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Leitsätze:
1) Der Schiffsführer eines morgens bei Dunkelheit von einem Liegeplatz abfahrenden Schiffes hat aufgrund besonderer Sorgfaltspflicht seine Matrosen anzuweisen, sich nicht nur mit dem Ankergeschirr und den Lichtern zu befassen, sondern ihre besondere Aufmerksamkeit auch auf etwaige Schallsignale anderer Schiffe zu richten.
2) Ein Schiff, das das Wenden von der Stelle weg beginnt, ohne sich vorher eine genügende Übersicht über das Revier verschafft zu haben, trägt das entscheidende unfallursächliche Verschulden an dem dadurch herbeigeführten Zusammenstoß mit einem anderen Schiff.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 26. September 1968
II ZR 151/66
(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschifffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende, auf Talfahrt befindliche MS „T" (773 t; mit einer Ladung von 575 t) und das der Beklagten zu 1 gehörende vom Beklagten zu 2 geführte und auf Bergfahrt befindliche MS „BE" (1168 t, mit einer Ladung von 971 t) hatten bei etwa RhKm 762 übernachtet. ,,T" lag zirka 40 m seitab des linken Ufers. Mit dem Kopf etwa 20 m seitlich dessen Backbord-Achterschiff ging das Schleppboot „M" vor Anker, das den Kahn „ME 9" auf langem Strang im Schlepp hatte. Dieser Kahn lag entsprechend weiter abwärts neben einem anderen unmittelbar am Ufer liegenden Motorschiff. Mit einem Abstand von etwa 2 Schiffslängen legte sich dann außen auf „ME 9" noch das MS „BE" hinter seine beiden Buganker. Der Kopf von „BE" lag dabei ungefähr auf halber Höhe von „Meteor 9".
Am Morgen setzten beide Schiffe bei Dunkelheit, aber klarer Sicht ihre Fahrt fort. ,,T" wendete über Backbord oberhalb von SB „M" zu Tal. Als es quer im Strom lag, wurde es von MS „BE", das inzwischen die Backbordseite des SB „M" passierte, in Höhe des Backbord-Achterschiffes angefahren. Infolge sofortigen Wassereinbruchs sank „T" alsbald rechtsrheinisch, wenig unterhalb der Unfallstelle.
Die von der Klägerin aus eigenem und übertragenem Recht erhobene Klage auf Schadensersatz von fast 283000,- DM wurde vom Rheinschifffahrtsgericht abgewiesen. Das Rheinschifffahrtsobergericht hat ihr dem Grunde nach in Höhe von 1/4 entsprochen. Die Revisionen beider Parteien blieben erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
,,Das Berufungsgericht hält es für nicht entschuldbar, dass man auf „BE" den tatsächlichen Wendebeginn überhaupt nicht und das Herumfallen des 63 m langen MS „T" erst bemerkt habe, als „T" bereits quer gelegen sei. Die beiden Matrosen hätten sich auf dem Vorschiff von „BE" nur um Ankergeschirr und Lichter gekümmert und nicht auf das Revier geachtet, auch der beklagte Schiffsführer sei unaufmerksam gewesen; das Wendemanöver habe sich unmittelbar vor ihm abgespielt, nur das Achterschiff von „T" sei für ihn zunächst durch „M" verdeckt gewesen. Wäre auf „BE" das wendende Schiff pflichtgemäß rechtzeitig erkannt worden, so hätte der beklagte Schiffsführer sofort Achtungssignal geben und sein Fahrzeug frühzeitig genug abstoppen können. Dann wäre die Kollision vermieden worden, da „T" selbst trotz der verspäteten Reaktion nur noch gerade am Achterschiff erfasst worden sei.
Die Angriffe der Revision der Beklagten können insoweit auf sich beruhen, als sie eine Feststellung im angefochtenen Urteil dahingehend vermisst, dass „T" von BE" aus bis zu dem Augenblick nicht habe gesehen werden können, als „T" sein Wendemanöver begonnen habe. Hierauf kommt es nicht entscheidend an.
Die Revision der Beklagten macht ferner eine Rechnung auf, mit der sie dartun will, dass es zum Unfall auch dann gekommen wäre, wenn auf „BE" das MS „T" bereits bei Beginn des Wendemanövers erkannt worden wäre.
