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Leitsatz:
Verlade- und Transportbedingungen, in denen durch Einschränkung wesentlicher Vertragrechte und -pflichten die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wird, sind gemäß § 9 Abs.2 Nr.2 AGBG unwirksam. Insbesondere führt ein Haftungsausschluss vertragswesentlicher Pflichten (Kardinalpflichten), wie z. B. der Ausschluss groben Verschuldens von Organen oder leitenden Angestellten eines Transportunternehmens, zur völligen Unwirksamkeit solcher allgemeinen Geschäfts- oder Transportbedingungen.
Urteil des Oberlandesgerichtes Hamburg
vom 14. Juli 1988
6 U 54/87
Zum Tatbestand:
Die Firma T. beauftragte durch Fa. S., ihre Vertreterin, die Beklagte zu 1 mit der Übernahme von 1038 Ballen Roh-Linters aus dem Seeschiff „T" und mit dem Transport per Binnenschiff von Hamburg nach Glückstadt. Die Beklagte zu 1 setzte, wie der Fa. T. aus früheren Transporten dieser Art bekannt war, regelmäßig Schiffe der Beklagten zu 2, einer Genossenschaft, ein, die in diesem Falle das dem Beklagten zu 3 - gleichzeitig Komplementär der Beklagten zu 2 - gehörende und vom Beklagten zu 4 geführte MS „H" einteilte. Als MS „H" am Abend des 15.3.1984 längsseits neben dem Vorschiff der „T" lag und schon 898 Ballen übernommen hatte, fielen von der Decksladung 102 Ballen über Bord, die zunächst von der Feuerwehr zusammengesucht und dann von der Fa. P. übernommen wurden. Wegen dieses Unfalls wurden die noch auf der „T" verbliebenen Ballen nicht auf das Binnenschiff, sondern auf Kai genommen. Auf dem vom Beklagten zu 4 unterzeichneten und mit Stempel der Beklagten zu 1 und 2 versehenen Ladeschein wurden lediglich 939 Ballen aufgeführt. Die „H" wurde im November 1984 zum Schrottpreis von 12000,- DM an Fa. D. verkauft und sodann abgewrackt (Prämie 70012,-DM).
Die Klägerin als Transportversicherer und als Rechtsnachfolgerin der Fa. T. verlangt von den Beklagten zu 1 bis 4 gesamtschuldnerisch Schadenersatz in Höhe von ungefähr 46300,- DM und macht hierbei die Wertminderung um 25 % von 100 über Bord gegangenen, durch Nässe geschädigten Ballen, die Bergungskosten, den Ersatz von zwei total verlorenen Ballen sowie besondere Kosten bezüglich der restlichen, nicht von MS „H" übernommenen, sondern auf Kai gelagerten Ballen (Löschung und Zwischenlagerung) geltend. Das MS „H" sei von Anfang an fahruntüchtig und überladen gewesen. Entgegen den Auflagen des Gewerbeaufsichtsamtes habe u. a. die Deckslast höchstens vier Lagen hoch gestaut werden dürfen, es sei jedoch schon die fünfte Lage gestaut worden, als die 102 Ballen über Bord gegangen seien. Die Haftungsbefreiungen und -beschränkungen in verschiedenen Transport- und Verfrachtungsbedingungen, auf die sich die Beklagten berufen hatten, seien insbesondere aus Gründen des § 9 AGBG rechtsunwirksam.
Die Beklagten bestreiten vor allem eine Überladung des MS „H". Auflagen hinsichtlich der Stauhöhe der Deckslast hätten sich nur auf die erforderliche Sichtfreiheit bezogen. Ein Frachtführer dürfte das Risiko für jede Fahrlässigkeit seines Schiffsführers auf den Befrachter abwälzen. Darüber hinaus liege eine grobe Fahrlässigkeit nicht vor. Vielmehr sei das Versorgeschiff „O" mit überhöhter Geschwindigkeit in dichtem Abstand an dem MS „H" vorbeigefahren und habe es durch den verursachten Schwall unter die ausladende Bordwand der „T" gedrückt, wodurch die Deckslast zur Wasserseite verschoben und ein Teil über Bord gefallen sei. Das Schifffahrtsgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 1 und 3 in vollem Umfang stattgegeben, den Beklagten zu 4 nur in Höhe von etwa 39600,- DM zur Zahlung verurteilt.
