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Leitsätze:
1) Folgen eines „Wettrennens" zweier Schleppzüge auf der Gebirgsstrecke.
2) Das Verbot der Fahrt auf gleicher Höhe gilt für beide Parallelfahrer, gleichgültig, wer von ihnen zunächst voraus war und wer überholen will.
3) Mitverschulden des Schiffsführers eines eingeholten Schiffes, der es zu einer Parallelfahrt der Schleppzüge infolge Nichtherabsetzung seiner Geschwindigkeit hat kommen lassen, auch wenn die Parallelfahrt verbotswidrig durch den Überholer erzwungen worden ist.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 2. Dezember 1968
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte MTS V mit dem MTS A und dem kleinen MTS C im Anhang versuchte nach einem vergeblichen Versuch erneut in Höhe von Niederheimbach den vorausfahrenden Bergschleppzug der Klägerin, bestehend aus Boot B1 und Kahn B19, an dessen Steuerbordseite zu überholen. Als V etwa in Höhe von B19 war, scherte dieser Kahn nach Backbord aus und kollidierte mit 2 Anhangkähnen des zu Tal fahrenden R-Schleppzuges, der aus Boot R1 sowie den Kähnen F (bb) und R34 (stb) auf erster und den Kähnen S (bb) und Vu (stb) auf zweiter Länge bestand. An allen Anhängen des Talzuges außer an Vu entstanden Schäden, die die Klägerin abgefunden hat und nunmehr neben den Schäden an B19 in Höhe von insgesamt rd. 50000,- DM geltend macht.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage zur Hälfte dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt und im übrigen abgewiesen. Berufungen und Revisionen beider Parteien bleiben erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht sieht einen Verstoß des Beklagten gegen die Vorschrift des § 37 Nr. 1 RhSchPVO sowohl darin, daß er nach seinem ersten (rechtsrheinischen) Überholversuch sein Überholmanöver nicht abgebrochen habe, als insbesondere darin, daß er auch nach dem zweiten (linksrheinischen) Überholversuch, während der „Braunkohle"-Schleppzug seine Fahrt verminderte und anschließend mit verstärkter Fahrt den Übergang machte, sein Überholen nicht so rechtzeitig abgebrochen habe, daß die Sogwirkung von V auf B19 ausgeschlossen gewesen wäre. Die Voraussetzung für ein zulässiges Überholen, daß unzweifelhaft hinreichender Raum für die ganze Dauer des Überholens vorhanden sein müsse, sei nicht gegeben gewesen. Die Fortsetzung des rechtsrheinisch nicht gelungenen Überholversuchs habe dazu geführt, daß der „Schweizer"-Schleppzug entgegen dem Verbot des § 107 RhSchPVO zunächst 2 km lang mehr oder weniger auf gleicher Höhe mit dem „Braunkohle Schleppzug gefahren sei, wodurch er die erste Ursache für den späteren Unfall gesetzt habe. Durch seine Fahrweise habe der Beklagte zugleich den „Braunkohle"-Schleppzug daran gehindert, den für seine Abladetiefe gebotenen Weg einzuschlagen und hierzu den üblichen Übergang zu benutzen. Darin liege ein Verstoß gegen § 37 Nr. 2 RhSchPVO.
