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Leitsätze:
§ 4 BinSchG ist weit auszulegen; ein Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 setzt nicht voraus, dass ein solcher Schaden tatsächlich eingetreten ist, es reicht aus, wenn der geltend gemachte Anspruch mit einem eingetretenem oder drohenden Schaden kausal verknüpft ist. § 4 I Satz 2 BinSchG erfasst nicht nur Schadenersatzansprüche, sondern auch Rückgriff- oder Entschädigungsansprüche. Die Haftungsbeschränkung der §§ 4 ff BinSchG dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein anderer Haftpflichtiger, der seine Haftung nicht beschränken kann, in Anspruch genommen wird und dann seinerseits unbeschränkt Regress gegen den Schiffseigner nehmen könnte. Kostenersatzansprüche unterfallen der Haftungsbeschränkung des § 4 I BinSchG, wenn die ihnen zugrunde liegende Maßnahme durch eine Abwendungs- oder Verringerungsabsicht mit einem Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 II und III BinSchG in einen abwendungsintensionalen Zusammenhang gebracht werden kann.
Wasser in einem Hafenbecken ist keine Sache im Sinne des § 90 BGB und deshalb auch nicht im Sinne des § 4 III Satz 1 BinSchG. Eine Gewässerverschmutzung stellt daher keinen (drohenden) Schaden im Sinne des § 4 BinSchG dar. Kosten eines Feuerwehreinsatzes, der ausschließlich der Vermeidung einer Gewässerverschmutzung dient, unterfallen daher nicht der Haftungsbeschränkung der § 4 ff BinSchG.
Die Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren unterbricht nicht einen Verwaltungsrechtsstreit über die Erstattung von Kosten eines Feuerwehreinsatzes wegen eines Schiffsunfalls, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Schuldners behauptet und daher den Anspruch außerhalb des Verteilungsverfahren weiter verfolgen wird. Fällt ein Kostenbescheid unter die Haftungsbeschränkung der § 4 ff BinSchG, so ist dieser, sofern der Bescheid vor Eröffnung des Verteilungsverfahren erlassen wurde, nicht aufzuheben, sondern nur festzustellen, dass der Bescheid nicht vollziehbar ist, etwa durch die Feststellung des Bestehens einer Haftungsbeschränkung.
Das Bundesverwaltungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteiles gebunden, soweit nicht im Rahmen einer Aufklärungsrüge substantiiert dargelegt wird, welche Tatsachen mit welchem Beweismitteln hätten aufgeklärt werden müssen, und dies vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt wurde, oder sich dort die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes
vom 23. November 2011
Az.: BVerwG 6 C 6.11
(VGH 8 A 3077/09; VG Darmstadt 3 E 1895/05)
In der Verwaltungsstreitsache ...
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I. Die Klägerin wendet sich gegen ihre Verpflichtung zur Erstattung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes wegen eines Schiffsunfalls im Hafen von Gernsheim (Rhein). Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des Motortankschiffs A. Am 31. August 2004 löschte sie im Hafen von Gernsheim an der Verladestelle der Firma S. eine Partie von 651 Tonnen Xylol. Während des Löschvorgangs betätigte der Steuermann versehentlich den Fahrhebel des Schiffes. Das dadurch in Fahrt gesetzte, mit der Löschanlage verbundene Schiff riss den Löscharm aus der landseitigen Verankerung, der daraufhin ins Hafenbecken fiel. Das Schiff konnte zwar sofort wieder zum Stehen gebracht werden, so dass die Löschleitungsverbindung insgesamt standhielt. Auch konnte der Löschvorgang durch Auslösen der Notstoppeinrichtungen (Abschaltung der Pumpen und Schließen der Sicherheitsschieber) unterbrochen werden. Nach dem Abschlussbericht der Hessischen Wasserschutzpolizei - Abteilung Gernsheim - vom 25. November 2004 (Nr. 9: Austrittsmenge und Umweltauswirkungen) tropfte aber eine Menge von (ca.) 5 Litern Xylol durch ein Leck am Rohrleitungssystem auf die Uferbefestigung. Die Austrittsstelle ist von der Wasserkante des Hafenbeckens etwa 2,5 Meter entfernt. Soweit weiteres Xylol auslief, wurde dieses durch eine Wanne aufgefangen. Die in dem 22 m langen Löscharm verbliebene Menge, die in dem Abschlussbericht mit 570 Litern Xylol angegeben wird, konnte in das Schiff zurückgepumpt werden. Am Unfallort kamen zahlreiche Hilfskräfte zum Einsatz, und zwar die Freiwilligen Feuerwehren der beklagten Städte Gernsheim, Riedstadt und Groß-Gerau und anderer Gemeinden, (Biebesheim, Rüsselsheim, Erfelden, Goddelau), sowie das Technische Hilfswerk (THW) der Stadt Groß-Gerau und das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Insgesamt waren 232 Einsatzkräfte und 60 Einsatzfahrzeuge über einen Zeitraum von ungefähr 13 Stunden vor Ort.
