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Leitsatz:
Mußte die - unbeschädigt gebliebene - Ladung eines bei einer Kollision beschädigten Schiffes zum Weitertransport übergeschlagen werden, so steht dem Ladungseigentümer wegen der ihm hierdurch entstandenen Kosten kein Schadensersatzanspruch gegen den Schiffer oder den Eigner des anderen Fahrzeugs zu, das den Unfall verschuldet hat.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 7. Juni 1979
II ZR 132/77
(Schiffahrtsgericht Mainz; Schiffahrtsobergericht Karlsruhe)
Zum Tatbestand:
Das mit - der Klägerin gehörendem - Heizöl beladene MTS H der Streithelferin wurde bei Frankfurt von dem der Beklagten zu 1 gehörenden und vom Beklagten zu 2 geführten MTS C schuldhaft angefahren und erhielt ein größeres Leck, dessen unterer Rand etwa 30 cm über dem Wasserspiegel lag. Wegen behördlichen Verbotes der Weiterfahrt wurde die unbeschädigt gebliebene Ladung auf ein anderes Schiff umgeschlagen, wodurch über 7300,- DM Kosten entstanden.
Die Klägerin verlangt den in einer Dispache als Ladungsbeitrag ausgewiesenen Betrag von ca. 4000,- DM von den Beklagten, die jedoch sowohl den Fall einer großen Havarei als auch die Haftung für den hier nach ihrer Ansicht vorliegenden Vermögensschaden bestreiten.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
1. Daß die Klägerin und die Streihelferin die Kosten für das Überschlagen der Heizölladung nach den Vorschriften über die Große Haverei (§§ 78 f. BinnSchG) aufgeteilt haben, ist für den Streitfall selbst dann ohne Bedeutung, wenn der Fall der Großen Haverei tatsächlich vorgelegen haben sollte, was die Beklagten substantiiert bestritten haben und das Schiffahrtsobergericht offengelassen hat. Die §§ 78 f. BinnSchG regeln nur die rechtlichen Beziehungen der Personen, die an der Großen Haverei beteiligt sind (ebenso die §§ 700 f. HGB). Sie begründen hingegen keine Ansprüche zwischen diesem Personenkreis und einem Dritten, der die gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung schuldhaft herbeigeführt hat (vgl. auch Schups/Abraham, Seerecht 4. Aufl. Bd. 1 Zweiter Teil § 702 Rnr. 2 und 5; Prüssmann, Seehandelsrecht § 702 Anm. C).
2. Dem Vorbringen der Klägerin läßt sich nicht entnehmen, daß die Ladung hätte übergeschlagen werden müssen, um sie vor einem unmittelbar drohenden Verlust zu retten oder vor einer unmittelbar bevorstehenden Beschädigung zu bewahren. Zwar hat die Klägerin mehrfach vorgetragen, an der Leckstelle sei ein starker Wassereinbruch zu befürchten gewesen, der Schiff und Ladung gefährdet und zu einem sofortigen Überpumpen des Heizöls auf ein anderes Fahrzeug genötigt habe. Jedoch hat sie gegenüber dem Hinweis der Beklagten auf die Lage des Lecks und auf das erst am Tage nach der Anfahrung und nach der Verfügung eines Fahrverbots erfolgte Überschlagen der Ladung nicht dartun können, wieso diese durch ein Loch, das sich nicht in den Laderäumen, sondern in der Achterpiek befunden und 30 cm über dem Wasserspiegel geendet hat, unmittelbar gefährdet gewesen sein soll, zumal MTS C sich nicht in Fahrt befand, sondern auf dem Main stillag. Es ist daher nur zu entscheiden, ob der Ladungseigentümer von dem Eigner und Schiffer des schuldigen Schiffes die Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die ihm durch das Überschlagen der Ladung zum Weitertransport an den Bestimmungsort entstanden sind.
3. Entgegen der Ansicht der Revision liegt in einem solchen Falle keine Eigentumsverletzung des schuldigen Schiffsführers im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB vor (für welche der Schiffseigner gern. §§ 3, 4 BinnSchG ebenfalls einzustehen hätte). Das Eigentum kann zwar nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz (woran es hier fehlt) verletzt werden, sondern unter Umständen auch durch eine sonstige, die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache (BGHZ 55, 153, 159)1). Demgemäß hat der Senat in dieser Entscheidung eine Eigentumsverletzung darin erblickt, daß eine Schute, die infolge des Einsturzes einer Ufermauer über acht Monate in einem Fleet „eingesperrt" gewesen ist, als Transportmittel praktisch ausgeschaltet und damit ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen war. Um einen Eingriff in die Verwendungsbefugnis der Klägerin geht es hier aber nicht. Das ist offenbar auch die Ansicht der Revision. Sie bejaht eine Verletzung des Eigentums der Klägerin an der Heizölladung deshalb, weil das Gut infolge der Anfahrung des MTS C nicht mehr „bestimmungsgemäß" habe weiter befördert werden können, sondern eine „unfreiwillige", mit Kosten verbundene Umladung nötig gewesen sei. Sie nimmt demnach eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bereits dann an, wenn der Eigentümer die Beförderung einer Sache nicht mit einem ganz bestimmten Fahrzeug vollständig durchführen lassen kann, sondern - wegen der Beschädigung dieses Fahrzeugs durch einen Dritten - auf ein anderes Fahrzeug zurückgreifen muß. Das hindert aber den Eigentümer nicht, die Sache gemäß seinen Absichten von dem Absendeort zu dem Bestimmungsort verbringen zu lassen, sondern zwingt ihn nur, hierfür - möglicherweise - finanziell mehr aufzuwenden. Damit wird deutlich, daß es sich insoweit um einen reinen Vermögensschaden handelt, der von einem Dritten nicht nach § 823 Abs. 1 BGB ersetzt verlangt werden kann.
4. Ebensowenig kann die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB der Klage zum Erfolg verhelfen. Nach dieser Bestimmung ist derjenige,welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz schuldhaft verstößt, diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Revision meint, ein solches Gesetz sei in der Vorschrift des § 1.04 BinSchStrO zu sehen, gegen welche der Beklagte zu 2 - was unstreitig ist - bei der Anfahrung des MTS C verstoßen hat. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Vorschrift will das Leben und die Gesundheit vor Gefahr, die Schiffahrt vor Behinderungen sowie das Eigentum an Fahrzeugen, Schwimmkörpern, Anlagen und Einrichtungen an und in der Wasserstraße einschließlich an dieser selbst schützen. Nicht erkennbar ist hingegen, daß sie auch den Schutz des Vermögens der Personen bezweckt, deren Güter auf der Wasserstraße befördert werden. Auch die Revision vermag hierzu nichts wesentliches vorzutragen. Sicher ist der Schiffsverkehr nicht um seiner selbst willen da, sondern für den Transport von Gütern und Personen. Das gestattet es jedoch noch nicht, den auf bestimmte Rechtsgüter begrenzten Schutzzweck einer schiffahrtspolizeilichen Vorschrift, auf andere Rechtsgüter auszudehnen. Deshalb umfaßt der „Schutzbereich des § 1.04 BinnSchStrO" nicht auch einen Schaden der vorliegenden Art, wie die Revision meint."