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Leitsatz:
Ist zwischen Absender und Frachtführer bei einem Transport im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vereinbart, daß das beförderte Gut zu einem genau bestimmten Aufstellplatz in einem Gebäude verbracht werden soll, dann ist das Gut erst dann im Sinne des § 29 KVO ausgeliefert, wenn es an diesem Platz abgestellt ist.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 9. November 1979
I ZR 28/78
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die Fa. A. hatte der Beklagten in einem Speditionsvertrag die Versendung von Akkumulatoren von B. nach C. übertragen. Es wurde vereinbart, daß die Batterien bis zum „Aufbauraum" des Empfängers befördert werden sollten. Die Batterien wurden mit Lkw zum Empfangsort gefahren und dort von Leuten der Beklagten mit Unterstützung von Monteuren der Fa. A. zunächst mittels Gabelstaplers vom Lkw abgehoben und sodann mittels Lastenaufzugs zum Aufbauraum im 1. Stockwerk des Empfängers (Kraftwerk) hochgebracht. Da eine Palette mit 6 Batterien nicht weit genug auf die Geschoßdecke neben dem Lukenrand des Aufzuges gezogen wurde, fielen die 6 Batterien durch den Aufzugsschacht ins Erdgeschoß zurück und beschädigten 2 weitere Batterien, nachdem 2 Batterien schon beim Abladen vom Lkw beschädigt worden waren.
Den Gesamtschaden von ca. 6750,- DM hat die Klägerin als Transportversicherin der Fa. A. ersetzt. Nachdem die Beklagte 3000,- DM an die Klägerin gezahlt hatte, verlangt letztere auch die Erstattung des Restbetrages von 3750,DM unter Berufung auf die Vorschriften der §§ 413 Abs. 1 HGB, 26 GüKG, und 29 KVO.
Die Beklagte lehnt die Zahlung ab, weil die Schäden erst nach der Auslieferung im Sinne des § 29 KVO entstanden seien. Die Verbringung der Batterien in den Aufbauraum sei rein speditionelle Tätigkeit gewesen. Für Schäden in diesem Bereich hafte sie nur nach § 54 Buchst. a Ziffer 2 ADSp. bis zum Höchstbetrag von 1500,- DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, daß die Beklagte nach § 413 Abs. 1 HGB, da sie und die Rechtsvorgängerin der Klägerin sich auf einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hatten ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers hat, und zwar eines Frachtführers im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (vgl. st. R. BGHZ 65, 340; zuletzt Senatsurteil vom 4. Mai 1979 - 1 ZR 51/78 m.w.N. - VersR 79, 811); damit sind die Vorschriften der Kraftverkehrsordnung (KVO) als zwingend vorgeschriebene Beförderungsbedingungen (§§ 26, 20, 106 Abs. 2 GüKG) Inhalt des Vertrages, auf den der Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung des beförderten Gutes gestützt wird.
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Nach § 29 KVO ersetzen die Unternehmer alle Güterschäden, die in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Auslieferung entstehen. Auslieferung (§ 429 HGB) ist nach ständiger Rechtsprechung der Vorgang, durch den der Frachtführer die zur Beförderung erlangte Obhut über das Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben (vgl. BGH v. 19. 1. 73 - 1 ZR 4/72 - m.w.N. - NJW 73, 511, 512; v. 27. 10. 78 - 1 ZR 114/76 - NJW 79, 493; Helm, Großkomm. HGB Anm. 12 zu § 429 HGB). Sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, dann wird sich die Einwilligung des Verfügungsberechtigten zur Aufgabe der Obhut durch den Frachtführer regelmäßig mit der zwischen Absender und Frachtführer getroffenen Vereinbarung decken; ist demnach vereinbart, daß der Frachtführer das Gut an einem bestimmten Platz absetzen muß, dann ist die Einwilligung des Verfügungsberechtigten erst dann anzunehmen, wenn der Frachtführer das Gut an diese Stelle verbracht hat; erst dann ist das Gut ausgeliefert im Sinne des § 29 KVO (vgl. Helm, Großkomm. HGB Anm. 7 zu § 29 KVO, 14 zu § 429 HGB, 4 zu § 33 KVO, 13 zu § 17 KVO; a. A. Guelde/Willenberg, 2. Aufl., Rdn. 13 zu § 29 KVO aber anders Rdn. 52 zu § 17 KVO). Im Streitfall ist vereinbart, daß die Güter bis zum Aufstellplatz befördert werden sollten; die vertragliche Verpflichtung war damit erst nach Verbringung an den Aufstellplatz erfüllt und erst dann das Gut ausgeliefert. Da die Beschädigung vorher eingetreten ist, haftet die Beklagte nach § 29 KVO. Die Frage, ob die Übernahme einer solchen Verpflichtung zu ihrer Wirksamkeit der Eintragung Im Frachtbrief bedarf (so Guelde/Willenberg aaO Anm. 55 zu § 17 KVO) oder nicht (so Helm aaO Anm. 13, 5. Absatz zu § 17 KVO), braucht nicht entschieden zu werden, da diese Verpflichtung in dem für die vertraglichen Vereinbarungen der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Beklagten maßgeblichen Speditionsauftrag festgehalten ist, dagegen ein Frachtbrief im Verhältnis dieser Parteien nicht ausgestellt werden konnte.
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