Wegen der Kosten des Einsatzes verlangten die Beklagten von der Klägerin Erstattung, und zwar die Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 29. November 2004 in Höhe von 55.047,96 €, die Beklagte zu 2 mit Bescheid vom 8. April 2005 in Höhe von 7.093,35 € und die Beklagte zu 3 mit Bescheid vom 26. November 2004 in Höhe von 6.851,45 €. Die Bescheide der Beklagten zu 1 und 2 enthalten auch Erstattungsbeträge für die Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren Biebesheim, Rüsselsheim, Erfelden, Goddelau und des THW Groß- Gerau sowie des DRK. Die Klägerin erhob gegen die Kostenbescheide ohne Erfolg Widerspruch und danach verwaltungsgerichtliche Klage. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 eröffnete das Amtsgericht Mainz auf einen Antrag der Klägerin vom 11. September 2006 ein binnenschifffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren. In dem Verteilungsverfahren meldeten auch die Beklagten zu 1 bis 3 die durch den jeweiligen Kostenbescheid festgesetzten Forderungen an.
Die Klägerin ist mit ihren gegen die Kostenbeschwerde der Beklagten gerichteten Klagen vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und die Berufungen zurückgewiesen.
Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt:
Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantrage, sei der von ihr erhobene Einwand der Nichterforderlichkeit und Unverhältnismäßigkeit des in Rechnung gestellten Feuerwehreinsatzes unbegründet. Auch wenn sich im Ergebnis herausgestellt habe, dass kein Xylol in das Hafenbecken gelangt sei, sei dies zum Zeitpunkt des Einsatzes keineswegs sicher gewesen. Vielmehr seien die Beklagten zu diesem Zeitpunkt im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung zu Recht vom Bestehen einer entsprechenden Gefahr ausgegangen. Die Situation sei von Unsicherheit gekennzeichnet gewesen. So habe erst im Laufe des Einsatzes geklärt werden können, dass aus dem ins Hafenbecken gefallenen Löscharm kein Xylol ins Wasser gelange. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien auch nicht dadurch der Höhe nach teilweise rechtswidrig geworden, dass die Beklagten ihre durch die angefochtenen Bescheide titulierten Forderungen im binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren zur Tabelle angemeldet hätten. Die Anmeldung sei nur vorsorglich und hilfsweise für den Fall erfolgt, dass die Forderungen der Haftungsbeschränkung des § 4 BinSchG unterlägen. Dies sei zu verneinen, so dass auch der auf die Feststellung einer Haftungsbeschränkung nach dem Binnenschifffahrtsgesetz gerichtete Hilfsantrag keinen Erfolg habe. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG beziehe sich die Haftungsbeschränkung auch auf solche Ansprüche, mit denen — wie hier — die Erstattung von Aufwendungen zur Schadensabwendung geltend gemacht werde. Die Haftungsbeschränkung sei aber nach § 5 Nr. 4 Bin- SchG ausgeschlossen. Der Feuerwehreinsatz sei im Wesentlichen auf den Gewässerschutz und nicht auf den Brandschutz gerichtet gewesen.
Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend:
Das Berufungsgericht habe ebenso wie das Verwaltungsgericht verkannt, dass nach §§ 41 und 8 Abs. 3 der schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung (SVertO) mit der Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens sämtliche Rechtsstreitigkeiten unterbrochen seien. Die Fortführung des Rechtsstreits trotz dieser Unterbrechung stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Die Kostenanforderungen der Beklagten seien nicht berechtigt, da die Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu keiner Zeit bestanden habe. Der massive Feuerwehreinsatz sei unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 ff. BinSchG nicht eingetreten sei. Zwar habe er rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach § 4 BinSchG erfüllt seien. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG unterlägen auch Ansprüche auf Aufwendungsersatz wegen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr der Haftungsbeschränkung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs sei die Haftungsbeschränkung aber auch nicht nach § 5 Nr. 4 BinSchG ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 31. Juli 2008 und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Oktober 2011 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 26. und 29. November 2004 und vom 8. April 2005 sowie deren Widerspruchsbescheide vom 19. September 2005 und vom 26. April 2007 und 17. Juli 2007 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass ihre Haftung nach den §§ 4 ff. BinSchG und den Artikeln 2 Abs. la und 6b Abs. 1 CLNI beschränkt ist und den Beklagten über den Betrag hinaus, der in dem schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren vor dem Amtsgericht Mainz zu ihren Gunsten festgestellt wird, kein weitergehender Anspruch gegen sie zusteht.
Die Beklagten beantragen,
die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigen das Berufungsurteil. Die Beigeladenen haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Sache geäußert.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof war durch das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren vor dem Amtsgericht Mainz, in dem die Beklagten ihre durch die angefochtenen Kostenbescheide festgesetzten Forderungen angemeldet hatten, nicht an einer Entscheidung gehindert (1.). Die Klägerin dringt weder mit dem Begehren einer Änderung der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts und einer Aufhebung der Kostenbescheide der Beklagten durch, das sie mit dem Hauptantrag ihrer Revision verfolgt (2.), noch kann sie mit ihrem hilfsweise angebrachten Feststellungsantrag Erfolg haben (3.).
1. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht hätte entscheiden dürfen, sondern das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren hätte abwarten müssen. Die Eröffnung dieses Verfahrens hat das Klageverfahren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unterbrochen. Nach § 8 Abs. 3 SVertO werden Rechtsstreitigkeiten wegen der in Absatz 1 näher bezeichneten Ansprüche, die bei der Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens anhängig sind, mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses unterbrochen, bis sie nach § 19 SVertO aufgenommen werden oder bis das Verteilungsverfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 41 SVertO ist die Vorschrift des § 8 SVertO auf die Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 SVertO bezeichneten Ansprüche die Ansprüche treten, die der Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 bis 5m BinSchG unterliegen. Diese Voraussetzungen sind zwar in zeitlicher Hinsicht erfüllt, denn die Klägerin hat ihre verwaltungsgerichtlichen Klagen am 5. Juni 2007, am 17. August 2007 und am 21. Oktober 2005 erhoben.
Das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren wurde hingegen erst mit Beschluss des Amtsgericht Mainz vom 11. Dezember 2007 und damit nach Anhängigkeit dieser Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Eine Unterbrechung der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten ist dadurch gleich- wohl nicht eingetreten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 13. März 1980 — II ZR 239/78 — BGHZ 76, 206 <210 f.> und vom 25. April 1988 — II ZR 252/86 — BGHZ 104, 215 <218> kann ein Rechtsstreit wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffes trotz Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Schuldners behauptet und daher den Anspruch außerhalb des Verteilungsverfahrens weiterverfolgen will.
Eine vergleichbare Konstellation liegt auch hier vor. Die Beklagten haben ihre Forderungen im binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren nur vorsorglich angemeldet. Sie sind nämlich der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 4 BinSchG hinsichtlich dieser Forderungen nicht vorliegen und die Klägerin deshalb insoweit unbeschränkt haftet. Aufgrund dessen stellten sie die angefochtenen Gebührenbescheide auch nicht unter den Vorbehalt einer Haftungsbeschränkung und haben sie im gerichtlichen Verfahren uneingeschränkt weiterverfolgt.
