr. 4, § 903 Abs. 1 HGB (Verjährungsfrist von einem Jahr für Forderungen gegen den Verfrachter aus Frachtverträgen und aus Konnossementen, gerechnet vom Schluss des Jahres ihrer Fälligkeit) ein. Wieso das im Streitfall, wie das Berufungsgericht zumindest für die Vorschrift des § 612 HGB meint, auf Grund der „Paramount-Klausel" in den Bedingungen der beiden Konnossemente der Fall sein soll, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass diese Bedingungen gegenüber der Fa. Z. überhaupt nicht gelten (vgl. oben Ziff. 5), sieht die sog. Paramount-Klausel nicht die haftungsmäßige Gleichstellung des Kapitäns mit dem Verfrachter oder dem Reeder vor (so hingegen die sog. Himalaya-Klausel, vgl. Schaps/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Seehandelsrecht 2. Teil Anh. II § 663 b Rnr. 61). Vielmehr will sie die Anwendung der materiellrechtlichen Bestimmungen der Haager Regeln erreichen und die Berufung des Verfrachters auf haftungsbeschränkende Klauseln verhindern, die nicht mit der Mindesthaftung der Haager Regeln verträglich sind (Senatsurt. v. 21. 12. 70 - II ZR 39/70, LM § 38 ZPO Nr. 12 = VersR 1971, 336, 337; vgl. auch Schaps/ Abraham a.a.O. 1. Teil vor § 556 Rnr. 32 sowie Prüssmann, Seehandelsrecht vor § 556 Anm. VI G). Die Haager Regeln befassen sich aber weder mit der Haftung des Kapitäns, geschweige stellen sie ihn haftungsmäßig mit dem Verfrachter gleich (vgl. Gramm, Das neue deutsche Seefrachtrecht S. 84/85). Im übrigen würde vorliegend dem Beklagten zu 2 eine Einbeziehung in die Regelung von Ziff. 9 der Gencon-Charter überhaupt nichts nützen, weil diese den Fall einer Beschädigung der Ladung durch ein fehlerhaftes Verhalten des Kapitäns beim Stauen ausdrücklich von der Haftungsfreizeichnung ausnimmt.