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Leitsatz:
Die Frage, ob die fehlerhafte Fahrweise des an einem Stillieger vorbeifahrenden Fahrzeugs einen Schaden verursacht hat, bedarf, soweit kein Anscheinsbeweis eingreift, umfassender richterlicher Würdigung. Eine mangelhafte Befestigung des Stilliegers ist seitens des vorbeifahrenden Fahrzeugs zu beweisen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 2. April 1990
II ZR 131/89
(Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Ausrüsterin des TMS „E". Das 2000 t große Schiff lag am 3. Oktober 1986 — Kopf zu Berg — mit etwa 900 t Schmutzwasser zum Löschen an zwei Dalben das linksrheinisch befindlichen Steigers der Fa. B. Es hatte den Backbordbuganker querab sitzen und war an der Steuerbordseite mit einem Vorausdraht, einem Laufdraht und
einem Beidraht festgemacht. Laufdraht und Beidraht waren schiffseigen sowie 24 mm beziehungsweise 22 mm stark. Der 22 mm starke Vorausdraht hatte beim Anlegen an einem Dalbenhaken gehangen und war an Land bereits befestigt. Kurz nach Beginn der Löscharbeiten brach der Vorausdraht des TMS „E". Nach der Behauptung der Klägerin ist ihr, vor allem aber der Fa. B. — insoweit klagt die Klägerin aus abgetretenem 'Recht — dadurch ein Schaden von 50112,— DM entstanden. Diesen Betrag verlangt sie von dem Beklagten als Eigner und Schiffer des MS „M" (73 m lang; 8,24 m breit; Tragfähigkeit 1000 t; Maschinenleistung 441 kW) ersetzt. Ihm wirft die Klägerin vor, daß er — mit seinem leeren Fahrzeug (gemittelter Tiefgang 0,69 m) auf dem Rhein zu Tal fahrend — TMS „E" mit zu hoher Geschwindigkeit passiert und hierdurch den Drahtbruch verschuldet habe.
Der Beklagte bestreitet jede Schuld an dem Unfall. Er sei mit langsamer Drehzahl rechtsrheinisch zu Tal gefahren. Ferner hätten sich noch andere Fahrzeuge im Revier befunden. Auch sei TMS „E" nicht ordnungsgemäß befestigt gewesen und der gebrochene Draht nicht vorgelegt worden.
Das Rheinschiffahrtsgericht und das Rheinschifffahrtsobergericht haben die Klage abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Streitsache an das Berufungsgericht.
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Beklagte mit seinem MS „M" an TMS „E" unter Mißachtung der Vorschrift des § 6.20 Nr. 1 RheinSchPV vorbeigefahren ist.
.... Es hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, daß das an dem Steiger der Fa. B. löschende TMS „E" ordnungsgemäß befestigt gewesen sei.
... Die Frage, ob ein Stillieger durch vermeidbaren Wellenschlag oder Sog eines vorbeifahrenden Fahrzeugs schädlich betroffen worden ist, ob also dessen fehlerhafte Fahrweise einen an dem Stillieger (oder außerdem — wie hier — an einer Anlage) eingetretenen Schaden verursacht hat, ist, soweit kein Anscheinsbeweis eingreift, für die haftungsbegründende Kausalität unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung des Gerichts zu entscheiden (§ 286 ZPO). An einer solchen umfassenden Würdigung fehlt es aber seitens des Berufungsgerichts, wie die Revision mit Recht rügt.
... Bei der erneuten Verhandlung wird die Klägerin Gelegenheit haben, auf die von der Revision gerügte Nichterhebung eines Sachverständigengutachtens sowie auf deren zutreffenden Hinweis zurückzukommen, daß die Frage einer nicht ordnungsgemäßen Befestigung des TMS „E" (vor allem) eine solche des Mitverschuldens auf Seiten der Klägerin (§ 254 BGB) und es im Rahmen dieser Vorschrift Sache der Beklagten ist, eine mangelhafte Befestigung des TMS „E" zu beweisen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.4 (Sammlung Seite 1292); ZfB 1990, 1292