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II ZR 131/59 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 30.01.1961
Numéro de référence: II ZR 131/59
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsatz:

Gewährt das Fahrwasser unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände unzweifelhaft hinreichenden Raum für die Vorbeifahrt, so liegt keine Stromenge vor; dies gilt auch dann, wenn das Fahrwasser durch den übrigen Verkehr verengt ist. Für das Begegnen und Überholen unter festen Brücken gelten, soweit nicht die Bestimmungen des § 64 Nr. 2 bis 4 RheinSchPolVO eingreifen, die Vorschriften des Abschnitts IV. Überholen zwei Gegenfahrer je ein anderes Schiff, so ist für die Frage des Vorrechts des Gegenfahrers gegenüber dem überholenden (s. dazu Urteil des BGH II ZR 208/58 veröffentlicht in ZfB 1960, S. 281) lediglich der Teil des Fahrwassers zu berücksichtigen, in dem sich die beiden Gegenfahrer begegnen. Es bleibt dahingestellt, ob allgemein von einem solchen Vorrecht gesprochen werden kann und wenn es ggf. zusteht, wenn sich die beiden Gegenfahrer zwischen den Schiffen, die überholt werden, begegnen. Befinden sich beide Gegenfahrer auf ein und derselben Seite dieser Schiffe, so kommt für die Frage des Vorrechts nur die Überholung des seitlich am nächsten liegenden Schiffes in Betracht.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 30. Januar 1961

II ZR 131/59

 

Zum Tatbestand:

Am Unfalltage begegneten oder überholten sich in der 150 m breiten Öffnung der Baerler Brücke folgende Einheiten: Zu Berg fuhr linksrheinisch das MS „A" mit Anhang „A 1". Mehr im rechtsrheinischen Fahrwasser fuhr zu Tal der Schlepper „B" mit Kahn „B 1". Auf seiner Steuerbordseite wurde dieser Schleppzug überholt von dem der Klägerin gehörenden Motorschiff „C". Dieses stieß im Bereich der Brückenöffnung in dem Raum zwischen dem Schleppzug „B" und dem rechten Brückenpfeiler (festgestellt auf etwa 35 bis 50 m) mit dem entgegenkommenden Motorschiff „D", und zwar jeweils mit dem Steuerbordvorschiff, zusammen. MS „D" gehört der Beklagten zu 1 und wurde vom Beklagten zu 2 geführt.

In den Vorinstanzen wurde der Klage auf Schadensersatz dem Grunde nach zu 2/3 stattgegeben. Die Revision führt zur Zurückverweisung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Unhaltbar ist die Meinung der Anschlussrevision, dass auch eine Verengung des Fahrwassers, die durch andere im Raum befindliche Schiffe herbeigeführt wird, zu einer „Stromenge" führe. Das ergibt sich schon daraus, dass in § 41 RhSchPolVO allein auf das Fahrwasser und nicht, wie in § 37, auch auf den übrigen Verkehr abgehoben ist. Das Berufungsgericht hat auch recht, wenn es ausführt, dass die ganz besonderen Verhaltensmaßregeln, die § 41 den zu Berg und zu Tal fahrenden Schleppzügen oder Einzelfahrern auferlegt, es verbieten, den Begriff der Stromenge über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auszulegen. Wird das Fahrwasser durch den übrigen Verkehr verengt, so ist § 37 Nr. 1 und nicht § 41 anzuwenden.

§ 64 Nr. 1 bestimmt, dass in einer Brückenöffnung das Begegnen und Überholen nur gestattet ist, wenn das Fahrwasser unzweifelhaft hinreichenden Raum für die gleichzeitige Durchfahrt gewährt. Die Vorschrift wiederholt wegen der besonderen Gefahrenlage, die Brücken für die Schifffahrt mit sich bringen können, die Bestimmung des § 37 Nr. 1 (Kählitz RhSchPVO (64 Anm. 1); sie ist an sich überflüssig, hat jedenfalls keine selbständige Bedeutung. Auch für das Begegnen und Überholen in einer Brückenöffnung gelten, soweit nicht die Bestimmungen des § 64 Nr. 2 bis 4 eingreifen, die Vorschriften des Abschnitts IV.

