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Leitsatz:
Die Berufung gegen das Urteil eines Schiffahrtsgerichtes ist nicht rechtzeitig eingelegt, wenn die Berufungsschrift zwar vor Fristablauf bei dem Oberlandesgericht eingereicht wird, in dessen Bezirk das Schiffahrtsgericht liegt, von dort jedoch erst nach Fristablauf an das zuständige Schiffahrtsobergericht gelangt ist.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 11. Dezember 1978
II ZR 100/78
(Schiffahrtsgericht Bremen; Schiffahrtsobergericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die Beklagten haben gegen ein Urteil des Schiffahrtsgerichts Bremen fristgemäß beim Oberlandesgericht Bremen Berufung eingelegt, das die Akten nach Ablauf der Berufungsfrist an das zuständige Schiffahrtsobergericht Hamburg weitergeleitet hat. Letzteres hat die Berufung als unzulässig verworfen und auch den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen.
Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Nach § 518 Abs. 1 ZPO wird die Berufung durch Einreichung der Berufungsschrift bei „dem Berufungsgericht", somit dem für die Entscheidung zuständigen Gericht, eingelegt. Dieses Gericht war hier das Schiffahrtsobergericht Hamburg (§§ 4, 11 BinnSchVerfG in Verbindung mit § 2 des - 1957 geschlossenen - Abkommens zwischen den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Freie Hansestadt Bremen und Freie und Hansestadt Hamburg „über die örtliche Zuständigkeit der Binnenschiffahrtsgerichte Bremen, Hamburg und Emden sowie des Schiffahrtsobergerichts Hamburg"). Die Revision hält trotzdem die Berufungsfrist für gewahrt, weil die Berufungsschrift vor Fristablauf bei dem Oberlandesgericht Bremen eingegangen ist und dieses Gericht ohne die Regelung in § 2 des genannten Länderabkommens das zuständige Rechtsmittelgericht gewesen wäre. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Entgegen der Ansicht der Revision kommt eine sinngemäße Anwendung des § 13 BinnSchVerfG nicht in Betracht. Die Vorschrift befaßt sich mit dem Fall, daß das Rechtsmittel (Berufung, Beschwerde) gegen die Entscheidung eines Schiffahrtsgerichts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nicht bei dem nach den besonderen Vorschriften des Binnenschiffahrtsverfahrensgesetzes zuständigen Oberlandesgericht eingelegt wird, sondern - entsprechend der allgemeinen Regelung des § 72 GVG - bei dem dem Schiffahrtsgericht übergeordneten Landgericht. Hierzu bestimmt sie, daß dadurch die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht berührt wird (ebenso schon Art. 4 § 3 der Ersten Verordnung vom 30. Januar 1937 zur Durchführung des - bis zum 30. September 1952 geltenden - Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Januar 1937 - RGBI. 1 97 und 101). Damit soll verhütet werden, daß jemand in Binnenschiffahrtssachen allein deshalb einen Nachteil erleidet, weil die Berufungsschrift - entsprechend der allgemeinen Regelung des Instanzenzuges in zivilrechtlichen Streitigkeiten - bei dem dem Schiffahrtsgericht übergeordneten Landgericht eingereicht wird (Senatsbeschl. v. 21. März 1977 - II ZB 3/76, ZfBuW 1977, 328; vgl. auch Koffka, Das Gesetz über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Januar 1937 in Deutsche Justiz 1937, 225, 227). Demgegenüber betrifft der Streitfall einen ganz anderen Punkt. Hier geht es nicht um die Abweichung einer speziellen Verfahrensvorschrift von einer generellen verfahrensrechtlichen Regelung. Denn die Bestimmung eines Oberlandesgerichts zum Rechtsmittelgericht für außerhalb seines Bezirks liegende Schiffahrtsgerichte verwirklicht nur die von vornherein in § 3 BinnSchVerfG allgemein vorgesehene Möglichkeit, die Verhandlung und Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Schifffahrtsgerichte auf einzelne, in Schiffahrtssachen erfahrene und sachkundige Oberlandesgerichte zu konzentrieren, was übrigens erstmals schon alsbald nach der im Jahre 1937 erfolgten Einführung von Binnenschiffahrtsgerichten geschehen ist (vgl. Art. 4 § 2 der bereits erwähnten Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Verfahren in Binnenschiffahrtssachen vom 30. Januar 1937 sowie Art. 2 der Dritten Durchführungsverordnung vom 30. März 1939 - RGBI. 1 711 und Art. 3 der Vierten Durchführungsverordnung vom 26. Juni 1941 - RGBI. 1 351 zu diesem Gesetz). Eine solche ganz anders liegende Zuständigkeitsregelung erlaubt es aber nicht, auf sie die auf einen bestimmten anderen verfahrensrechtlichen Sachverhalt zugeschnittene Regelung des § 13 BinnSchVerfG sinngemäß anzuwenden.
b) Die Ansicht der Revision, zu Gunsten der Beklagten sei von einer rechtzeitigen Einlegung der Berufung auszugehen, läßt sich auch nicht auf die von ihr angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 27. April 1978 - X ZB 3/78 (BGHZ 72, 1 = NJW 1978, 2275) und vom 30. Mai 1978 - KZR 12/77 (BGHZ 71, 367 = NJW 1978, 2096) stützen. Die erste Entscheidung befaßt sich mit der Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts in einer - vermeintlichen - Patentstreitsache, der gegen das Urteil einer Patentstreitkammer Berufung an das zuständige Oberlandesgericht eingelegt hat, wozu er aber nur befugt war, wenn die Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 Satz 2 PatG vorlagen. Die Entscheidung gibt für den Streitfall nichts her. Hingegen betrifft die zweite Entscheidung die Frage, ob eine Berufung, über die der Kartellsenat eines bestimmten Oberlandesgerichts zu entscheiden hat, fristwahrend auch bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen (anderer.) Oberlandesgericht eingelegt werden kann. Das wird bejaht, weil die Zuständigkeitsregelung in § 92 Satz 2 GWB vielfach nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen lasse, ob über die Berufung das allgemein zuständige oder das Kartell-Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Entsprechende Zweifel bestehen aber bei der Anfechtung der Entscheidung eines Schiffahrtsgerichts nicht. Hier hat über die Berufung oder die Beschwerde nach der eindeutigen Regelung des § 11 BinnSchG stets das Schiffahrtsobergericht zu entscheiden. Soweit aber dessen Zuständigkeit auch einzelne außerhalb des eigentlichen oberlandesgerichtlichen Bezirks liegende Schiffahrtsgerichte umfaßt, ist das jeweils klar in den einzelnen Länderabkommen oder Verordnungen festgelegt, die auf Grund der Vorschrift des § 4 BinnSchVerfG getroffen bzw. erlassen worden sind (vgl. hierzu im einzelnen die Darstellung im Westdeutschen Schiffahrts- und Hafenkalender - Wecke 78 - S. 902 f.).
...
Die Versäumung der Berufungsfrist beruht auf einem - den Beklagten zuzurechnenden (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) - Verschulden ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten. Dieses besteht darin, daß sie trotz klarer gesetzlicher Regelung die Berufung nicht bei dem Schiffahrtsobergericht Hamburg, sondern bei dem - unzuständigen - Oberlandesgericht Bremen eingelegt haben, was um so weniger als unverschuldet angesehen werden kann, als ihnen das die Zuständigkeit des Schiffahrtsobergerichts Hamburg begründende Abkommen als solches bekannt gewesen ist.
...“