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Leitsatz:
Ein Schleppzugführer ist zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet, wenn er ein Motorschiff schleppt, dessen Schraube nicht in Tätigkeit ist und sich wegen seiner kurzen Ruderblätter schwerer als ein Schleppkahn steuern läßt.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 6. Juni 1968
II ZR 114/66
(Rheinschiffahrtsgericht DuisburgRuhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das wegen eines Maschinenschadens, ohne Genehmigung der Schiffsuntersuchungskommission als Schleppkahn eingesetzte MS A des früheren Beklagten zu 1, dessen Schadensersatzpflicht bereits rechtskräftig feststeht, wurde als einziger Anhang durch das der Beklagten zu 2 gehörende, vom Beklagten zu 3 geführte Schleppboot F auf langem Strang zu Berg geschleppt.
Als A das rechtsrheinisch am Grund hochfahrende MS P auf dessen Steuerbordseite überholte, begann A plötzlich nach Strommitte auszulaufen und geriet zwischen die der Klägerin gehörenden leeren Tankleichter M und G, die im Anhang des leeren MTS T zu Tal fuhren. Beide wurden bei der Kollision voneinander getrennt und beschädigt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 abgewiesen. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten zu 2 und 3 blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, A sei auf einer Strecke von 400 m mit seinem Achterschiff in Höhe von P gefahren, wegen der Verminderung des Seitenabstandes der beiden Schiffe auf 15 bis 20 m und des dadurch entstandenen Soges sei es ihm nicht gelungen, an P vorbeizukommen. Die dagegen erhobenen Revisionsangriffe sind unzulässig.
2. Für das Verschulden des Beklagten (zu 3) gegenüber den klägerischen Schiffen spielt es, da die Führer der Kähne M und G keine Schuld trifft, keine Rolle, ob die Führung von A oder P ebenfalls ein Verschulden trifft (§ 92 BSchG, § 735 HGB).
3. Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Beklagte (zu 3) beim Schleppen zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet war. Der Beklagte (zu 3) wußte, daß er ein Motorschiff schleppte, dessen Schraube nicht in Tätigkeit war und das wegen seiner kurzen Ruderblätter sich schwerer steuern ließ als ein Schleppkahn. Er wußte oder mußte als Schleppzugführer jedenfalls wissen, daß sein Anhang hart auf den Wasserstand abgeladen war, was erfahrungsgemäß ein Ausscheren begünstigt.
4. Mit Recht hat das Berufungsgericht aufgrund seiner Feststellungen angenommen, daß der Beklagte (zu 3) seine Pflicht als Schleppzugführer verletzt hat. Entgegen der Ansicht der Revision mußte der Beklagte (zu 3) seinen Anhang insbesondere während des Überholmanövers laufend im Auge behalten. Er hat aber nicht einmal die gefährliche Annäherung der beiden Schiffe bemerkt. A und P fuhren auf einer Strecke von etwa 400 m in nahezu gleicher Höhe. Es waren daher in dieser Zeit bei der unbestrittenen Geschwindigkeit von 7 bis 8 km/st mindestens 3 Minuten vergangen. Da der Beklagte bei den besonderen Umständen des Falles mit dem Ausscheren seines Anhangs bei zu starker Annäherung rechnen mußte, hätte er schon bei Beginn der Annäherung mindestens selbst nach Steuerbord ziehen und seinen Anhang anweisen müssen, nach Steuerbord zu halten."