2. Die Revision bleibt mit ihrem Hauptantrag erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat die angefochtenen Kostenbescheide ohne Verstoß gegen Bundesrecht als rechtmäßig beurteilt. Die Vereinbarkeit dieser Bescheide mit ihren landesrechtlichen Rechtsgrundlagen unterliegt nicht der Prüfung im Revisionsverfahren. Eine Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. BinSchG hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Kostenbescheide.
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der von den angefochtenen Bescheiden herangezogenen Rechtsgrundlage in Gestalt des § 61 Abs. 3 des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes i.V.m. den Feuerwehrgebührensatzungen der Beklagten bejaht. Er hat insbesondere angenommen, dass eine Gefahr vorlag, zu deren Abwendung die abgerechneten Feuerwehrleistungen erforderlich waren.
Den Einwendungen, die die Klägerin hiergegen im Revisionsverfahren weiterhin geltend macht, kann der erkennende Senat wegen seiner einerseits durch § 137 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO, andererseits durch § 137 Abs. 2 Vw- GO bewirkten Bindungen nicht nachgehen. Die revisionsgerichtliche Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils ist nicht durch die von der Klägerin erhobene Rüge entfallen, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, weil er wegen des Bestehens einer Gefahrenlage ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt und weiteren Zeugenbeweis nicht erhoben habe. Die Aufklärungsrüge setzt nicht nur die substantiierte Darlegung voraus, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Beweismittel hierfür in Betracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären, sondern auch, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. die unterbliebene Beweisaufnahme sich ihm hätte aufdrängen müssen. Zumindest an der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt umfassend — auch durch Vernehmung von Zeugen — ermittelt. Die Klägerin hat weder einen förmlichen Beweisantrag gestellt noch eine unterlassene Beweisaufnahme gerügt. Angesichts dessen hat es sich dem Berufungsgericht auch nicht aufdrängen müssen, weitere Zeugen zu befragen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen.
b) Die angefochtenen Kostenbescheide können auch mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. BinSchG nicht ganz oder teilweise rechtswidrig geworden sein. Die angefochtenen Bescheide wurden vor der mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 erfolgten Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens und der dadurch gemäß § 8 Abs. 1, § 41 SVertO, § 5 d Abs. 2 BinSchG bewirkten Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. Bin- SchG erlassen. Eine solche nachträglich eingetretene Haftungsbeschränkung berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Bescheide. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Insolvenzrecht. Wird über das Vermögen eines Abgabenschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, darf dieser nach der Eröffnung grundsätzlich nicht mehr durch Abgabenbescheid zur Leistung der Abgabe verpflichtet werden, wogegen Gebührenbescheide die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen werden, nicht nachträglich rechtswidrig, sondern nur in ihrer Vollziehbarkeit eingeschränkt werden (Beschluss vom 9. Oktober 2006 — BVerwG 3 B 76.06 — juris Rn. 22). Diese Grundsätze können auf das schifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren übertragen werden, da dieses mit dem Insolvenzverfahren vergleichbar ist (von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 5 d BinSchG Rn. 5). Die Übereinstimmung der Verfahrensgrundsätze findet ihre Ausprägung auch in § 8 Abs. 4 Satz 1 SVertO. Nach dieser Bestimmung ist die Zwangsvollstreckung wegen der in Absatz 1 der Vorschrift genannten Ansprüche nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens unzulässig, bis das Verfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 SVertO ist die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Übertragen auf die Festsetzung von Gebühren und Kosten folgt hieraus, dass ein bereits vor Eröffnung des Verteilungsverfahrens durch Bescheid herangezogener Schuldner mit Bezug auf eine geltend gemachte Haftungsbeschränkung nicht die Aufhebung des Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern nur die Feststellung seiner Nichtvollziehbarkeit verlangen kann. Auf eine solche Feststellung der Nichtvollziehbarkeit liefe es auch hinaus, wenn die von der Klägerin hilfsweise beantragte Feststellung des Bestehens einer Haftungsbeschränkung ausgesprochen würde.
3. Auch mit ihrem Hilfsantrag ist die Revision jedoch zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat die beantragte Feststellung zu Recht nicht ausgesprochen, weil die Haftung der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Gebührenforderungen nicht nach § 4 BinSchG beschränkt ist.
