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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
Urteil vom 01.06.1977
Tatbestand:
Am 2. April 1974 kam es zwischen dem Motorschiff "E" und der Peniche "O" zu einem Zusammenstoß auf dem Rhein. Die "E" ist ein Motorschiff mit einer Tragfähigkeit von 897.37 T. Ihr Eigner bzw. Reeder ist die "N" REEDEREI A.G., ihr Schiffsführer "HW", ihr Lotse "FW". Die "O" ist eine Peniche mit einer Tragfähigkeit von 322 T, ihr Eigner bzw. Reeder ist "M", ihr Schiffsführer "L". Am Vormittag des 2. April 1974 fuhr die "E" mit einer Kiesladung von 702 T rheinabwärts von der Schleuse Strassburg-Süd in Richtung Dordrecht. Der "E" folgte die "O II", dann zwei Kanalpenichen, zunächst die "O" dann die "Li", die beide von der Nordschleuse Strassburg her rheinabwärts in Richtung Karlsruhe fuhren. Auf der Höhe von Leutenheim bei Rhein-km 300 traten plötzlich Nebelfelder auf, die in kurzer Zeit so dicht wurden, dass die Sichtweite nicht einmal mehr 50 m betrug. Die "E" hat beschlossen, nach backbord abzudrehen, um dort Bug zu Berg anzuhalten. Bei diesem Drehmanöver rammte die "E" mit ihrem Heck eine Buhne am rechten Ufer und beschädigte dadurch ihr Ruder, in diesem ging das Steuerbordruder verloren und das Mittelruder wurde verbogen. Wegen des Nebels drehte auch die "O" nach backbord ab,um am linken Ufer Bug zu Berg anzuhalten.Im Nebelfeld kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem Heck der "O" und dem Vorschiff der "E", bei dem beide Schiffe beschädigt würden. Mit Klageschrift vom 17.4.75 hat die "N" REEDEREI A.G. den Eigner und Schiffsführer der "O" als Gesamtschuldner, hilfsweise in solidum, verklagt, die von der "E" während des Zusammenstoßes erlittenen Schäden in Höhe von 2.213 DM, beziehungsweise den Gegenwert in französischen Francs zum Tageskurs, nebst 6 % Zinsen vom Klagezeitpunkt an, zu bezahlen. Die Klägerin beantragt weiter beim Gericht, die jährliche Kapitalisierung der Zinsen anzuordnen und zu bestimmen, dass der oder die beklagten Reeder den genannten Betrag nur bis zur Höhe des Werts der "O" und ihrer Fracht: am Tage des Unfalls zu erstatten haben; die Beklagten als Gesamtschuldner, hilfsweise in solidum, zu allen Gerichtskosten und den Kosten für das Beweissicherungsverfahren zu verurteilen; Das Urteil ohne Sicherheitsleistung, erforderlichenfalls gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung. für vollstreckbar zu erklären. Die Klägerin und Berufungsklägerin vertritt die Auffassung, dass der Zusammenstoß ausschließlich auf einen schweren nautischen Fehler des Schiffsführers "L" der "O" zurückzuführen ist, der nicht rechtzeitig angehalten habe, in das Nebelfeld eingedrungen sei und seine Fahrt ohne Aufstellung eines Ausgucks oder Abgabe von Signalen fortgesetzt habe und dadurch die "E" gerammt habe, die zu diesem Zeitpunkt Bug zu Berg stillag. Die Beklagten und Berufungsbeklagten widersetzen sich diesem Antrag und bestreiten formell die Unfallschilderung der Klägerin und Berufungsklägerin. Sie machen geltend, dass die "O" in das Nebelfeld gefahren sei und nach Abdrehen nach backbord den Anker am linken Ufer in Höhe des Rhein-km 301.200 gesetzt habe und dass die zu Berg fahrende "E" plötzlich hinter der "O" aus dem Nebel aufgetaucht sei und diese mit ihrer Steuerbordseite voll am Heck gerammt habe, so dass der Zusammenstoss durch den schweren nautischen Fehler des Schiffsführers der "E" verursacht worden sei, die trotz ihrer Fahruntüchtigkeit abgedreht habe, quer durch den Strom gefahren sei und bei diesem im Nebel durchgeführten Manöver die "O" gerammt habe. Sie beantragen, das Gericht solle die Klage für unbegründet erklären, die Klage der Klägerin und Berufungsklägerin zurückweisen und sie zu den Gerichtskosten verurteilen. Mit Urteil vom 1.6.77 hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klage der "N" REEDEREI für unbegründet erklärt,diese zurückgewiesen und die "N" REEDEREI zu den Gerichtskosten verurteilt.
