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II R 1/73 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Date du jugement: 11.07.1974
Numéro de référence: II R 1/73
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Dem Schiffshypothekengläubiger wird durch einen rechtskräftigen, auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Schiff lautenden Vollstreckungsbefehl, den ein anderer Gläubigerwegen eines behaupteten Schiffsgläubigerrechts gegen den Reeder erwirkt hatte, nicht das Recht abgeschnitten, das Vorrecht dieses anderen Gläubigers im Widerspruchsprozeß mit der Behauptung zu bestreiten, das Schiffsgläubigerrecht sei vor Einleitung des Mahnverfahrens bereits erloschen gewesen.

2) Dagegen kann der Schiffshypothekengläubiger das Vorrecht eines Schiffsgläubigers nicht mit der Einrede bekämpfen, das Schiffsgläubigerrecht sei verjährt.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 11. Juli 1974

II R 1/73

(Landgericht Hamburg, Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

In dem Teilungsplan nach der Zwangsversteigerung des MS „A" ist die Beklagte unter Nr. 30 als Schiffsgläubigerin mit einer Forderung von etwa 7900,- DM mit dem Rang vor den in Nr. 33 bis 38 eingetragenen, unter sich gleichrangigen Schiffshypotheken der Klägerinnen berücksichtigt. Diesem Vorgang lag der von der Beklagten gegen Verfrachter und Reederei erwirkte Vollstreckungsbefehl u. a. auf Duldung der Zwangsvollstreckung vom 30. 3. 1971 zugrunde. Der Titel beruhte auf einem anerkannten Vergleichsbetrag aus der Beschädigung von Ladung gemäß Konnossementen über einen Schiffstransport.
Die Klägerinnen haben wegen des zugunsten der Beklagten aufgestellten Verteilungsplanes am B. 9. 1971 Widerspruch erhoben und vorgetragen, daß der Vollstreckungsbefehl das Schiffsgläubigerrecht der Beklagten ihnen gegenüber nicht nachweisen. Dieses sei verjährt. Ferner sei die Klagefrist nach § 612 HGB für die Forderung verstrichen gewesen, als die Reederei den Anspruch anerkannt habe. Die Klägerinnen beantragen, den Widerspruch für begründet zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, auf den Widerspruchsbetrag 71/2 0/o Zinsen seit dem B. 9. 1971 zu zahlen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision ist die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nachdem die Beklagte den Vollstreckungsbefehl vom 30. März 1971 erwirkt und dieser rechtskräftig geworden ist, steht zwischen ihr und der Reederei des später versteigerten MS "A" fest, daß die Beklagte wegen ihrer Schadensersatzforderung und der Nebenansprüche Befriedigung aus dem Schiff verlangen kann. Dieses Recht können ihr, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, grundsätzlich auch die übrigen an der Zwangsversteigerung beteiligten Gläubiger nicht bestreiten. Zwar erstreckt sich die Rechtskraft des Vollstreckungsbefehls nicht auf sie (§ 325 ZPO). Wie aber bereits das Reichsgericht entschieden hat, kann ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel für den siegreichen Gläubiger gegenüber Dritten keine geringere Wirkung haben als ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis, das der Schuldner abgegeben und mit dem er dem Gläubiger eine entsprechende Rechtsposition eingeräumt haben würde (RGZ 153, 200, 204; Huber, JuS 1972, 621 ff). Die Klägerinnen können daher mit ihren Einwänden, die Schadensersatzforderung der Beklagten sei bereits bei Einleitung des Mahnverfahrens verjährt gewesen oder habe wegen Ablaufs der Frist des § 612 HGB überhaupt nicht mehr bestanden, weder den Bestand des Vollstreckungstitels als solchen noch seine Berücksichtigung im Verteilungsverfahren in Frage stellen: Die Reederei hätte auf die Einrede der Verjährung, falls diese begründet gewesen sein sollte, verzichten, die Schadensersatzforderung des Beklagten trotz Fristablaufs anerkennen, für die Anerkenntnisschuld das Schiff durch Eintragung einer Schiffshypothek verpfänden und damit rechtsgeschäftlich eine analoge Rechtslage herbeiführen können, derentwegen die übrigen Versteigerungsgläubiger der Beklagten am Verteilungsverfahren mit dem im Vollstreckungsbefehl festgestellten Betrage ohne irgendwelche Einwendungsmöglichkeiten hätten hinnehmen müssen.

