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II ZR 117/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 03.12.1964
Numéro de référence: II ZR 117/63
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Zur akjektizischen Haftung des Schiffseigners: Rechtskraftwirkung des die Klage gegen den Schiffsführer abweisenden Urteils hinsichtlich der Haftung des Schiffseigners.

2) Zur Auslegung von Verladungsscheinklauseln und von allgemeinen Transportbedingungen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 3. Dezember 1964

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg/Ruhrort/Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Die Beklagten zu 1, eine holländische Frachtführerin, mietete zur Durchführung eines Transportes von 565 t Briketts im Auftrage der Klägerin, einer holländischen Verladerfirma, von Born nach Stuttgart das dem belgischen Beklagten zu 3 gehörende und von diesem mit Personal ausgerüstete MS „A". Das zunächst von Kapitän „B" geführte Schiff wurde nach einer auf der Maas erlittenen Havarie von einem neuen Schiffsführer, dem Beklagten zu 2, übernommen. Auf der Weiterfahrt rakte MS „A auf dem Rhein bei km 826, lief vorn voll Wasser und wurde auf Grund gesetzt. Unstreitig beruhte die Havarie auf zu tiefer Abladung. Die zum Teil beschädigte Ladung wurde in einen Leichter umgeladen, nach Duisburg gebracht und von dort mit zwei anderen Schiffen nach Stuttgart befördert. Die Klägerin als Ladungseigentümerin verlangt die Freistellung von allen Kosten und Ansprüchen Dritter aus dem Transport von Rhein-km 826 bis Stuttgart. Sie behauptet, daß die Beklagten zu 1 und 2 die zu tiefe Abladung gekannt und dadurch grobfahrlässig gehandelt hätten, dat3 sie das Schiff auf Reise geschickt bzw. auf dieser Reise geführt hätten. Für das Verschulden des Beklagten zu 2 hafte der Beklagte zu 3, den auch ein eigenes Verschulden wegen falscher Auswahl des Beklagten zu 2 als Schiffsführer treffe, weil dieser schon pensioniert und zu alt gewesen sei, um das Schiff ordnungsgemäß zu führen.
Die Beklagten bestreiten jedes Verschulden und berufen sich auf ein von der Beklagten zu 1 ausgestelltes, von der Klägerin unterschriebenes „Konnossement", in welchem der Empfang der Güter auf Grund der vom Versender und Empfänger anerkannte Übernahme- und Konnossementsbedingungen sowie derjenigen der am Transport beteiligten Unternehmen bescheinigt worden ist. Durch § 18 Nr. 1 der Konossementsbedingungen (KB) sei die Reederei und der Schiffer von der Haftung für Verlust oder Beschädigung der Güter oder sonstige Nachteile weitgehend freigezeichnet, was sich auch auf alle außervertraglichen Ansprüche beziehe.
Die Klägerin bestreitet, daß die KB kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen anzuwenden seien, jedenfalls nicht zugunsten des Beklagten zu 3.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 abgewiesen, der Klage gegen den Beklagten zu 3 jedoch stattgegeben. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat auf die Berufung des Beklagten zu 3 auch die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 3 gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts an. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Schiffseignerhaftung ist nach deutschem Recht zu beurteilen, da sich der Unfall auf der deutschen Rheinstrecke ereignet hat. Eine Haftung des Beklagten zu 3 (künftig der Beklagte genannt) nach § 3 BSchG ist jedoch nicht begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1958, 17, 18) schafft § 3 BSchG ebensowenig wie § 485 HGB einen selbständigen Schadensersatzanspruch gegen den Schiffseigner; die Vorschrift setzt nicht nur ein ursächliches Verschulden eines Besatzungsmitglieds voraus, sondern darüber hinaus, daß gegen das Besatzungsmitglied wegen seines Verschuldens ein Anspruch besteht. Die Haftung aus § 3 BSchG ist also zusätzlicher, adjektizischer Natur. Im vorliegenden Fall ist die Klage gegen den Beklagten zu 2 als den Schiffsführer rechtskräftig abgewiesen worden. Damit entfällt die Verantwortlichkeit des Beklagten für den Schaden.
Auch die Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen der von der Klägerin behaupteten mangelhaften Auswahl des Kapitäns ist nach deutschem Recht zu beurteilen, da Tatort einer unerlaubten Handlung nach § 831 BGB auch der Ort ist, wo der Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung dem Dritten widerrechtlich Schaden zugefügt hat. Die Klägerin kann daher ihren Anspruch jedenfalls auf deutsches Recht stützen (BGH WM 1964, 947, 949), das hier sogar vereinbarungsgemäß anzuwenden ist. Darüber besteht auch zwischen den Parteien kein Streit. Der Beklagte haftet an sich nach der Vorschrift des § 831 Abs. 1 BGB, die eine selbständige Haftungsgrundlage gegenüber § 3 BSchG darstellt. Der Beklagte hat den Kapitän zu einer Verrichtung, nämlich zur Führung des Schiffes bestellt. In Ausführung der Verrichtung hat der Kapitän der Klägerin widerrechtlich Schaden zugefügt, indem er unter Verstoß gegen das Schutzgesetz des § 8 Abs. 2 BSchG das Schiff schwerer hat beladen lassen, als es die Wasserstandsverhältnisse gestatteten. Diese Vorschrift dient auch dem Schutz der Ladungsbeteiligten und damit der Klägerin. Durch den Verstoß ist der Schaden der Klägerin, den sie ersetzt verlangt, in adäquater Weise entstanden.

