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Leitsatz:
Unzulässigkeit prozentualer Abzüge von der Fracht für Betreuungsleistungen. Im Verhältnis der Genossenschaften zu ihren Genossen ist eine derartige Handhabung nicht zulässig.
Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg
vom 27. Mai 1982
6 U 233/81
Zum Tatbestand:
Die Beklagte hat den bei ihr beschäftigten Hausschiffern eine Reihe von Betreuungsleistungen berechnet, und zwar in der Weise, dass von der den Schiffern zustehenden Fracht pauschale Abzüge von 6 bzw. 4 % gemacht wurden. Der Beklagten wurde daher eine Unterschreitung der Festfracht vorgeworfen. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von ca. 14800,- DM verurteilt. Ihre Berufung blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1...
Die etwa von der Beklagten erbrachten Betreuungsleistungen standen in keinem inneren Zusammenhang mit den Frachtaufkommen der Hausschiffer, sondern fielen teilweise ganz unabhängig von den eingefahrenen Frachten, im übrigen aber ohne inneren Bezug zur Höhe der Frachten, an. So kann z. B. ein altes, reparaturanfälliges Binnenmotorschiff, welches wegen häufiger Reparaturaufenthalte nur noch geringe Frachten einfährt, einen verhältnismäßig hohen Rechnungs- und Schriftverkehr mit Reparaturwerkstätten, Werften und Versicherungen mit sich bringen, wohingegen ein neues Schiff, welches verhältnismäßig selten repariert werden muss, hohe Frachten einfahren kann. Daher fehlt ein innerer Bezug zwischen dem Aufwand an Überwachung und Durchführung des Rechnungs- und Geldverkehrs mit Reparaturwerkstätten, Werften und Versicherungen einerseits, dem Frachtaufkommen andererseits (siehe Ziff. 1 der Anl. Bf 2). Gleiches gilt bezüglich der Ziffer 6 dieser Anlage: Hilfe bei Havariefällen, Diebstahl, Haftpflichtschäden pp., ferner für Ziff. 5: technische Beratungen. Solche Dienstleistungen fallen bei der Beklagten erkennbar ganz unabhängig davon an, wie hoch die von den Hausschiffern eingefahrenen Frachten ausfallen. - Weitere Dienstleistungen gemäß der Anlage Bf 2 sind erkennbar zeitlich durchlaufend zu erbringen, gleichgültig also, ob ein Schiff hohe oder ob es niedrige Frachten einfährt. Das gilt z. B. für die Ziffer 3 der Anlage Bf 2: Beachtung der Termine und Zahlung der Einkommens-, Kirchen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer; ferner für Ziffer 4: Durchführung von Zahlungen im persönlichen Bereich, für Ziffer 6: Versicherungen, für Ziffer 12: schiffstechnische Informationen, für Ziffer 13: Stundung der Kanalabgaben, für Ziffer 15: Erstellung von Positionsberichten. - Bei den übrigen Positionen der Anlage Bf 2 mag sich ein gewisser Zusammenhang mit der Häufigkeit des Einsatzes herstellen lassen. So sind z. B. An- und Abmeldungen bei Hafenämtern erfahrungsgemäß häufiger vorzunehmen, je öfter ein Schiff sich im Einsatz befindet (Ziff. 7 der Anl. Bf 2). Auch für diese Positionen der Anlage Bf 2 gilt aber, dass sie mit der Höhe des Frachtaufkommens in keinem notwendigen inneren Zusammenhang stehen.
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Es wäre aber nicht zu rechtfertigen, einem nur geringen Betreuungsaufwand verursachenden Schiff mittelbar einen Teil des auf andere Schiffe, z. B. solche der Beklagten, anfallenden höheren Betreuungsaufwandes anlasten zu wollen. Diese Gefahr der ungleichmäßigen Behandlung bezüglich der Betreuungsleistungen besteht aber erkennbar, wenn jeder Hausschiffer pro Schiff durchgehend 6 % bzw., ab 1. Juli 1979, 4 % der eingefahrenen Frachten an die Beklagte für so genannte Regiekosten entrichten muss.