Nach § 4 Abs. 1 BinSchG kann der Schiffseigner seine Haftung für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes oder mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung eingetreten sind, sowie für Ansprüche aus Wrackbeseitigung beschränken, es sei denn, das Schiff wird zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbes wegen verwendet. Die Ansprüche unterliegen der Haftungsbeschränkung unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Ver- trages oder sonst wie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Bin- SchG sind Ansprüche wegen Sachschäden - 1. - solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen, - 2. - solche wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck und - 3. - sonstige Vermögensschäden wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden ferner Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personenoder Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann.
Die Kostenforderungen sind keine Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden, und zwar weder im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG noch im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG. Sie sind deshalb von vornherein nicht von der Haftungsbeschränkung des § 4 BinSchG erfasst. Auf die von dem Berufungsgericht bejahte Frage eines Ausschlusses der Haftungsbeschränkung nach § 5 Nr. 4 BinSchG kommt es deshalb nicht an.
Ein Anspruch »wegen Personen- und Sachschäden « setzt von seinem Wortlaut her nicht voraus, dass der Anspruch auf Ersatz eines eingetretenen Schadens gerichtet ist. Vielmehr reicht es aus, wenn ein Kausalverhältnis zwischen einem eingetretenen oder drohenden Schaden und einem hieraus entstandenen, also damit kausal verknüpften Anspruch besteht. Der Begriff »wegen« lässt darüber hinaus auch eine im Sinne einer Vermeidungsabsicht intentionale oder finale Verknüpfung zu, so dass beispielsweise auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zur Verhütung eines drohenden Schadens unter den Begriff »Anspruch wegen Personen- und Sachschäden« subsumiert werden kann. Mit dieser weiten Auslegung stimmt es überein, dass die Ansprüche nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG unabhängig davon der Haftungsbeschränkung unterliegen, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als Rückgriffs oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Ansprüche »wegen« Personen- und Sachschäden sind demnach nicht nur Schadensersatz-, sondern auch Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche. Diese Auslegung wird durch die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG bestätigt, wonach Ansprüche wegen Sachschäden auch Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden sind, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs »Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden« und der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 BinSchG ist es mithin durchaus möglich, auch Aufwendungsersatzansprüche wegen eines Feuerwehreinsatzes unter § 4 BinSchG zu subsumieren. Allerdings müssen solche Ansprüche in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit einem eingetretenen oder drohenden Personen- oder Sachschaden stehen.
Bei § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Zusammenhangs mit einem Personen- oder Sachschaden aus dem systematischen Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Bin- SchG und dem Willen des Gesetzgebers. Durch die Einbeziehung der Rückgriffsund Entschädigungsansprüche soll der Schiffseigner davor geschützt werden, dass Gläubiger die Haftungsbeschränkung dadurch unterlaufen, dass sie einen anderen Haftpflichtigen, der seine Haftung nicht beschränken kann, in Anspruch nehmen, der dann seinerseits unbeschränkt Regress nimmt (BTDrucks 13/8446, S. 19 f.; von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 BinSchG Rn. 6). Ein solches Unterlaufen der Haftungsbeschränkung ist indes nur möglich, wenn die Voraussetzungen für ihr Eingreifen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG gegeben sind. § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG knüpft damit an einen Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Bin- SchG an und stellt nur klar, dass »Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden« nicht nur solche auf Ersatz solcher Schäden darstellen, sondern auch solche, die in anderer Weise mit solchen Schäden zusammenhängen. Noch deutlicher ist dieser Zusammenhang bei § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG. Ansprüche wegen Sachschäden sind danach auch Ansprüche wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von »Personen- oder Sachschäden «. Kostenersatzansprüche unterfallen danach nur dann der Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 1 BinSchG, wenn die ihnen zugrundeliegende Maßnahme durch eine Abwendungs- oder Verringerungsabsicht mit einem Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 Bin- SchG in einen abwendungsintentionalen Zusammenhang gebracht werden kann. Die hier streitgegenständlichen Kostenforderungen stehen in keinem solchen Zusammenhang. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit für den Senat bindender Wirkung festgestellt, dass die Feuerwehren der beklagten Städte tätig geworden sind, weil Xylol aus dem Schiff bzw. aus dem an das Schiff angeschlossenen, bereits im Hafenbecken hängenden Ladearm in das Hafenbecken zu fließen drohte. Es ging damit um die Abwendung eines Umweltschadens in Gestalt einer Gewässerverschmutzung. Eine Explosion- oder Brandgefahr wurde von den Einsatzkräften, wie sich aus der von dem Verwaltungsgerichtshof weiter in Bezug genommenen Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 31. Juli 2008 ergibt, nur insoweit in den Blick genommen, als sie als Folge der Maßnahmen zur Abwendung der Gewässerverschmutzung hätte entstehen können. In dem von § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb stand deshalb nur die direkt als Folge des Unfalls eingetretene Gewässergefahr.
