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Leitsatz:
Werden im Ausland beladene Lash-Leichter, die ein Trägerschiff (Seeschiff) in einem deutschen Seehafen zu Wasser gelassen hat, von diesem Hafen nach deutschen Binnenhäfen (z. B. von Bremerhaven nach Bremen) verschleppt, so finden auf diese Schleppleistung die Bestimmungen des Binnenschiffsverkehrsgesetzes - BSchVG - Anwendung. Insbesondere hat der Betreiber solcher Schlepper Überwachungsbeiträge nach § 31 d BSchVG und Beiträge zum Abwrackfonds nach § 32a Abs. 2 BSchVG zu leisten.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 25. März 1981
7 C 1/79
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin schleppte mit ihren Motorschleppern längere Zeit Lash-Leichter (Lash = Abkürzung von „Lighteraboard-ship") von Bremerhaven nach den Unterweserhäfen Bremen, Brake oder Nordenham und umgekehrt.’)
Die beklagte Wasser- und Schifffahrtsdirektion erhob bezüglich dieser Schleppleistungen im innerdeutschen Verkehr von der Klägerin Überwachungsbeiträge nach § 31 d BSchVG und Beiträge zum Abwrackfonds gemäß § 32a Abs. 2’BSchVG in Höhe von etwa 19000,- DM.
Die Klägerin erhob Widerspruch, weil es sich nicht um Verkehrsleistungen „zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen" im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG handele und der Transport im Lash-System ein grenzüberschreitender Transportvorgang sei, der mit einem Beladevorgang im Ausland beginne und mit einem Löschvorgang im Inland ende. Das Schleppen der Lash-Leichter auf den inländischen Teilstrecken sei daher nur eine Teilleistung zu einem grenzüberschreitenden Verkehrsvorgang.
Nach erfolglosem Widerspruch führte die Klage in beiden Vorinstanzen zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision wurden die vorinstanzlichen Urteile vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben und die Klage abgewiesen.2)
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Schleppen, das § 21 Abs. 1 BSchVG in seinem Klammerzusatz den anderen Schiffsbeförderungen gleichstellt, setzt nicht voraus, dass das geschleppte Schiff beladen ist. Das gilt besonders für den Bereich der Flößerei, den § 21 Abs. 1 BSchVG ausdrücklich in seine Regelung einbezieht. Bereits der Schleppvorgang als solcher kann wirtschaftlich bedeutsam und für den wettbewerbslenkenden Zweck des § 21 Abs. 1 BSchVG wesentlich sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur Floßhölzer, sondern auch Schiffe als Frachtgüter des Schleppverkehrs in Betracht kommen, wenn sie - wie die Lash-Leichter des vorliegenden Falles - nautisch unselbständig und unbemannt und damit selbst Gegenstand eines Transport- und Frachtvertrages sind (vgl. RGZ 67, 10 [121; 86, 424 4291; Schaps-Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, Seehandelsrecht, 4. Aufl. 1978, RdNrn. 9 und 23 vor § 556; Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl. 1964, § 26 Anm. 1 c und 9b). Deshalb ist es auch nicht richtig, dass das Berufungsgericht die von § 21 Abs. 1 BSchVG erfassten Schleppleistungen nur als „Hilfeleistungen zu Schiffsbeförderungsvorgängen" sieht und aus diesem Grunde einen Be- und Entladevorgang an einem deutschen Lade- und Löschplatz fordert.
Darum gibt der vom Berufungsgericht genannte § 23 Abs. 1 BSchVG, der die örtliche Zuständigkeit der mit der Frachtenbildung beauftragten Frachtenausschüsse regelt und sie in Zweifelsfällen an den Ort des „Beladens" des Schiffs knüpft, für die Ansicht des Berufungsgerichts nichts Entscheidendes her, soweit es sich um die Schleppleistung handelt. Zudem lässt die nähere Regelung der „Verordnung über die gebietliche Zuständigkeit der Frachtenausschüsse in der Binnenschifffahrt" vom 8. August 1963 (BGBI. II S. 1151) in der Fassung vom 27. Januar 1966 (BGBI. II S. 57) in den §§ 2, 6 Abs. 1 den Ort des „Beginns" der Verkehrsleistung maßgeblich sein.
