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Leitsätze:
1. Gegenüber einem gutgläubigen Empfänger eines Konnossements verbietet HGB § 656 Abs 2 S 2 den Beweis durch den Verfrachter, dass das Gewicht der verladenen Güter geringer sei als im Konnossement angegeben ist.
2. Die unwiderlegliche Beweisvermutung des HGB § 656 Abs 2 S 2 entfällt nach HGB § 656 Abs 3 Nr 1 (ebenso wie die widerlegliche des HGB § 656 Abs 2 S 1) nur dann, sofern das Konnossement einen begründeten Zusatz iSd HGB § 646 beinhaltet. Die bloße Klausel "said to weight" genügt nicht.
Urteil
des Hanseatischen
Oberlandesgericht Hamburg 6. Zivilsenat
vom 09.11.2000
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 12 für Handelssachen, vom 11. Februar 1999 (Az.: 412 0 38/97) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 290.000,00 DM abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Das Urteil beschwert die Beklagte um 226.223,65 DM.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Empfängerin von der Beklagten als Verfrachterin Schadensersatz für einen Teilverlust von Buchweizen, den die Beklagte unter den Konnossementen F und F ... (Anlagen K 1) in T (China) zur Verschiffung nach Rotterdam übernommen hatte.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 12 für Handelssachen, vom 11. Februar 1999 Bezug genommen. Das Landgericht hat durch das vorgenannte Urteil die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von hfl 254.895,27 nebst 5 % jährlicher Zinsen seit dem 7. April 1997 an die Klägerin gemäß § 606 S. 2 HGB in Verbindung mit § 656 Abs. 2, 658, 613 Abs. 2 HGB verurteilt. In Höhe einer weitergehenden Forderung von 1.740,68 hfl nebst Zinsen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Februar 1999 zugestellte Urteil am 17. März 1999 Berufung eingelegt und diese nach entsprechenden Verlängerungen der Begründungsfrist am 1. Juli 1999 begründet. Sie macht mit ihrer Berufung geltend:
Die Konnossemente enthielten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine begründete Unbekanntklausel. Allein der Stempel "Said to weight" genüge zwar nicht den Anforderungen einer begründeten Unbekanntklausel. Jedoch lasse sich der "free in/ liner out loaded and stowed free in"-Klausel entnehmen, dass die Beklagte den Buchweizen erst im Laderaum des Schiffes übernommen habe. Damit habe die Klägerin gewusst, warum die Beklagte die Angaben des Abladers über das Gewicht der Partien nicht geprüft und die Konnossemente mit dem Stempel "said to weight" versehen habe. Die Klägerin habe aus den von ihr vorgelegten Inspektions-Zertifikaten (Anlagen K 4 und K 5) gewußt, dass beide Partien bei "tested weigh-bridge" bzw. "on tested scales" gewogen worden seien. Gleichzeitig sei der Klägerin bekannt gewesen, dass der eine Teil der Partie F ... im Bulk und der andere in Säcken verschifft worden sei. Damit sei für die Klägerin offensichtlich gewesen, dass beide Partien von der Beklagten nicht nachgewogen worden seien. Tiefgangvermessungen würden im Stückgutverkehr nicht vorgenommen, sondern allenfalls bei Raumfrachtverträgen.
Da die Klägerin den Vortrag der Beklagten bestreite, dass das Manko nicht während der Obhut der Beklagten entstanden sei, müsse der Senat die insoweit von der Beklagten angebotenen Beweise erheben. Die Beklagte verweist insoweit auf die von Rabe in Transportrecht 1997, S. 89 ff. vertretene Rechtsauffassung.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit eingehender Begründung das landgerichtliche Urteil. Sie habe nicht gewusst, unter welchen Umstände die "in bulk" geladenen Güter an das Schiff gelangt seien. Sie bestreitet, dass für die Beklagte keinerlei Möglichkeiten bestanden hätten, das Gewicht der abgeladenen Partien zu kontrollieren. Da die Konnossemente keine begründeten Unbekanntklauseln aufwiesen, könne sie -- die Klägerin -- sich als gutgläubige (dritte) Konnossementsinhaberin auf § 656 Abs. 2 Satz 2 HGB berufen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht gemäß § 606 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 656 Abs. 2 HGB zum Schadensersatz verurteilt. Auf die in allen Punkten zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen der Senat folgt, wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen.
Gemäß § 656 Abs. 2 Satz 2 HGB ist der Beklagten gegenüber der gutgläubigen Klägerin die Berufung darauf verwehrt, dass sie in T weniger Buchweizen übernommen hat, als sie in den beiden Konnossementen angegeben hat. Die vom Landgericht unter (3,) der Entscheidungsgründe zutreffend festgestellte Gutgläubigkeit der Klägerin bezüglich der Gewichtsangaben in den Konnossementen wird von der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen (vgl. II. 2. a) der Berufungsbegründung). Damit ist nach der eindeutigen und klaren Regelung des § 656 Abs. 2 Satz 2 HGB gegenüber der Klägerin als gutgläubiger Empfängerin der Konnossemente der Beweis nicht zulässig, dass die Beklagte als Verfrachterin weniger an Buchweizen an Bord genommen hat als an Gewicht in den beiden Konnossementen angegeben ist (vgl. zur Auslegung des § 656 Abs. 2 S. 2 HGB im Übrigen Bästlein im TranspR. 1997, S. 404 ff.). Infolge der unwiderleglichen Vermutung der Richtigkeit der Konnossementsangaben wird in Fällen der "Wenigerverladung" die Verladung der Güter in der im Konnossement angegebenen Menge bzw. mit dem angegebenen Gewicht fingiert (vgl. auch Giermann, Die Haftung des Verfrachters für Konnossementsangaben, Lit. Verlag 2000, S. 168 mit weiteren Nachweisen). Auch Rabe hatte noch in seiner kritischen Stellungnahme zur "Katsuragi"-Entscheidung des Senats (OLG Hamburg in TranspR 1996, S. 29) für den Fall der Weniger- oder Nichtverladung ausgeführt, dass dem Verfrachter aufgrund der unwiderleglichen Vermutung des § 656 Abs. 2 Satz 2 HGB nicht der Nachweis gelingen kann, dass der Verlust des Guts nicht innerhalb des ihn treffenden Haftungszeitraumes eingetreten ist (vgl. Rabe TranspR 1997, S. 89, 91).
