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Leitsatz:
Richtiges Verhalten bei Begegnungen auf Strecken mit schwierigen Strömungsverhältnissen (Umfahrung des Bankecks). Grundsätzlich darf ein Schiffsführer auf ein verkehrsgerechtes Verhalten anderer entgegenkommender Fahrzeuge vertrauen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 5. Juli 1976
II ZR 146/74
(Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das bei der Klägerin versicherte, beladene MS L stieß auf der Bergfahrt in der Linkskrümmung des Stromes am Bankeck (km 555,45) auf der linken Fahrwasserseite mit seinem Backbordvorschiff gegen die Mitte der Backbordseite des zu Tal fahrenden, der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten MS H.
Die Klägerin verlangt Ersatz des erstatteten, an MS L entstandenen Schadens von 84 420,- DM zur Hälfte, also 42210,- DM. Der Talfahrer sei zu weit linksrheinisch gefahren, wegen zu geringer Geschwindigkeit nicht genügend steuerfähig gewesen, beim Auftauchen des Bergfahrers nicht sofort nach Steuerbord ausgewichen und habe kein Achtungssignal gegeben. Ein Mitverschulden von MS L zur Hälfte liege vor, weil seine Führung die Strömungsverhältnisse am Bankeck (starker Druck der Strömung zum rechten Ufer bei einem Kauber Pegel von 405 cm) nicht berücksichtigt habe und das Schiff etwas nach Backbord versetzt worden sei.
Die Beklagten behaupten, daß MS H den üblichen Weg der Talfahrt in Fahrwassermitte mit der üblichen Geschwindigkeit benutzt habe. Ein Achtungssignal sei nicht nötig, ein Ausweichen nach Steuerbord wegen der rechtsrheinischen Bergfahrt nicht möglich gewesen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Es ist richtig, daß - nach dem angefochtenen Urteil - für einen Bergfahrer, der das Bankeck auf dem von MS L gewählten Weg umfährt, die Gefahr besteht, infolge der dortigen stark zum rechten Ufer gehenden Strömung mit dem Kopf nach rechtsrheinisch hin zu verfallen. Jedoch kann er das, wie das Berufungsgericht da gelegt hat, durch sorgsames und geschicktes Navigieren vermeiden. Auf ein solches - verkehrsgerechtes - Verhalten darf jedes andere Fahrzeug im Revier vertrauen, solange sich bei sorgfältiger und aufmerksamer Beobachtung des Bergfahrers kein Anhaltspunkt ergibt, daß er die Lage nicht meistern kann. Das war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier erst der Fall, als MS L und MS H lediglich noch 100 m voneinander entfernt waren. Die Revision leitet deshalb die Pflicht der Führung des MS H, beim Auftauchen des Kopfes von MS L sofort nach Steuerbord auszuweichen, im wesentlichen daraus her, daß der Seitenabstand des Talfahrers von dem ursprünglichen Kurs des Bergfahrers nicht mehr als 10 m betragen haben dürfte, ferner MS H infolge geringer Geschwindigkeit nicht die volle Steuerfähigkeit besessen habe und deshalb dem Bergfahrer nur verlangsamt habe ausweichen können. Dabei übersieht die Revision, daß zu Lasten der - für ein fehlerhaftes Verhalten des Beklagten zu 2 beweispflichtigen - Klägerin von einem Abstand der ursprünglichen Fahrzeugkurse von 30 m auszugehen ist (nach dem Vortrag der Klägerin soll MS L vor dem Verfallen etwa 50 m aus dem linken Ufer gefahren sein; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kam MS H vor dem Ausweichen 60 bis 80 m aus dem linken Ufer zu Tal), was für eine einwandfreie Begegnung völlig ausreichend war, sofern sich der Bergfahrer nautisch richtig verhielt. Ferner vermag die Revision nicht aufzuzeigen, daß die Feststellung des Berufungsgerichts, die Steuerfähigkeit des MS H sei durch die herabgesetzte Geschwindigkeit des Schiffes nicht nennenswert beeinträchtigt gewesen, verfahrensrechtlich zu beanstanden ist. Insbesondere besagt der Umstand, daß der Talfahrer die Maschine mit Beginn des Ausweichmanövers auf vollen gesetzt hat, nichts dafür, daß zuvor seine Steuerfähigkeit wesentlich vermindert gewesen oder er nur mit der Strömung getrieben sei. Letztlich läuft alles, was die Revision an dem Verhalten des Beklagten zu 2 beanstandet, darauf hinaus, daß dieser ohne konkreten Anlaß und ohne genaue Kenntnis der Fahrweise des zunächst nur mit dem Kopf sichtbaren MS L bereits ein Ausweichmanöver nach Steuerbord hätte durchführen sollen, um allein dem Umstand Rechnung zu tragen, daß dieses Fahrzeug möglicherweise infolge eines nautischen Fehlverhaltens seiner Führung mit dem Kopf nach Backbord verfallen könnte. Eine solche Betrachtungsweise steht aber mit dem Grundsatz in Widerspruch, daß jeder Schiffer sich zunächst auf das verkehrsgerechte Verhalten der anderen Fahrzeuge im Revier verlassen kann; sie würde damit die Sorgfaltspflichten, die der Beklagte zu 2 als Führer des MS H zu beachten hatte, in der Tat überspannen.
Es kann dahinstehen, ob MS H beim ersten Auftauchen des MS L oder zu einem späteren Zeitpunkt Achtungssignal hätte geben müssen. Auch wenn man das mit der Revision annimmt, kann die Klage keinen Erfolg haben. Insoweit steht ihr die Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, daß es selbst dann zur Kollision gekommen wäre, wenn der Talfahrer sofort bei Insichtkommen des MS L Schallzeichen gegeben hätte. Zwar ist es richtig, daß die Führung dieses Schiffes durch ein frühzeitiges Steuerbordmanöver das Verfallen nach Backbord hätte vermeiden können. Das nötigt jedoch nicht zu dem Schluß, daß ein solches Manöver auf die Abgabe eines Achtungssignals durch den Talfahrer von dem Bergfahrer durchgeführt worden wäre, zumal dieser bereits aufgrund der von dem Wahrschauposten am Bankeck gesetzten Flagge wußte, daß Talfahrt kam, dem aber nicht durch einen Kurs Rechnung trug, der ein Verfallen in den Weg der Talfahrt ausschloß.
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