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Leitsatz:
Eine in Verbindung mit dem nach § 79 Abs. 1 BSchG geltend gemachten Leistungsanspruch erhobene Feststellungsklage, daß auch mögliche Ansprüche aus § 79 Abs. 2 BSchG zu ersetzen sind, kann nicht als Begründung für das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses an einem allgemein gefaßten Feststellungsantrag verstanden werden. Der späteren Geltendmachung einer weiteren, gegenüber dem ursprünglichen Leistungsanspruch erhöhten Forderung kann daher trotz des allgemein gehaltenen Feststellungsurteils die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 1. Juni 1970
II ZR 113/68
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der der Beklagten zu 1 gehörende und vom Beklagten zu 2 geführte Kahn F erlitt durch Raken eine Leckage in Raum 4. Durch eindringendes Wasser wurde auch ein Teil der nicht in Raum 4 untergebrachten Ladung beschädigt.
Die Klägerin verlangt aus übergegangenem und abgetretenem Recht Ersatz des den Ladungsinteressenten entstandenen Schadens von ca. 54 000 sfr. und hat neben dem Leistungsanspruch beantragt „festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind, ... allen weiteren Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin oderRechtsvorgängerin dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, daß der Kahn F bei dem Unfall ... sich nicht in fahrtüchtigem Zustand befand."
Sie hat vorgetragen, daß den Ladungsinteressenten bei Bestehen einer Beitragspflicht nach § 79 Abs. 1 BSchG ein Schadensersatzanspruch nach § 79 Abs. 2 BSchG gegen die Beklagten zustehe.
Die Leistungs- und Feststellungsansprüche wurden dem Grunde nach rechtskräftig als gerechtfertigt anerkannt. Im Betragsverfahren hat die Klägerin weitere Nässe- und Partikularschäden in Höhe von ca. 30 000 sfr. Geltend gemacht. Das Rheinschiffahrtsgericht hat hiervon einen Teilbetrag von ca. 21 000 sfr. zuerkannt, das Rheinschifffahrtsobergericht hat jedoch die gesamte Nachforderung wegen Verjährung abgewiesen. Die Revision der Klägerin
mit dem Ziele der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils wurde zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Zwischen den Parteien ist rechtskräftig festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch haftend verpflichtet sind,..., allen weiteren Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin und deren Rechtsvorgängerinnen dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, daß auf dem Kahn F2 bei dem Unfall in Bonn am 5. November 1955 die Kleppen in den Schottwänden nicht ordnungsgemäß dicht gewesen sind'. Geht man von dem Wortlaut dieses Erkenntnisses aus, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß es die streitige Mehrforderung umfaßt. Das hat das Berufungsgericht auch nicht verkannt. Es meint jedoch, die Formel des Feststellungsurteils sei, insbesondere im Hinblick auf den Inhalt der Klageschrift, dahin auszulegen, daß sie auf einen etwaigen Anspruch der Ladungsinteressenten aus § 79 Abs. 2 BSchG beschränkt sei. Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der Revision kann nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, .das rechtskräftige Urteil mit dem umfassenden Feststellungsanspruch genieße stets den Vorrang', es sei keiner „auf dem zugrunde liegenden Akteninhalt beruhenden Auslegung fähig'.
Worüber in einem Urteil entschieden worden ist, wie weit mithin der Umfang seiner Rechtskraft reicht, ergibt sich aus der Urteilsformel, zu deren Auslegung Tatbestand und Entscheidungsgründe wie auch das in Bezug genommene Parteivorbringen heranzuziehen sind (BGHZ 34, 337. 339; 36, 365, 367). Wenn die Revision den Umfang der Rechtskraft eines Urteils in Fällen der vorliegenden Art allein nach der Urteilsformel bestimmen will, so verkennt sie, daß Urteilsformel u n d Gründe zusammen die Entscheidung bilden und deshalb dem ganzen Inhalt des Urteils zu entnehmen ist, worüber es entschieden hat (Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht 10. Aufl. S. 806).
Die Auslegung des zwischen den Parteien rechtskräftigen Feststellungsurteils hat der Senat selbst vorzunehmen (BGH LM Nr. 54 zu § 322 ZPO). Sie ergibt, daß in dem Urteil allein über einen möglichen Anspruch der Ladungsinteressenten nach § 79 Abs. 2 BSchG entschieden worden Ist.
Aus der Klageschrift ergibt sich mit aller Klarheit, daß der Feststellungsantrag - trotz seines weitergehenden Wortlauts - nur mögliche Ansprüche der Ladungsinteressenten nach § 79 Abs. 2 BSchG erfassen sollte. Wenn demgegenüber die Revision aus einzelnen Wendungen in der Klageschrift und Im Tatbestand des Urteils des Rheinschiffahrtsobergerichts etwas anderes herleiten möchten, so berücksichtigt sie nicht, daß die Wendungen nicht das Feststellungsbegehren, sondern den ursprünglichen Leistungsantrag der Klägerin Im Auge haben. Auch läßt sich entgegen den Darlegungen der Revision dem Tatbestand des Urteils des Rheinschiffahrtsgerichts vom 19. Dezember 1958 nichts für die Auffassung entnehmen, das Feststellungsbegehren habe sich auf sämtliche von dem ursprünglichen Leistungsantrag der Klägerin nicht erfaßte Schäden der Ladungsinteressenten bezogen. Der Hinweis des Rheinschiffahrtsgerichts, die Klägerin verlange Feststellung des weiteren Schadens wegen Beschädigung der Ladung und entstandener Kosten', kann nicht ohne Zusammenhang mit der Klageschrift gesehen werden, auf deren Inhalt das Rheinschifffahrtsgericht bei der Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen hat. Hierin hat die Klägerin aber auf der Grundlage des Havarie-Zertifikates des Sachverständigen G. die Nässe- und Partikularschäden der Ladungsinteressenten auf 54471,10 sfrs beziffert und zum Feststellungsantrag ausgeführt, dieser müsse d e s h a l b gestellt werden, weil die Höhe eines möglichen Anspruchs der Ladungsinteressenten nach § 79 Abs. 2 BSchG noch nicht endgültig feststehe und insoweit am 31. Dezember 1956 der Eintritt der Verjährung drohe. Damit hat die Klägerin aber eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß der Feststellungsantrag lediglich wegen eines möglichen Anspruchs der Ladungsinteressenten nach § 79 Abs. 2 BSchG gestellt werde.
Mit dem Berufungsgericht ist demnach davon auszugehen, daß die streitigen Nässe- und Partikularschäden weder Gegenstand des Feststellungsrechtsstreits noch Gegenstand des Feststellungsurteils waren. Dieses steht daher der Verjährungseinrede der Beklagten nicht entgegen. Auch ist, wie keiner weiteren Erörterung mehr bedarf, der Lauf von Verjährungsfristen hinsichtlich der streitigen Schadensersatzforderung durch die Zustellung der Klageschrift nicht unterbrochen worden. Die Beklagten können deshalb gegen diese Forderung die Verjährungseinrede aus § 117 Nr. 7 BSchG und § 852 Abs. 1 BGB erheben."