Ebenso wenig stützt die Entstehungsgeschichte des § 21 Abs. 1 BSchVG die Auslegung des Berufungsgerichts.
§ 42 Abs. 1 BSchVG, nach dem das Gesetz im Verkehr von und nach dem Ausland keine Anwendung findet, verbietet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ebenfalls nicht, das Abschleppen von Lash-Leichtern, die aus Seeschiffen des Überseeverkehrs entladen werden, in die Regelung des § 21 Abs. 1 BSchVG einzubeziehen. Auch diese Vorschrift betrifft nicht die Beförderung des Transportguts und dessen Be- und Entladung. Nur der Verkehr des Transportmittels über die Grenze - sei es von oder nach dem Ausland - ist nach § 42 Abs. 1 BSchVG vom Gesetz ausgenommen. Auf die Herkunft des beförderten Guts oder auf die Ausgestaltung des Beförderungsvertrages - z. B. als „Durchfracht" - kommt es nicht an (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Februar 1977 in ZfB 1977, 326). Deshalb ist der Einwand der Klägerin unerheblich, die Verschleppung der Lash-Leichter sei Bestandteil eines größeren Vertragswerkes zwischen ihr und dem Seereeder, das im wesentlichen die eigentliche, nicht unter § 21 Abs. 1 BSchVG fallende Seeschiffsassistenz umfasse. Das gilt umso mehr, als nach § 42a BSchVG die nach diesem Gesetz bestehenden Verpflichtungen nicht durch rechtsgeschäftliche Gestaltungen umgangen werden dürfen. - Im vorliegenden Fall haben die Schlepper der Klägerin bei ihren Schleppleistungen die Grenze nicht überschritten. Ob das auch für die geschleppten Lash-Leichter als Transportmittel zutrifft, kann offen bleiben; denn die Beklagte hat nicht die Verkehrsleistung der Lash-Leichter, sondern die der Schlepper der Klägerin abgabepflichtig gemacht. Darum ist das Schreiben des Bundesministers für Verkehr vom 5. Mai 1969 - B 483/18 V/69 -, auf das das Berufungsgericht verweist, hier nicht verwertbar, es bezieht sich auf „grenzüberschreitende Transporte", die im Falle der fraglichen Schleppleistung der Klägerin nicht vorliegen.
Schließlich kann - soweit der Beitrag für den Abwrackfonds in Frage steht - nicht erfolgreich eingewandt werden, das Verschleppen der Lash-Leichter sei deshalb keine beitragspflichtige Verkehrsleistung im Sinne des § 21 Abs. 1 BSchVG, weil die Schlepper der Klägerin überwiegend im nicht unter § 21 Abs. 1 BSchVG fallenden Verkehr - nämlich im „reinen Seeassistenzgeschäft" - eingesetzt seien und daher für sie gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 BSchVG keine Abwrackprämie beansprucht werden könne. Der Klägerin bleibt unbenommen, ihre Schleppleistungen im Lash-Verkehr so zu gestalten, dass die Schlepper hinsichtlich ihres örtlichen und zeitlichen Einsatzes im Binnenverkehr die Voraussetzungen erfüllen, an die § 32a Abs. 1 Satz 2 BSchVG und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen die Abwrackprämie - als Äquivalent des Abwrackbeitrages - knüpfen. Zudem setzt die Abgabepflicht nach § 32a Abs. 2 BSchVG nicht voraus, dass der Pflichtige selber einen Anspruch aus dem Abwrackfonds haben kann. Es genügt, dass er zur Gruppe derer gehört, die zu den Zwecken, denen das Abgabeaufkommen dient, in einer beson¬deren Beziehung stehen. Das trifft im Falle der Klägerin zu. Die Klägerin hat sich dadurch, dass sie mit ihren Schleppschiffen Leistungen im Binnenschiffsverkehr erbracht hat, in den Kreis der abgabepflichtigen Binnenschifffahrttreibenden begeben, die durch gemeinsame Geschäftsinteressen