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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 31. Mai 1978
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichtes St. Goar vom 23. November 1977 - 4 OW-4-AK 110/77 BSchRh. -)
Die Berufungskammer hat erwogen:
Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichtes St. Goar ist dem Betroffenen am 9.Januar 1978 zugestellt worden. Seine am 18. Januar 1978 bei diesem Gericht eingegangene Berufungsschrift, die auch die Begründung des Rechtsmittels enthält, wahrt also die Fristen des Artikels 37 Abs. 2 und Abs. 3 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte für die Einlegung und Begründung einer Berufung. Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel formell richtig eingelegt.
In der Sache hat es Erfolg, denn die Berufungskammer hält aus den folgenden Gründen nicht für bewiesen, dass der Bruch eines Drahtes auf dem MS "N" von dem Betroffenen herbeigeführt worden ist.
1. Das MS "N" lag mit Bug zu Berg still, als das MS "AH" des Betroffenen talwärts vorbeifuhr. Der von diesem Schiff ausgehende Sog zog unter diesen Umständen den Stillieger nach rückwärts. Es belastete also zusätzlich die Vorausdrähte, während die nach rückwärts ausgelegten entlastet wurden. Nun ist aber auf dem MS "N" ein rückwärts führender Windedraht angeblich gebrochen. Es ist nicht bekannt, wie er im Einzelnen ausgelegt war. Bei dieser Sachlage sieht sich die Berufungskammer außerstande, festzustellen, er sei unter dem Einfluss der Vorbeifahrt des von dem Betroffenen geführten Schiffes gebrochen. Diese Möglichkeit scheidet zwar nicht völlig aus, es fehlt aber der sichere Beweis.
2. Es ist nicht prüfbar, wie das MS "N" an Land befestigt war. In den Akten befinden sich dazu nur Angaben seines Kapitäns M. Sie sind allein keine ausreichende Grundlage für gerichtliche Feststellungen, da sie von einer am Ausgang des Verfahrens interessierten Person stammen. Die Berufungskammer kann deshalb nicht feststellen die Befestigung sei so gewesen, dass bei ordnungsgemäßer Vorbeifahrt eines Schiffes kein Schaden entstehen konnte. Daran hindert auch der Umstand, dass in der Nähe des MS "N" andere Schiffe stillagen bei denen ein Drahtbruch nicht eingetreten ist.
3. Es ist weiter nicht prüfbar, in welchem Zustand sich der angeblich gebrochene Draht befand. Die Wasserschutzpolizei hat am Tage nach dem umstrittenen Ereignis, auf dem MS "N" einen gebrochenen Draht gesehen, der nach ihrer Ansicht gebrauchsfähig war und keine Mängel aufwies. Selbst wenn diese Ansicht richtig sein sollte, steht nicht sicher fest, dass es sich um den bei der Vorbeifahrt des MS "AH" angeblich gebrochenen Draht gehandelt hat.
4. Schließlich ist unklar, mit welcher Geschwindigkeit das vom Betroffenen geführte Schiff an dem MS "N" vorbeigefahren ist. Dessen Kapitän, der Zeuge M., hat dazu nichts gesagt, sondern nur von einer zu schnellen Talfahrt gesprochen. Der Betroffene hat die Geschwindigkeit seines Schiffes auf 14 - 15 km/h geschätzte Die Richtigkeit dieser Schätzung ist nicht widerlegt. Geht man von ihr aus, so ist ein Verstoß des Betroffenen gegen § 6.20 Nr. 1 Buchstabe b -RSchPVO auch deshalb nicht feststellbar, weil die Geschwindigkeit des von ihm geführten Schiffes möglicherweise nicht höher war, als zu einer sicheren Führung notwendig.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Betroffenen wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichtes St. Goar vom 23. November 1977 aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse. Ihre Festsetzung gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht St. Goar.
Der Stellvertretende Gerichtskanzler: Der Vorsitzende:(gez.)
A. BOUR (gez.) L. Specht