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Eine Vergütungspauschale muss aber einer angemessenen Vergütung der erbrachten Leistungen entsprechen. Besteht die Gefahr der Unangemessenheit, dann ist die Preisvereinbarung zur Umge¬hung der Vorschriften des BiSchVG über die Frachtenfestsetzung geeignet und somit unzulässig (§ 42 a BiSchVG). Das ist bei den so genannten Regiekosten der Beklagten, wie ausgeführt, der Fall (siehe namentlich das Urteil des BGH vom 20. März 1975 - II ZR 87/73 i) -, LM Nr. 3 zum BiSchVG = VRS 49, 163,166; LG Hamburg vom 12. Oktober 1973, 3 0 80/72, und vom 17. Dezember 1976, 3 0 112/76; Senat vom 15. Februar 1973, 6 0 16/72). Zu Unrecht beruft die Beklagte sich demgegenüber auf die gegen¬teilige Handhabung durch die früheren Schifferbetriebsverbände und durch Genossenschaften. Schifferbetriebsverbänden war jedoch die Gewinnerzielung untersagt, und Genossenschaften haben einen sich ergebenden Gewinn auf die Genossen zu verteilen (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 GenGes). Die Beklagte wird demgegenüber erwerbswirtschaftlich tätig, die eigene Gewinnerzielung steht bei ihr im Vordergrund. Bei erwerbswirtschaftlich betriebenen Binnenschiffsunternehmen besteht deshalb, gerade anders als bei Genossenschaften und bei den früheren Schifferbetriebsverbänden, ein Interessengegensatz zu den Partikulieren.
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Das Urteil des BGH vom 27. März 1981 - 1 ZR 57/79 - (siehe MDR 1982 S. 26 f) führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Dieses vom 1. Zivilsenat des BGH erlassene Urteil nimmt nämlich auf dasjenige des 2. Zivilsenats vom 20. März 1975’) ausdrücklich Bezug. Der 1. Zivilsenat spricht a. a. O. aus, dass es im Falle einer Umsatzgarantie, welche der beruflichen Betätigung des Transportunternehmers insgesamt dienlich sei, grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, wenn sich der die Garantie aussprechende Spediteur dafür pauschalierte Bearbeitungsgebühren in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes (2 - 5 %) der Mindesttariffracht versprechen und zahlen lasse. Auch insoweit aber habe der Spediteur nur Anspruch im Rahmen des Angemessenen. Umsatzgarantien, welche sich naturgemäß auf die Höhe des Frachtaufkommens unmittelbar auswirken, hat aber die Beklagte ihren beiden Hausschiffern nicht gegeben.
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2. dass die Beklagte zumindest grob fahrlässig gegen die Festfrachtbestimmungen verstieß, kann nicht zweifelhaft sein. Ihre pauschale Abzugsmethode ist für jeden Gewerbetreibenden, welcher sich mit der Einhaltung von Festfrachten im Binnnenschiffsverkehr zu befassen hat, deutlich erkennbar geeignet, die Möglichkeit eines Tarifverstoßes zu beinhalten. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Erhebung der Bewirtschaftskosten nicht unmittelbar mit dem Abschluss von Frachtverträgen auf der Basis der festgesetzten Frachten zusammenhänge. Ersichtlich vereinbarte die Beklagte die (kaschiert) pauschalen Abzüge deshalb, um auf diese Weise der von ihr im Schreiben vom 28. Februar 1975 anerkannten Notwendigkeit zur Vereinbarung fester Betreuungsentgelte auszuweichen. Daher liegt es nahe, sogar von vorsätzlichen Verstößen der Beklagten auszugehen. Jedenfalls kümmerte sich die Beklagte nicht hinreichend um die höchstrichterliche Rechtsprechung zur vorliegenden Frage, was jedoch ihre Pflicht gewesen wäre (siehe z. B. BGH vom 1. April 1976 - 11 ZR 105/742) -). Auch die beiden Hausschiffer haben ihre demnach bestehende Pflicht, die von der Rechtsprechung, namentlich vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 20. März 1975, aufgestellten Grundsätze zu beachten, einfach unberücksichtigt gelassen, handelten also gleichfalls grob fahrlässig.
...“.