Eine weitergehende Drittwirkung des Vollstreckungsbefehls zu Lasten der übrigen am Versteigerungsverfahren beteiligten Pfandgläubiger ist dagegen nicht anzuerkennen. Das Berufungsgericht meint, wegen des rechtskräftigen Vollstreckungsbefehls stehe gegenüber den Klägerinnen auch verbindlich fest, daß die Beklagte bei der Zwangsvollstreckung in das Schiff ihnen als Schiffshypothekengläubigern bevorrechtigt sei. Denn der Titel stelle, wie sich aus seiner Auslegung und der Begründung des Mahngesuches ergebe, eine Schadensersatzforderung der Beklagten wegen eines Ladungsschadens fest, die nach § 754 Nr. 7 HGB a. F. ein nach § 776 HGB a. F. bevorzugtes Schiffsgläubigerrecht gewähre; infolgedessen sei den Klägerinnen von vornherein jede Einwendung genommen, mit der sie das Schiffsgläubigerrecht der Beklagten und damit deren Vorrang bei der Verteilung des Versteigerungserlöses in Frage stellen wollten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Es ist schon sehr fraglich, ob dem Vollstreckungsbefehl der Inhalt beigelegt werden kann, den ihm das Berufungsgericht gegeben hat. Denn der Rechtspfleger hat den Antrag auf Erlaß des Zahlungsbefehls nicht auf seine Schlüssigkeit, sondern nur daraufhin zu prüfen, ob er aus sich heraus überhaupt unbegründet und im übrigen hinreichend bestimmt ist (§§ 690, 691, ZPO). Unabhängig davon ist aber die Frage, ob einem Vollstreckungstitel eine bevorrechtigte oder nicht bevorrechtigte Forderung zugrunde liegt, eine ganz andere als die, ob die im Titel festgestellte Verpflichtung des Schuldners zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Schiff von den übrigen Gläubigern hinzunehmen ist. Bei jener geht es nur um die rechtliche Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs und um ein bloßes Element des Titels, das selbst dem Schuldner gegenüber an der Rechtskraft nicht teilnimmt und über das daher im Widerspruchsverfahren grundsätzlich anders als im Vorprozeß entschieden werden kann (vgl. Blomeyer, Festschrift für Lent S. 57, 59). Einwendungen, die sich gegen den Rang des vom Widerspruchsbeklagten verfolgten Rechts richten, können dem Widerspruchskläger auch schon deshalb durch den vom Widerspruchsbeklagten gegen den Schuldner erwirkten Titel nicht abgeschnitten worden sein, weil sie ausschließlich das Verhältnis der von den beiden Gläubigern verfolgten Pfandrechte zueinander betreffen und diese Rangfrage gar nicht Gegenstand des Rechtsstreits zwischen Widerspruchsgegner und Schuldner gewesen seife kann (so für das Konkursverfahren Jäger/Weber, KO B. Aufl. § 146 Anm. 36; vgl. auch RGZ 116, 368, 372). Im übrigen ist in in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, daß ein Schiffsgläubigerrecht nur kraft Gesetzes entstehen und fortbestehen, aber durch Rechtsgeschäft weder begründet, noch dann, wenn es kraft Gesetzes erloschen ist, wieder erneuert werden kann. Ein Schuldner kann durch Rechtsgeschäft mit dem Gläubiger auch anderweit den Rang des Pfandrechts eines anderen Gläubigers nicht beeinträchtigen.

Deshalb läßt sich aus dem Rechtssatz, ein Vollstreckungstitel habe Drittwirkung gegenüber den übrigen Gläubigern, soweit der Schuldner durch Rechtsgeschäft eine analoge Wirkung hätte herbeiführen können, in diesem Falle gerade keine Rechtfertigung für eine Drittwirkung des Vollstreckungsbefehls zu Lasten der Klägerinnen herleiten. Es kommt daher für die Rangfolge der Rechte der Parteien des vorliegenden Prozesses allein auf die materiell-rechtliche Lage an; der Vollstreckungsbefehl, den die Reederei von MS A" gegen sich hat ergehen lassen, hat insoweit keine präjudizielle Wirkung. Die Klägerinnen können infolgedessen noch geltend machen, der Schadensersatzanspruch der Beklagten und ein darauf beruhendes, ihren Schiffshypotheken vorrangiges Schiffsgläubigerrecht habe, was sie in tatsächlicher Hinsicht noch näher dargelegt haben, gemäß § 612 HGB schon vor der Einleitung des Mahnverfahrens nicht mehr bestanden, so daß die Beklagte im Verteilungsverfahren nicht bevorrechtigt sei. Dagegen können sie ein etwaiges Vorrecht der Beklagten nicht mit der Verjährungseinrede (§ 901 ff HGB) bekämpfen, weil der Ablauf der Verjährungsfrist allein den Bestand eines Schiffsgläubigerrechts nicht berühren wüde und die Einrede nur von der Reederei als der Schuldnerin des Anspruchs (vor Abschluß des Mahnverfahrens) hätte geltend gemacht werden können.