Das Berufungsgericht hat dieses Urteil in wesentlichen Teilen bestätigt und nur dahingehend geändert, dass die Beklagten zu 1 bis 4 als Gesamtschuldner rd. 39615,- DM und die Beklagte zu 1 weitere 6713,- DM an die Klägerin zu zahlen haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
I.
a) Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist ein Frachtvertrag über die Beförderung von 1083 Ballen Roh-Linters von Hamburg nach Glückstadt zwischen der Fa. T., vertreten durch die Firma S., und der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Eine frachtvertragliche Haftung der Beklagten zu 2) lässt sich dagegen noch nicht allein aus dem Umstand ableiten, dass - wie der Firma T. bekannt war - die Beklagte zu ’l) im Rahmen der Geschäftsverbindung Schiffe der Beklagten zu 2) für die Transporte der Linters Ballen einsetzte; denn dieser Umstand reicht nicht aus, um ein Handeln der Beklagten zu 1) zugleich auch im Namen der Beklagte zu 2) zu bejahen. Die Beklagte zu 2) ist aber gemäß § 449 HGB nach Maßgabe des Ladescheins in den Frachtvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) eingetreten; denn sie hat aufgrund des ausgestellten Ladescheins über 939 Ballen Linters (Anlage K 1) als Unterfrachtführer der Beklagten zu 1) im Sinne des § 432 Abs. 1 HGB die Linters Ballen übernommen und sich damit zugleich auch gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin nach Maßgabe des Scheines zur Beförderung der Ballen von Hamburg nach Glückstadt verpflichtet. Dementsprechend ist sie im Übrigen in dem vom Schiffer der „H" - dem Beklagten zu 4) - unterzeichneten Ladeschein mit ihrem Stempel neben der Beklagten zu 1) als Frachtführer aufgeführt worden. Auch dadurch hat sich die Beklagte zu 2) nach Maßgabe des Ladescheins gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 1) zur Beförderung verpflichtet, da der ersichtlich zu ihrer Vertretung bevollmächtigte Beklagte zu 4) insoweit zugleich auch in ihrem Namen gehandelt hat. b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beruht das Überbordgehen der 102 Linters-Ballen, durch das unstreitig ein Totalverlust von zwei Linters-Ballen und eine Wertminderung von 25 % infolge Nässeschadens an weiteren 100 Linters-Ballen entstanden ist und das zugleich die angefallenen Bergungskosten zur Folge hatte, auf Umständen, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers hätten abgewendet werden können:
1. Allerdings hat der Sachverständige H. in seinem Gutachten vom 4. Januar 1988 und bei der Erläuterung seines Gutachtens vor dem Einzelrichter im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass dieses Überbordgehen der Linters-Ballen nicht auf mangelnder Stabilität des MS „H" beruhte.
....
2. Dennoch sind die Beklagten zu 1) bis 3) für den in Rede stehenden Schaden verantwortlich, weil das Überbordgehen der Ballen auf dem Verschulden des Schiffsführers - des Beklagten zu 4) - beruht. Da ein Stabilitätsversagen als Schadensursache ausscheidet, müssen die Linters-Ballen nach Steuerbord verrutscht sein, verursacht durch eine Berührung der an Bord gestauten Ballen mit der überragenden Bordwand des Seeschiffes. Diese vom Sachverständigen überzeugend gefolgerte Schadensursache räumen die Beklagten sogar selbst ein. Sie wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen Z.
....