„BE" habe sich nämlich in diesem Zeitpunkt nur noch 50 bis 90 m von der Unfallstelle entfernt befunden. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Aussage des Matrosen M. gibt hierfür nichts her. Außerdem hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts „T" nicht an der Unfallstelle, sondern etwa 30 bis 40 m oberhalb der Unfallstelle mit dem Wenden begonnen. Bereits im Zeitpunkt der Abgabe des Wendesignals und des Wendebeginns und nicht erst in dem Zeitpunkt, als „T" quer lag, hätte man nach der rechtsfehlerfreien Annahme des Berufungsgerichts zurückschlagen können und zurückschlagen müssen. Dann hätte das Heck von „T" die Unfallstelle bereits verlassen gehabt, bevor „BE" diese Stelle erreicht hätte, wenn überhaupt „BE" noch bis zu dieser Stelle gekommen wäre. Das angefochtene Urteil lässt daher keinen Rechtsfehler erkennen, wenn es annimmt, der Zeitraum zwischen dem erkennbaren Wendebeginn und der infolge Unaufmerksamkeit erst erkannten Querlage des Schiffes hätte für eine den Zusammenstoß abwendende Reaktion ausgereicht, da selbst bei der verspäteten Reaktion nur noch gerade das Achterschiff von „T" vom Steven des MS „BE" erfasst worden sei.
Das Berufungsgericht hält es nicht für hinreichend bewiesen, dass der Besatzung von „BE" ein Vorwurf daraus zu machen sei, dass sie das Wendesignal nicht gehört hat. Zwar sei das Signal als solches nicht zu beanstanden, womit das Berufungsgericht offensichtlich sagen will, dass es die vorschriftsmäßige Lautstärke (§ 23 Nr. 1 a RhSchPVO) hatte. Jedoch meint es, der scharfe Bergwind sei geeignet gewesen, das Schallsignal in erheblichem Maße zu absorbieren. Schon auf „M", etwa 60 bis 70 m unterhalb von „T", habe der Matrose M. das Signal als nicht sehr laut und als ziemlich heiseren Ton empfunden. Die beiden Matrosen vorne auf „BE" seien etwa zweimal, der Beklagte auf seinem Steuerstuhl etwa dreimal so weit von „T" entfernt gewesen. Allerdings habe der etwa 300 m unterhalb „T" befindliche Schiffsführer vom Kahn „ME 9" das Signal klar, wenn auch nur leicht gehört; im wesentlichen habe er aber das Wendesignal am Typhonlicht erkannt. Diese Ausführungen tragen, wie der Revision der Klägerin zuzugeben ist, nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, der Besatzung könne wegen Nichthörens des Wendeschallsignals kein Vorwurf gemacht werden. Bei der Abgabe des Wendesignals war das Vorschiff von „BE", wie die Feststellungen im angefochtenen Urteil ergeben, etwa 130 m von „T" entfernt. Bei dieser Entfernung hätte es von den beiden Matrosen trotz des scharfen Bergwindes gehört werden müssen, wenn sie nicht, wie das Berufungsgericht feststellt, unaufmerksam gewesen wären. Denn der Schiffsführer von „ME 9" hat in einer Entfernung von 300 m das Schallzeichen klar, wenn auch nur leicht gehört. Die Besatzung von „BE" wäre nur entlastet, wenn die Beklagten Umstände dargelegt und bewiesen hätten, aus denen sich ergeben hätte, warum in 300 m Entfernung, nicht aber in 130 m Entfernung das Schallsignal gehört werden konnte. An einem solchen Vortrag und Beweis fehlt es aber. Den beklagten Schiffsführer trifft der Vorwurf, dass er trotz der vom Berufungsgericht zutreffend angenommenen besonderen Sorgfaltspflicht eines in der Dunkelheit abfahrenden Schiffes seine Matrosen nicht angewiesen hat, sich nicht nur mit dem Ankergeschirr und den Lichtern zu befassen, sondern ihre besondere Aufmerksamkeit auf etwaige Schallsignale zu richten.
Wenn auch das Revisionsgericht im Gegensatz zum Berufungsgericht ein zusätzliches Verschulden der Besatzung von „BE" darin erblickt, daß man auf „BE" das Wendesignal nicht gehört hat, sieht es keinen Anlaß, die im angefochtenen Urteil vorgenommene Schadensverteilung zu ändern. Dieses Verschulden der Besatzung von „BE" hat sich auch gegenüber dem vom Berufungsgericht festgestellten Verschulden nicht besonders ausgewirkt, da Wendesignal und Wendebeginn fast gleichzeitig erfolgten. Das entscheidende unfallursächliche Verschulden an dem Zusammenstoß liegt darin, daß „T" das Wenden von der Stelle weg begonnen hat, ohne Übersicht über das Revier zu haben. Das ist ohne Rechtsfehler in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensverteilung zum Ausdruck gekommen."