Insbesondere ist daher bei der Entscheidung der Frage, ob das Fahrwasser unzweifelhaft hinreichenden Raum für die gleichzeitige Durchfahrt unter einer Brücke gewährt, gemäß § 37 Nr. 1 der übrige Verkehr zu berücksichtigen.

Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, dass sich zwei Fahrzeuge begegnen, die gleichzeitig je ein anderes Schiff überholen. In einem solchen Falle ist für die Frage des Vorrechts des Gegenfahrers gegenüber dem Überholenden (vgl. dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Mai 1960, II ZR 208/ 58, VersR 1960, 594, Anm. der Redaktion: auch veröffentlicht in ZfB 1960, S. 281) lediglich der Teil des Fahrwassers zu berücksichtigen, in dem sich die beiden Gegenfahrer begegnen. Wie zu entscheiden ist, wenn sich die beiden Gegenfahrer zwischen den Schiffen, die überholt werden, begegnen, kann hier dahingestellt bleiben. Liegen die Schiffe, die überholt werden, nicht zwischen, sondern auf ein und derselben Seite der beiden Gegenfahrer, so kommt für die Frage, wem von diesen das Vorrecht zusteht, lediglich die Überholung des den sich begegnenden beiden Fahrzeugen am nächsten liegenden Schiffes in Betracht.

Bei der Entscheidung des vorliegenden Falles hat der linksrheinisch hochziehende „A"-Schleppzug außer Betracht zu bleiben. Die Begegnung und Überholung von „D" und „C" mit dem „B"-Talzug spielte sich im rechtsrheinischen Fahrwasser ab. Der „A"-Zug wurde von dieser Begegnung und Überholung nicht berührt; insbesondere ist der Umstand, dass er in weitem Abstand, getrennt durch den dazwischen fahrenden „B"-Talzug, von „D" überholt wurde, belanglos. Es kommt allein auf die Frage an, ob der Raum zwischen dem „B"-Zug und dem rechten Brückenpfeiler für eine Vorbeifahrt unzweifelhaft hinreichte und, wenn dies zu bejahen ist, ob das diesem Zug begegnende MS „D" oder das ihn überholende MS „C" das Vorrecht für die Vorbeifahrt an ihm hatte. Da das Vorrecht dem begegnenden MS „D" zustand, wie noch auszuführen sein wird, kann das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben, als die Beklagten verurteilt worden sind.

Bei der Entscheidung der Frage, ob der Raum für die Begegnung des MS „D" mit dem „B"-Zug unzweifelhaft hinreichte, wird das Berufungsgericht in der erforderlichen erneuten Verhandlung u. a. zu berücksichtigen haben, dass „D" nur 6,20 m breit ist und sich in zügiger Bergfahrt befand, also gut gesteuert werden konnte. Dagegen hat es in diesem Zusammenhange außer Betracht zu bleiben, dass „C" gleichzeitig den Talzug überholte. Sollte das Berufungsgericht ggf. nach Anhörung eines Sachverständigen zu der Überzeugung kommen, dass für die Begegnung nicht unzweifelhaft hinreichend Raum vorhanden war, so liegt in dem Verhalten der Schiffsführung von „D" ein objektiver Verstoß gegen § 37 Nr. 1. Da diese Vorschrift insbesondere den Schutz der übrigen im Gefahrenbereich befindlichen Schiffe bezweckt, stellt sie sich als Schutzvorschrift im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, soweit eines dieser Schiffe Schaden erleidet. Mit dem objektiven Verstoß gegen das Schutzgesetz wird gleichzeitig eine Vermutung für das Verschulden der Schiffsführung von „D" begründet, das diese dann zu entkräften hat.

Reichte der Raum für die Begegnung nicht aus, so liegt der Schluss nahe, dass der Raum auch für das alleinige Überholen durch „C" nicht hinreichte. Denn der überholende 9,47 m breite, leere, dem Westwind viel stärker ausgesetzte TalFahrer „C" war bedeutend schwerer zu steuern als das zu Berg fahrende MS „D", so dass der Talfahrer zur Vorbeifahrt einen breiteren Raum benötigte als der Bergfahrer. „C" hätte dann schon dadurch, dass es in die Brückenöffnung hineinfuhr, gegen § 37 Nr. 1 verstoßen.

Wenn Überholen und Begegnen zusammentreffen und für beide gleichzeitige Manöver nicht unzweifelhaft hinreichend Raum vorhanden ist (wie das im vorliegenden Fall unbestritten, auch vom Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt ist), so hat der Gegenfahrer (hier „D") das Vorrecht.