Hier passieren insbesondere beim Einlaufen Schiffe die am Schuppen 91 liegenden Schiffe in einem recht dichten Abstand von 50 bis 100 m, teilweise auch darunter. Mit Geschwindigkeiten der passierenden Schiffe um 6 kn, möglicherweise auch etwas darüber, ist, wie der Sachverständige einleuchtend ausgeführt hat, zu rechnen. Welche Kräfte dabei auf die „T" und die „H" wirkten, hat der Sachverständige im Einzelnen zutreffend beschrieben. Diesen allgemein bekannten Fakten musste der Schiffsführer der „H" während des Ladevorgangs Rechnung tragen. „H" befand sich im Stevenbereich des MS „T" - wie der Sachverständige im Einzelnen einleuchtend dargestellt hat - in einer ungünstigen Position bezüglich ihres Festmachens. Diese schwierige Situation war aber für den Schiffsführer ersichtlich und hätte ihn zu erhöhter Aufmerksamkeit anhalten müssen. Diese gebotene Sorgfalt hat er zwar nicht hinsichtlich der Art des Festmachens wohl aber bei der Handhabung der Leinen verletzt: Er musste - wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner Anhörung im einzelnen überzeugend ausgeführt hat - dafür sorgen, dass vor allem die Vorleine, aber auch die Achterleine stets „tight" waren. Zu diesem Zweck hätte er angesichts der schwierigen Situation ständig einen Mann an die Vorleine „stand by" beordern müssen, um eine zu große Lose in der Vorleine und damit eine größere Abkantbewegung der „H" zu vermeiden.
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Hier wäre eine zusätzliche Abfenderung geboten gewesen, um zu verhindern, dass die hohe Decksladung gegen die überragende Bordwand geraten konnte. Zu diesem Zweck hätten - wie der Sachverständige bei seiner Anhörung überzeugend ausgeführt hat - drei oder vier Autoreifen übereinander zwischen „H" und „T" ausgebracht werden müssen, um den erforderlichen Abstand herzustellen.
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Der Beklagte zu 4) hätte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers auch damit rechnen müssen, dass die „H" von einem mit erheblicher Geschwindigkeit fahrenden Schiffs passiert werden würde. Überdies hat die Beweisaufnahme nicht einmal die Behauptung der Beklagten bestätigt, dass die „O" mit „überhöhter" - eine bestimmte Geschwindigkeit tragen die Beklagten nicht vor - Geschwindigkeit in den Kuhwerder Vorhafen eingelaufen sei. Der Zeuge Z. hat darüber nichts bekundet, obwohl ihm ein derartiger Umstand nicht entgangen wäre und er ihn angesichts des Schadensfalls auch noch erinnert hätte. Auch der Umstand, dass es zuvor nicht zu einem Schadensfall gekommen war, besagt nichts zugunsten der Beklagten. Die Gefahr, dass die Decksladung die überkragende Bordwand berührte, bestand gerade erst, als die Linters-Ballen schon hoch an Deck gestaut waren, wobei offen bleiben kann, ob nun in der vierten oder bereits in der fünften Lage.
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c) Der Klägerin ist auch kein Mitverschulden an dem hier in Rede stehenden Schadensfall anzulasten.
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Selbst wenn der Einsatz einer Fenderschute entgegen der Überzeugung des Senats geboten gewesen wäre, so hätte allein der Beklagte zu 4) als Schiffsführer der „H" die Notwendigkeit dieses Einsatzes vorher erkennen können und müssen. Er allein hätte beurteilen können und müssen, ob sich hier eine gefährliche Situation ergeben würde, die den Einsatz einer Fenderschute erforderlich machte. Es wäre demgemäß seine Aufgabe gewesen, darauf hinzuweisen, dass die Situation den Einsatz einer Fenderschute gebiete, und er hätte deshalb deren Gestellung verlangen müssen. Nichts dergleichen hat unstreitig der Beklagte zu 4) getan.
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d) Für den Verlust von zwei und für die Nässebeschädigung von weiteren 100 der über Bord gegangenen Linters-Ballen haften die Beklagten zu 1) - 3) gemäß §§ 58 Abs. 1, 3 BSchG, 26 BSchG in Verbindung mit § 430 HGB. Da der Handelswert von zwei Ballen mit 1347,59 DM und die Wertminderung infolge Nässe mit 25 % des Handelswerts zwischen den Parteien unstreitig ist, ist der Klägerin für den Totalverlust von zwei Ballen ein Schaden von 1347,59 DM und für die Wertminderung von 100 Ballen ein Schaden von 16844,89 DM zu ersetzen.