Entscheidungsgründe:
Die Darstellung der Geschehnisse durch Zeugen ist vollkommen widersprüchlich, so dass sie für eine Entscheidung über die Ursache des Zusammenstoßes nicht herangezogen werden kann.
- auf Grund der Feststellungen des Gerichtssachverständigen SAMIE in Bezug auf die von beiden Schiffen erlittenen Schäden ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass sich die "E" im Zeitpunkt der Grundberührung in Fahrt befand, während die "O" tatsächlich stillag, nachdem sie den Anker gesetzt halte.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin und Berufungsklägerin mit Berufungsschrift vom 6.9.77 Berufung bei der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und diese Berufung mit der Berufungsbegründungsschrift vom 12.10.77 begründet.
Sie beantragt bei der Zentralkommission, das mit Berufung belegte Urteil aufzuheben, den erstinstanzlichen Anträgen sowie allen zusätzlich in der Berufung gestellten Anträgen der Antragstellerin stattzugeben und die Beklagten und Berufungsbeklagten zu den Gerichtskosten zu verurteilen.
Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Berufung behauptet sie, dass die Berufung nicht verspätet eingelegt worden sei, weil die Zustellung des Urteils nicht in der in Frankreich vorgesehenen Form (Artikel 37, Absatz 2 der Mannheimer Akte) erfolgt sei.
Zur Sache wiederholt sie ihre vor dem Vorderrichter angeführten Argumente.
In ihrer Berufungserwiderung beantragen die Beklagten und Berufungsbeklagten, die Zentralkommission möge die Klage der Klägerin und Berufungsklägerin für unbegründet erklären, sie zurückweisen und die Klägerin und Berufungsklägerin zu den Gerichtskosten verurteilen. Sie wiederholen ihre vor dem Vorderrichter angeführten Argumente.
Die Berufung ist formgerecht eingelegt worden.
Das Urteil ist der "N" REEDEREI A.G. am 22. Juli 1977 zugestellt worden. Die Zustellung enthielt jedoch keinerlei Hinweise darauf, in welcher Frist und Form der Empfänger Berufung vor der Zentralkommission gemäß der Mannheimer Akte (Art.37 Absatz 2), wonach die Zustellung in Gemäßheit der Landesgesetze zu erfolgen hat, einzulegen haben.
In Artikel 680 der neuen ZPO heißt es: "Die Akte, mit der einer Partei ein Urteil zugestellt wird, muss genaue Angaben über die Einspruchs-, Berufungs- oder Revisionsfrist, sofern eines dieser Rechtsmittel besteht, sowie über die Art und Weise, in der das Rechtsmittel ausgeübt werden kann, enthalten.
"Artikel 693 ZPO sieht vor, dass die Berufung nichtig ist, wenn "diese Formalität nicht eingehalten wird."
In der Zustellungsakte heißt es nun aber:
"Sie können Berufung gegen dieses Urteil einlegen. Sie haben die Möglichkeit, Berufung gegen dieses Urteil einzulegen, wenn Sie dessen Änderung oder Aufhebung entweder vor dem Appellationshof Colmar oder vor der Rheinschifffahrtskommission in Strassburg bewirken wollen.
Die Berufung muss in einer Frist von 3 Monaten vom obengenannten Zeitpunkt an eingelegt werden."
Da in der Zustellungsakte die nach Art. 37 Abs. 2 Mannheimer Akte vorgesehene Frist von einem Monat nicht erwähnt wird, ist die Zustellung vom 22.7.77 nichtig und hat die Berufungsfrist nicht zum Laufen gebracht, so dass die mit Berufungsschrift vom 6.9.77 angemeldete Berufung fristgerecht eingelegt worden ist.
Der Vorderrichter hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Aussagen der Zeugen keinen hinreichenden Beweis für die Ursache und die Umstände des Zusammenstoßes erbracht haben. So sind die Geschehnisse vollkommen widersprüchlich dargestellt worden, wobei keinerlei Anhaltspunkte für die Überprüfung der Richtigkeit dieser Aussagen vorliegen. Die Klägerin und Berufungsklägerin vermochte keinen Beweis für einen ursächlichen Fehler der Beklagten und Berufungsbeklagten zu erbringen, so dass die Berufung unbegründet ist.
Es wird für Recht erkannt:
Die Berufungskammer erklärt, dass die Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 1.6.77 zulässig, jedoch Unbegründet ist und weist die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin zurück.
Sie auferlegt der Klägerin und Berufungsklägerin die Kosten der Berufungsinstanz, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikels 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Strassburg festzusetzen sind.