Die Schiffsführung von „C", die selbst davon ausging, dass hinreichender Raum für die Vorbeifahrt vorhanden war, musste damit rechnen, dass ein Gegenfahrer unter der Brücke die Begegnung mit dem „B"-Zug vollziehen würde. Aus diesem Grunde durfte sie keinesfalls unter der Brücke überholen und musste sie von vornherein ihre nautischen Maßnahmen so treffen, dass sie nicht, etwa wegen des starken Westwindes und der dadurch vielleicht gebotenen Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit, zum Überholen unter der Brücke gezwungen war. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis recht, wenn es ausführt, die Schiffsführung von „C" hätte sich mit ihrem leeren Schiff schon von oben her in genügendem Abstand von dem Talzug halten müssen, so dass sie gar nicht in die Gefahr einer zunächst unbeabsichtigten Überholung in der Brücke kommen konnte. Ergänzend kann hinzugefügt werden, dass der Schiffsführer von „C", als er bemerkte oder jedenfalls damit rechnen musste, dass er infolge seiner hohen Fahrstufe unter der Brücke nicht hinter dem Talzug würde zurückbleiben können, rechtzeitig vor der Brücke hätte aufdrehen müssen. Dadurch, dass der Schiffsführer von „C" das Vorrecht des Gegenfahrers verletzte, hat er schuldhaft die weit überwiegende Ursache für den Zusammenstoß gesetzt.

Sein Verschulden wiegt um so schwerer, als die Strecke nach der Feststellung des Berufungsgerichts infolge der starken Stromkrümmung und des Brückenpfeilers unübersichtlich war und der Schiffsführer des zu Tal fahrenden MS „C" durch seine hohe Fahrt gleichzeitig die Vorschrift des § 55 verletzte.
Mit Recht macht das Berufungsgericht dem Schiffsführer von „C" ferner zum Vorwurf, dass er nicht wenigstens gemäß § 43 Nr. 2 rechtzeitig akustisches Überholsignal gegeben habe.

Auch wenn unterstellt wird, dass für die Begegnung von „D" mit dem „B"-Zug unzweifelhaft hinreichend Raum zur Verfügung stand, so ist ein schuldhaft ursächliches Verhalten der Schiffsführung von „D" weiter unter folgenden Gesichtspunkten zu prüfen:

Das Berufungsgericht hält die „zügige Fahrt" des MS „D" (nach den nicht bestrittenen Angaben seines Schiffsführers 9 km/h) für fehlerhaft. Dem kann nicht zugestimmt werden. Eine zügige Fahrt war vielmehr im Hinblick auf das unstreitig unterhalb des Brückenpfeilers vorhandene Neerwasser geboten. Die Ansicht des Berufungsgerichts wird von seinem rechtfehlerhaften Standpunkt beeinflusst, dass die Schiffsführung von „D" allgemein (ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles) damit hätte rechnen müssen, dass ein Talfahrer den „B"-Zug in der Brückenöffnung überholen würde. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte „D" überhaupt nicht in die Brückenöffnung einfahren dürfen. Dem ist aber nicht so. Vielmehr durfte die Schiffsführung von „D" darauf vertrauen, dass ein Talfahrer nicht unter Missachtung ihres Vorrechts den „B"-Zug unter der Brücke überholen würde.

Nun ist freilich das Berufungsgericht der Meinung, der Schiffsführer von „D" habe erkennen können, dass „C" den „B"-Zug überholen wolle und daher mit der Vorbeifahrt an dem überholenden MS „C" in der Brückenöffnung habe rechnen müssen. Da es nahe liegt, dass die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts von seiner Verkennung des Vorrechts des Bergfahrers beeinflusst wird, kann schon aus diesem Grund das angefochtene Urteil nicht aufrecht erhalten werden, soweit es ein schuldhaftes Verhalten der Schiffsführung von „D" annimmt. Aber auch im Übrigen genügen, wie die Revision zutreffend rügt, die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, um ein schuldhaft ursächliches Verhalten dieser Schiffsführung anzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass der Schiffseigner von „C" für die Tatsachen, aus denen ein Schluss auf ein ursächliches Verschulden der Schiffsführung von „D" hergeleitet werden soll, beweispflichtig ist.