Das Schifffahrtsgericht hat die Beklagten daneben auch zu Recht zur Erstattung der Bergungskosten von 11122,- DM und 10300,99 DM verurteilt. Insoweit kommt es für die Haftung der Beklagten zu 1) bis 3) nicht entscheidend darauf an, ob der Schaden auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist. § 430 HGB ist hinsichtlich dieser Schadensposition schon deshalb nicht anwendbar, weil es insoweit nicht um einen Ersatz für den Verlust oder für die Beschädigung von Frachtgütern geht. Nur für derartige Schäden begrenzt aber § 430 HGB die Haftung des Frachtführers der Höhe nach. Bei den hier in Rede stehenden Bergungskosten geht es vielmehr um den Ersatz von Aufwendungen, die gerade zur Abwendung eines Verlustes oder einer Beschädigung der Frachtgüter erwachsen sind, und nicht etwa um Folgeschäden des Verlustes oder der Beschädigung einzelner Frachtgüter.
e) Die Beklagten zu 1) bis 3) haften für die vorgenannten Schadensersatzansprüche der Klägerin auch persönlich. Die Beklagte zu 1) als Frachtführerin kann sich schon deshalb nicht auf die beschränkte Haftung mit Schiff und Fracht gemäß § 4 BSchG berufen, weil sie nicht Schiffseigner der „H" war. Dagegen könnte die Beklagte zu 2) an sich diese Haftungsbeschränkung für sich in Anspruch nehmen. Zwar war die Beklagte zu 2) nicht selbst Eigentümerin der „H", sondern ihr Komplementär, der Beklagte zu 3); jedoch gilt die Beklagte zu 2) gemäß § 2 Abs. BSchG der Klägerin gegenüber als Schiffseigner im Sinne des BSchG, weil sie die ihr nicht gehörige „H" zur Binnenschifffahrt verwendet und deren Führung dem Beklagten zu 4) als Schiffer anvertraut hat. Dennoch haftet die Beklagte zu 2) der Klägerin gemäß § 112 Abs.2 und gemäß § 114 BSchG auch persönlich:
Nach § 112 Abs. 2 haftet sie nämlich in Höhe der eingezogenen Frachtforderung von 5481,58 DM persönlich, weil sie die Fracht eingezogen hat und für das Vorliegen anderer Schiffsgläubigerrechte im Sinne dieser Vorschrift nichts ersichtlich ist.
Vor allem haftet die Beklagte zu 2) auch nach § 114 BSchG persönlich, weil sie die „H" unstreitig auf eine neue Frachtreise ausgesandt hat, nachdem sie unstreitig von den hier in Rede stehenden Forderungen durch das Schreiben der Firma T. vom 16. März 1984 Kenntnis erhalten hatte. Nach § 114 Abs.2 ist dabei davon auszugehen, dass die Klägerin als Schiffsgläubigerin, der die Beklagte zu 2) nur mit Schiff und Fracht haftete, für ihre angeführten Forderungen vollständige Befriedigung erlangt hätte, falls der Wert, den die „H" bei Antritt der neuen Frachtreise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rangordnung verteilt worden wäre. Beweis für das Gegenteil im Sinne des § 114 Abs.2 hat die Beklagte zu 2) in tauglicher Weise nicht angeboten.
.....
II.
In dieser Höhe (39615,47 DM) hat das Schifffahrtsgericht auch den Beklagten zu 4) zu Recht gemäß § 7 BSchG zur Zahlung verurteilt. Dieser haftet nach dieser Bestimmung als Schiffer gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Ladungsbeteiligter für den Schaden, weil er diesen bei seinen Dienstvorrichtungen, namentlich bei der Erfüllung des von ihm auszuführenden Frachtvertrages, durch die Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers verursacht hat. Insoweit kann, auf die Feststellung unter 1. b) 2. verwiesen werden.
III.
Das Schifffahrtsgericht hat die Beklagte zu 1) auch zu Recht zur Schadensersatzleistung für die Sonderbehandlungskosten von 6713,21 DM verurteilt, die unstreitig dadurch angefallen sind, dass die restlichen von „H" nicht aus „T" übernommenen Ballen auf den Kai gelöscht und zwischengelagert werden mussten.