Das Landgericht hat aber auch zu Recht ausgeführt, dass § 656 Abs. 2 HGB hier nicht gemäß § 656 Abs. 3 Nr. 1 HGB unanwendbar ist, weil die Konnossemente keinen Zusatz nach § 646 HGB enthalten. Da § 656 Abs. 3 HGB auf § 646 HGB verweist, entfällt nur bei einem begründeten Zusatz im Sinne dieser Bestimmung die unwiderlegbare Beweisvermutung des § 656 Abs. 2 Satz 2 HGB (vgl. noch Rabe in Prüßmann-Rabe, Seehandelsrecht, 3. Auflage § 656 HGB Anm. C 5 a). Nur wenn der Verfrachter "einen entsprechenden Zusatz" (§ 646 HGB) macht, entfällt die Beweisvermutung nach § 656 Abs. 2 HGB. Insoweit kann auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ Bd. 25, S. 251 ff., 262 ff.) zu der damals noch widerlegbaren Beweisvermutung des § 656 Abs. 2 HGB a.F. verwiesen werden. An dieser Rechtslage hat sich durch die inhaltliche Übernahme der Visby-Regeln in das Deutsche Seehandelsrecht nichts geändert, da § 656 Abs. 3 HGB nach wie vor auf die einen begründenden Hinweis im Sinne des § 645 Abs. 2 HGB erfordernde Bestimmung des § 646 HGB (vgl. BGH a.a.O. S. 263) verweist. Die bloße Klausel "said to weight" kann schon deswegen keinen zulässigen Ausschluss der Beweisvermutung enthalten, weil das Gesetz selbst in § 645 Abs. 1 HGB davon ausgeht, dass die vom Ablader (shipper) gemachten Angaben in das Konnossement aufzunehmen sind (vgl. BGH a.a.O. S. 263 für die vergleichbare Klausel "Shippers declared weight and measure"). Aus ihr lässt sich nicht entnehmen, dass der Verfrachter das vom Ablader angegebene Gewicht nicht gegen sich gelten lassen will. Aber selbst wenn man diesen Zusatz entgegen der Auffassung des Senats dahin auslegen würde, dass der Verfrachter das vom Ablader angegebene Gewicht nicht gegen sich gelten lassen will, so fehlt es an dem gemäß § 646 HGB erforderlichen Zusatz im Sinne des § 645 Abs. 2 Nr. 2 HGB. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ Band 33, S. 364 ff. lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen, weil in dem dort zu entscheidenden Fall das Konnossement durch den Zusatz "nicht zugewogen" einen dem § 645 Abs. 2 Nr. 2 HGB genügenden begründeten Hinweis enthielt. Diese zusätzliche Angabe war aber, wie der BGH a.a.O. S. 371 weiter ausführt, für die wirksame Beseitigung der Beweisvermutung des § 656 Abs. 2 HGB unentbehrlich. Einen solchen Zusatz enthalten die hier in Rede stehenden beiden Konnossemente nicht. Aus der Klausel "free in/liner out, loaded and stowed free in at owners nominated berth" ergab sich -- wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat -- nicht, dass die Beklagte keine ausreichende Gelegenheit hatte, die Gewichtsangaben des Abladers nachzuprüfen. Diese außerdem mit dem "said to weight"-Aufdruck der Konnossemente in keinem äußeren oder inhaltlichen Zusammenhang stehenden aufgestempelten Klauseln machen die "said to weight"-Zusätze nicht zu (begründeten) Unbekanntklauseln im Sinne des § 646 HGB. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, würde aber nur ein Zusatz, aus dem sich entnehmen lässt, dass der Verfrachter keine ausreichende Gelegenheit hatte, die Angaben des Abladers nachzuprüfen, den Anforderungen der §§ 656 Abs. 3 Nr. 1, 646 HGB genügen. Aus dem Vortrag der Beklagten lässt sich im übrigen nicht entnehmen, dass es ihr objektiv unmöglich gewesen ist, die -- durch Verwiegung der LKW vor und nach der Abladung erfolgte -- Ermittlung des Gewichts des abgeladenen Gutes zu kontrollieren, geschweige denn, dass die Klägerin diese Unmöglichkeit gekannt hat.
Einwände gegen die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Höhe des Schadensersatzanspruchs der Klägerin erhebt die Beklagte nicht.
Nach allem ist die Berufung der Beklagten auf deren Kosten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Die Entscheidungen betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Festsetzung der Beschwer auf § 546 Abs. 2 ZPO.