Das Berufungsgericht meint, die Schadensersatzpflicht des Beklagten sei durch die KB ausgeschlossen.

Das „Konnossement" vom 25. September 1959, das nach der Behauptung der Beklagten ausgestellt und von der Klägerin mitunterzeichnet worden ist, ist kein Konnossement (im deutschen Binnenschiffahrtsrecht Ladeschein genannt) im rechtstechnischen Sinn, da nach seinem Inhalt das Beförderungsgut „gegen Lieferschein", also nicht „an den legitimierten Besitzer des Scheins" (§ 72 Abs. 1 BSchG), nämlich des Ladescheins (Konnossements) ausgeliefert werden sollte. Es ist ein Empfangsschein (Verladungsschein) und gleichzeitig auch Beweisurkunde für den Inhalt des zwischen dem Absender (Klägerin), und dem Frachtführer (der Beklagten zu 1) abgeschossenen Frachtvertrages.
Nach den Eingangsworten des Konnossements sollen die Konnossementsbedingungen der Beklagten zu 1 sowie diejenigen der am Transport beteiligten Unternehmen gelten. Das Revisionsgericht kann diese Bestimmung frei auslegen, weil es sich um eine typische Klausel handelt. Bei wörtlicher Auslegung der Bestimmung würden die Konnossementsbedingungen der Beklagten zu 1 und der am Transport beteiligten Unternehmen für alle Beteiligten nebeneinander als vereinbart gelten; das hätte zur Folge, dal3 eine wirksame Vereinbarung von allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt nicht getroffen worden wäre; denn die Bedingungen verschiedenen Inhalts können in der Regel nicht nebeneinander angewendet werden (BGHZ 18, 98, 100 m. w. Nachw.). Jedoch ergibt eine sinngemäße Auslegung, daß im Verhältnis zwischen Absender und der Beklagten zu 1 (Frachtführer) deren Bedingungen, dagegen im Verhältnis zwischen Absender und den am Transport beteiligten Unternehmen die Bedingungen dieser Unternehmen gelten sollen. Der Beklagte war am Transport beteiligt.
Die Beklagte zu 1 hat durch die gewählte Fassung zum Ausdruck gebracht, daß ihre KB nur für das Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Absender gelten sollten; für das Verhältnis des Absenders zu anderen am Transport beteiligten Unternehmen hat sie die Klägerin auf deren Bedingungen hingewiesen. Die anderen Unternehmen können sich im Weg des Vertrages zugunsten Dritter kraft der Vereinbarung zwischen der Beklagten zu 1 und der Klägerin auf ihre etwaigen eigenen Bedingungen berufen.
Der Beklagte kann sich daher auf einen Haftungsausschluß nur berufen, wenn in seine etwaigen eigenen Transportbedingungen der Haftungsausschluß für eigenes Verschulden aufgenommen ist. Hierauf hat zwar die Klägerin den Beklagten bereits in ihrem Schriftsatz vom 1. Juli 1960 S. 3 f hingewiesen. Da aber während des ganzen Rechtsstreits und insbesondere in den Urteilen der Vorinstanzen sonst diese rechtserhebliche Frage nicht erörtert worden ist, ist es angebracht, dem Beklagten Gelegenheit zum ergänzenden Vortrag zu geben (§ 139 ZPO).