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Der Frachtvertrag ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass die Beklagte zu 1) die Ballen im Rahmen der vorgesehenen Löschung des Seeschiffs aus diesem unmittelbar zu übernehmen hatte. Da die Beklagte zu 1) dieser Verpflichtung hinsichtlich der von „H" nicht übernommenen Ballen schuldhaft nicht nachgekommen ist und deshalb diese Ballen über den Kai genommen werden mussten, ist ihr insoweit ihre vorgenannte Übernahmeverpflichtung aus einem von ihr zu vertretenden Grund nachträglich unmöglich geworden. Demgemäß schuldet sie der Klägerin gemäß § 325 Abs. 1 Satz 1 BGB den Ersatz der dadurch angefallenen Sonderkosten von 6713,21 DM.
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Entgegen der Auffassung des Schifffahrtsgerichts sind allerdings die Beklagten zu 2) und 3) der Klägerin nicht zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Nach § 449 HGB haftet nämlich die Beklagte zu 2) lediglich nach Maßgabe des Ladescheins, so dass sie wie der Beklagte zu 4) für die Schäden nicht haftet, die dadurch entstanden sind, dass die restlichen Ballen aus der Partie von 1038 Ballen von der „H" nicht übernommen wurden.
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IV.
Die von den Beklagten geltend gemachten Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen greifen nicht durch:
a) § 20 Abs. 1 der Verlade- und Transportbedingungen der Elbia verstößt gegen § 9 AGBG, da diese Vorschrift die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. § 20 Abs. 1 enthält einen umfassenden Haftungsausschluss für alle pflichtwidrigen Handlungen oder Unterlassungen des Schiffers oder der Schiffsmannschaft unabhängig vom Grad des Verschuldens. Es erschein zweifelhaft, ob sich diese Regelung mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG vereinbaren lässt; denn auch im kaufmännischen Verkehr ist im allgemeinen ein Haftungsausschluss bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichen Verhalten einfacher Erfüllungsgehilfen mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren. Das muss insbesondere für die Haftung hinsichtlich des Verhaltens des Schiffers gelten, den nach dem BSchG eine herausgehobene Verantwortung trifft. Allerdings hat der Bundesgerichtshof (in VersR 1974, 5.131 ff.) vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes eine Freizeichnung des Frachtführers von der Haftung für Ladungsschäden auch insoweit zugelassen, als die Schäden durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Schiffers verursacht worden sind, sofern diese nicht auf einer (anfänglichen) Fahr- oder Ladungsuntüchtigkeit des Schiffers beruhen. Auch wenn man die vom Bundesgerichtshof (a) a. O) in jenem Urteil für die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses angeführten Argumente noch unter der Herrschaft des AGB-Gesetzes für maßgeblich ansieht, so folgt doch hier die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses aus § 9 Abs. 2 Nr.2 AGBG, wonach wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, nicht so eingeschränkt werden dürfen, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist. Der Haftungsausschluss in § 20 Abs. 1 der Verlade- und Transportbedingungen bezieht sich nämlich auch auf derartige vertragswesentliche Verpflichtungen (Kardinalpflichten).
....
b) § 93 Abs. 1 der AVB für die Elbe verstößt ebenfalls gegen § 9 AGBG: § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 enthalten umfassende Haftungsbeschränkungen, durch die die Haftung der Gesellschaft für an sie gestellte Schadensersatzansprüche und Forderungen jeder Art auf 60,- DM je 100 kg bzw. bei frachtvertraglichen Schadensersatzansprüchen jeder Art auf höchstens 10000,- DM für die gesamte Schiffsladung begrenzt werden. Derartige Haftungsbeschränkungen verstoßen jedoch bei der Verletzung vertragswesentlicher Verpflichtungen des Frachtführers (Kardinalpflichten) gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Insoweit kann auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGHZ Bd.71, S.167 ff., 171 ff.) verwiesen werden, die schon vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes derartige Haftungsbeschränkungen in Fällen anfänglicher Fahr- und Ladungsuntüchtigkeit des Schiffers für unwirksam erklärt hat. Ein weiteres Bedenken gegen die Vereinbarkeit der vorgenannten Haftungsbegrenzungen mit § 9 AGBG ergibt sich daraus, dass diese auch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Organe der Gesellschaft oder ihrer leitenden Angestellten gelten sollen.
.....“.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1989 - Nr.5 (Sammlung Seite 1265 f.); ZfB 1989, 1265 f.