verbunden sind und denen das Abgabeaufkommen für den Zweck zufließt, den Abbau des Tonnageüberhangs in der Binnenschifffahrt zu fördern und dadurch ruinösen Wettbewerb zu verhindern (BT-Drucks. V/2494 zu Art. 1 Nr. 16, S. 36). Die Binnenschifffahrttreibenden können entweder unmittelbar die Prämie in Anspruch nehmen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen, oder ihre Wirtschaftslage wird durch die Aufgabe des Fonds allgemein verbessert, indem unwirtschaftlicher, aber zu ruinösen Preisen angebotener Schiffsraum ausgesondert und die dadurch begründete Beeinträchtigung der Ertragslage des Schifffahrtsgeschäfts beseitigt wird. Diese Gruppennützigkeit des Abwrackfonds kommt auch der Klägerin für ihre Binnenschifffahrtsleistungen zugute, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Damit sind auch die Voraussetzungen gegeben, von deren Vorliegen das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 10. Dezember 1980, NJW 1981, 329 ff.; ferner BVerfGE 37, 1 ,16 f. ~ die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Erhebung außersteuerlicher Sonderabgaben abhängig gemacht hat. Demgegenüber meint die Klägerin zu Unrecht, dass das Schleppen der Lash-Leichter mit dem übrigen Schleppgeschäft der Binnenschifffahrt nicht konkurriere. Diese Ansicht trifft schon deshalb nicht zu, weil die Klägerin, soweit sie Schleppleistungen im Binnenschiffsverkehr durchführt, in Konkurrenz zu den Schleppleistungsange¬boten anderer Binnenschifffahrttreibender treten kann, mögen auch die Schleppschiffe, die sie bisher eingesetzt hat, wegen ihres Tiefgangs oder besonderer technischer Ausrüstungen im sonstigen Binnenschiffsverkehr nicht verwendbar sein.
Die Heranziehung der Klägerin zum Abwrackfonds scheitert nicht etwa daran, dass nach § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG die Beitragspflicht nicht von der Klägerin, sondern vom Seereeder (Reeder des Trägerschiffs und der Lash-Leichter) zu erfüllen ist, der seine eigene Transportleistung mittels der Schleppleistungen der Klägerin durchgeführt hat und der dafür von seinem Schuldner (Verlader) „das gesamte Entgelt" verlangen kann, von dem er intern die Leistung der Klägerin abzugelten hat. Die Erfüllungspflicht kann nach § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG nur dann auf den Seereeder übergehen, wenn dieser selbst beitragspflichtig nach § 32a Abs. 2 Satz 1 BSchVG ist, wenn also mindestens die Verkehrsleistungen, die die Lash-Leichter auf der Binnenstrecke Bremerhaven / Unterweser erbracht haben, von § 21 Abs. 1 BSchVG erfasst werden. Die Beklagte hat eine solche Beitragspflicht des Seereeders bisher nicht geltend gemacht. Ob sie dies könnte, ist nach der gegenwärtigen Rechtslage ungeklärt; für die Beklagte ist jedenfalls der Erfolg einer diese Zweifelsfrage bejahenden Entscheidung durchaus ungewiss. Diese rechtliche Unklarheit führt dazu, dass die Beklagte nicht auf § 32a Abs. 2 Satz 2 BSchVG verwiesen werden kann; denn der dort vorgesehene Erfüllungsübergang soll der Beklagten die Erhebung des Beitrags erleichtern, nicht aber erschweren (§ 32a Abs. 2 Satz 3 BSchVG). Darum kann offen bleiben, ob für die Beklagte die Inanspruchnahme des Seereeders zur Beitragserfüllung auch deshalb im Sinne des § 32a Abs. 2 Satz 3 BSchVG wesentlich erschwert ist, weil dieses Unternehmen - was ebenfalls nicht geklärt ist - seinen Sitz im Ausland hat.