Eine Gewässerverschmutzung stellt indes keinen (drohenden) Schaden im Sinne des § 4 BinSchG dar. Sie ist ersichtlich kein Personenschaden nach § 4 Abs. 2 BinSchG und erfüllt auch nicht die Merkmale eines Sachschadens gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen. Der Zweck des Einsatzes lag nicht darin, einen drohenden Verlust des Transportguts Xylol und den damit verbundenen Schaden abzuwenden, sondern - wie dargelegt - die durch das Auslaufen dieses Stoffes drohende Gewässerverschmutzung zu verhindern. In einer solchen Verschmutzung hätte auch keine Beschädigung des Wassers im Hafenbecken gelegen. Dieses Wasser stellt keine Sache dar. Der Sachbegriff in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BinSchG entspricht dem des § 90 BGB und umfasst sämtliche körperliche Gegenstände ungeachtet des Aggregatzustands (BTDrucks 13/8446, S. 20; von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 BinSchG Rn. 12). Nach § 90 BGB sind Sachen nur körperliche Gegenstände. Körperliche Gegenstände müssen im Raum abgrenzbar sein; dies trifft für Allgemeingüter wie freie Luft und fließendes Wasser nicht zu (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, Überblick vor § 90 Rn. 8 und § 90 Rn. 1). Eine (eigentumsfähige) Sache stellt nur geschöpftes oder in sonstiger Form abgegrenztes Wasser dar (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, Überblick vor § 90 Rn. 8).
Bei dem hier in Rede stehenden Wasser im Hafenbecken von Gernsheim handelt es sich aber nicht um solchermaßen abgegrenztes Wasser. Das Wasser im Hafenbecken ist mit dem Rhein verbunden und damit Bestandteil eines fließenden Gewässers. Die drohende Verunreinigung dieses Gewässers war deshalb keine drohende Beschädigung einer Sache. Die drohende Gewässerverunreinigung ist auch kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BinSchG. Danach sind Ansprüche wegen Sachschäden auch solche wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck. Der Unfall mag auch dazu geführt haben, dass es bei der seitens der Klägerin geschuldeten Transportleistung im Verhältnis zu ihren Vertragspartnern zu einer verspäteten Anlieferung des Transportguts kam. Auch mit diesem Schaden ist aber der abgerechnete Feuerwehreinsatz weder kausal noch durch eine Abwendungsintention verknüpft. Der Einsatz beruhte nicht auf einem solchen Schaden und diente nicht seiner Abwendung, sondern - wie dargelegt - dem Gewässerschutz. Die Annahme eines sonstigen Vermögensschadens wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BinSchG scheidet ebenfalls aus. Die Vorschrift erfasst Fälle der Verletzung von absoluten Rechten, wenn diese nur zu einem Vermögensschaden führen (von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 BinSchG Rn. 15). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat keine nichtvertraglichen Rechte der Beklagten verletzt. Aus diesem Grunde liegt ein (abgewendeter) Vermögensschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Bin- SchG auch nicht in den Kosten, die im Falle eines Auslaufens des Xylols durch seine erforderliche Beseitigung und Eindämmung verursacht worden wären.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2012 - Nr.2/3 (Sammlung Seite 2168 ff.); ZfB 2012, 2168 ff.