Die Angriffe der Revision der Beklagten gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts haben keinen Erfolg. Entscheidend ist, daß der Beklagte mindestens 2 km lang auf gleicher Höhe mit dem B-Schleppzug fuhr, wobei er erneut die Überholflagge gesetzt hatte, und daß er seinen linksrheinischen Überholversuch nicht rechtzeitig abgebrochen hat. Darin hat das Berufungsgericht mit Recht einen Verstoß gegen §§ 107, 37 Nr. 1 RhSchPVO gesehen, der zum Ausscheren von B19 und damit zu den Kollosionen geführt hat. Das verbotene Fahren der beiden Schleppzüge auf gleicher Höhe wird entgegen der Meinung der Revision nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Schleppzug der Beklagten vor der Fahrtverminderung des B-Schleppzuges etwas zurückgefallen war. Das absolute Verbot des § 107 RhSchPVO will auf der Gebirgsstrecke gerade auch das gefährliche Parallelfahren zweier Schleppzüge ausschließen, bei dem der eine nicht genügend schneller fahren kann als der andere. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob je nach den Strom- und Verkehrsverhältnissen der eine oder andere einmal geringfügig vorauskommt oder zurückbleibt. Der Beklagte kann sich nicht damit entschuldigen, zu der langen Fahrt auf gleicher Höhe sei es nur deshalb gekommen, weil der B-Schleppzug vorschriftswidrig seine Geschwindigkeit nicht vermindert habe. Der Beklagte hat erkannt oder mußte erkennen, daß ihn der B-Schleppzug nicht vorbeilassen wollte, da dieser nach der Verminderung seiner Geschwindigkeit, die wegen des Überholens der beiden Motorschiffe und wegen des zu erwartenden Talverkehrs nach den örtlichen Umständen geboten war (§ 44 Nr. 2 RhSchPVO), seine Fahrt wieder erhöhte und den Übergang nach linksrheinisch machte. Jedenfalls von diesem Augenblick an konnte der Beklagte nicht mehr die Gewißheit haben, daß sein Überholmanöver ohne Gefahr werde durchgeführt werden können (§ 42 Nr. 1 Satz 1 RhSchPVO). Er war daher verpflichtet, das Fahren auf gleicher Höhe und damit sein linksrheinisches Überholmanöver sofort abzubrechen.
Dem Schiffsführer von B1 wirft das Berufungsgericht zunächst vor, er habe pflichtwidrig beim ersten (rechtsrheinischen) Überholmanöver des Beklagten seine Fahrt nicht vermindert. Entgegen der Meinung der Revision der Klägerin kommt es dabei nicht darauf an, ob der „Schweizer"-Schleppzug einen für das Überholen genügenden Geschwindigkeitsunterschied hatte. Nachdem dieser Schleppzug den B-Schleppzug eingeholt hatte und ihm auf dessen Steuerbordseite draufgefahren war, mußte der Führer des B-Schleppzuges nach § 44 Nr. 1, RhSchPVO seine Geschwindigkeit vermindern. Das hat er nicht getan.
Mit Recht hat das Berufungsgericht ein ursächliches Mitverschulden des Schiffsführers von B1 darin gesehen, daß er es zu einer Parallelfahrt der Schleppzüge habe kommen lassen, selbst wenn diese durch den Beklagten verbotswidrig erzwungen worden sei. Das Verbot der Fahrt auf gleicher Höhe (§ 107 RhSchPVO) gilt für beide Parallelfahrer, gleichgültig, wer von ihnen zunächst voraus war und wer überholen will. Vermindert der den anderen Schleppzug einholende Schleppzug, dessen Vorausfahrt zum Überholen nicht ausreicht, seine Fahrt nicht, um die Parallelfahrt zu vermeiden, so hat der andere Schleppzug seine Fahrt herabzusetzen. Daran ändert sich entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin nichts, wenn einer von beiden ein unzulässiges Überholmanöver ausführt. Durch die Fahrtverminderung dessen, der unzulässigerweise überholt wird, wird nicht die Übertretung des Verbots durch den anderen unterstützt, wie die Revision der Klägerin meint, sondern der Sicherheit des Verkehrs pflichtgemäß Rechnung getragen.
Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Führer von B1 hätte mindestens rechtzeitig vor seinem Übergang Sperrsignal (§ 42 Nr. 2) geben müssen, um die Situation eindeutig zu klären und den Beklagten zu veranlassen, zurückzubleiben, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ein Sperrsignal muß unbedingt beachtet werden, die Berechtigung des Signals ist nicht nachzuprüfen (Kählitz, Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen Bd. II, § 42 RhSchPVO Anm. 4). Die Klägerin hat daher nicht mit ihrem Vorbringen gehört werden können, das Signal wäre vom Beklagten nicht beachtet worden. Der Beklagte hat auch nach der Feststellung im angefochtenen Urteil (S. 14) auf die Zurufe und Winke seine Geschwindigkeit herabgesetzt. Allerdings war das zu spät."