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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 12. Januar 1978 - 5 OWi 36/77 BSch -)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 12.1.1978 ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig. Das erstinstanzliche Rheinschiffahrtsgericht hat aufgrund der Zeugenaussagen des Schiffsführers O von Schubboot "M III", des Schiffsführers V von SB "D" sowie des Schiffsführers G von MS "F" als erwiesen angesehen, dass das zu Berg kommende MS "H" nicht linksrheinisch - wie der Betroffene und sein zweiter Schiffsführer S aussagten - sondern entgegen dem Rechtsfahrgebot (Bekanntmachung Nr. 12/75), ohne Blinkzeichen abzugeben, rechtsrheinisch gefahren sei und erst unmittelbar vor der talwärts herankommenden Schubeinheit "H III" seinen Kurs nach Steuerbord in die geographisch linke Stromhälfte verlegt habe. Durch dieses Verhalten der Führung des MS "H" sei der Schubverband gezwungen worden, durch ein Rückwärtsmanöver abzustoppen, was zur Folge gehabt habe, dass das ihm in einem Abstand von wenigen hundert Metern nachfolgende MS "F" trotz Rückwärtslaufs seiner Maschine auflief. Bei dem Versuch eine Kollision durch ein Backbord-Drehmanöver zu vermeiden, sei MS "F" trotzdem noch gegen das Achterschiff des Schubbootes angestoßen, wobei beträchtlicher Sachschaden an beiden Fahrzeugen entstanden sei. Dieser Beweiswürdigung durch das erstinstanzliche Gericht vermag sich die Berufungskammer nicht anzuschließen:
Der Schiffsführer G von MS "F", dessen Bekundungen das Rheinschiffahrtsgericht trotz seiner Beteiligung an dem Schiffsunfall entscheidende Bedeutung beimaß, hat seine Beobachtungen, wie er selbst angibt, nicht auf seinem auf 900 m voraus eingestellten Radarbild -was etwa dem Abstand zwischen seinem Standort und der Spitze der voraus-fahrenden Schubeinheit entsprach -, sondern offensichtlich aufgrund unmittelbarer Beobachtung des Reviers gemacht. Hierbei war aber zu berücksichtigen, dass zu dieser Zeit bereits Nachtdunkelheit herrschte. Ausserdem spielte sich die Annäherung des talfahrenden Schubverbandes und des bergfahrenden MS "H" in einer Rechtsbiegung des Stromes ab, bei der jede zu lange Beibehaltung des ursprünglichen Kurses die Schubeinheit mit ihrer Spitze über die Flussmitte hinweg in die geographisch linke Stromhälfte bringen musste. Für den in einem Abstand von mehreren hundert Metern nachfolgenden Beobachter konnte kaum in zuverlässiger Weise mit dem blossem Auge der Vorausabstand der Spitze der Schubeinheit zu dem in einem Bogen verlaufenden linken Rheinufer geschätzt werden. Nur dieser Abstand hätte aber Auskunft über die Gesamtlage des Schubverbandes im Strom geben können; denn bei zu geringem Abstand in der verlängerten Schiffsachse geriet der Schubverband zwangsläufig, ohne seine äussere Lage zu ändern, in den Hang, d.h. in eine Schräglage zu dem nach rechts abbiegenden Ufer. Infolge dieser Flusskrümmung musste auch das zu Berg aufkommende MS "H" für einen Beobachter von Oberstrom immer steuerbordseits der Längsachse des Schubverbandes auftauchen, wodurch leicht der Eindruck entstehen konnte, dieses Fahrzeug bewege sich in der rechten Stromhälfte. Auch der von dem Zeugen G geschilderte Eindruck, das MS "H" sei in starker Schräglage vor dem Kopf der Schubeinheit hervorgekommen, kann durch eine Schräglage des Schubverbandes hervorgerufen worden sein, die dadurch entstand, dass der Schubverband zu lange seinen ursprünglichen Kurs hielt und dabei mit den Vorschiffen in den Hang geriet. Die von dem Zeugen V vom Schleppboot "D" wiedergegebene Sprechfunkdurchsage des Schubverbandes "M III", dass er voll an zurückschlage, "da vor ihm einer quer liege", kann durch eine eigene Schräglage des Schubverbandes zu MS "H" hervorgerufen worden sein, wozu noch die von den Besatzungsmitgliedern des MS "H" geschilderte Ausweichbewegung ihres Schiffes nach Steuerbord beigetragen haben kann. Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach Meinung der Berufungskammer so viel Zweifel an den Beobachtungsmöglichkeiten des Zeugen Gort von MS "F" angesichts der Dunkelheit und der Lage des vorausfahrenden Schubverbandes innerhalb der Rechtsbiegung des Flusses verbleiben, dass mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit nicht festgestellt werden kann, dass MS "H" das Rechtsfahr-Gebot verletzt und erst kurz vor der Schubeinheit aus der geographisch rechten in die geographisch linke Flusshälfte hinübergewechselt sei, zumal dies nicht nur mit den Angaben des unfallbeteiligten Betroffenen sondern auch mit denjenigen seines zweiten Schiffsführers S in Widerspruch stünde. Dieser letztgenannte Zeuge gab in Übereinstimmung mit dem Betroffenen an, dass der Kars des MS "H" ständig in einem Uferabstand von etwa 80 m linksrheinisch verlaufen sei, während die zu Tal kommende Schubeinheit ihren zunächst in Flussmitte gehaltenen Kurs verlassen habe und in den Hang gefahren sei.
Unter Beachtung des Grundsatzes, dass im Zweifelsfalle zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, war deshalb für Recht zu erkennen:
1. Das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 12.1.1979 wird auf die Berufung des Betroffenen hin aufgehoben und dieser ohne Kosten freigesprochen.
2. Die Festsetzung der Kosten des Verfahrens ist unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom Rhein-schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort vorzunehmen,
Der Stellvertretende Gerichtskanzler
Der Vorsitzende