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Leitsatz:
Der Empfänger einer Schiffsladung, der dem Schiffsführer einen Löschplatz ohne Einschränkungen und Hinweise hinsichtlich seiner Eignung, des Tiefgangs usw. anweist, ist wegen positiver Vertragsverletzung der frachtrechtlichen Nebenpflichten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den das Schiff durch Grundberührung oder Auffahren auf ein Unterwasserhindernis erleidet. Außerdem ist er gemäß § 823 Abs. 1 BGB verantwortlich, weil er einen Verkehr im Bereich des Unfallortes eröffnet hat, der sich nicht in ordnungsgemäßem Zustand befindet.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergericht) Hamburg
vom 11. Dezember 1986
- 6 U 130/86 -
(Schiffahrtsgericht Bremen)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte war Empfängerin einer mit dem MS „AP" beförderten Schotterladung. Dem Schiffsführer wurde ein Löschplatz angewiesen, der sich außerhalb des Schiffahrtsweges befand, aber auch von der Tide beeinflußt wurde. Der Löschplatz lag im Bereich einer von der Beklagten eingerichteten und betriebenen Wasserbaustelle.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz für den Schaden, den MS „A" durch Grundberührung am Löschplatz erlitten hat, sowie Erstattung der Kosten für einen Sachverständigen.
Die Beklagte behauptet, die Schiffsführung darauf hingewiesen zu haben, sie kenne den Tiefgang an der Löschstelle nicht, das Schiff müsse diesen bei ablaufendem Wasser mit Peilstangen selbst ermitteln. . Die Beklagte ist in erster Instanz zur Leistung des geforderten Schadensersatzes - ohne Sachverständigenkosten - verurteilt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgenommen, auf die Anschlußberufung der Klägerin auch der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten anerkannt.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Beklagte haftet der Klägerin wegen positiver Verletzung ihrer frachtvertraglichen Nebenpflichten als Empfängerin. Unstreitig war sie Empfängerin der vom MS „A" beförderten Schotterladung. Als Empfängerin traf sie die Pflicht, einen solchen Liegeplatz anzuweisen, den das Schiff ungefährdet einnehmen konnte, sie haftet für ein Verschulden bei der Auswahl des Liegeplatzes aus positiver Vertragsverletzung (BGH VersR 1965 S. 1169). Unstreitig wies die Beklagte dem Schiff den außerhalb des Schiffahrtsweges befindlichen Löschplatz an, die Parteien streiten lediglich darüber, ob sie darüber hinaus auf eine entsprechende Frage des Schiffsführers angab, der Löschplatz sei bei jedem Wasserstand für einen Tiefgang von 2,5 m geeignet. Der dem Schiff angewiesene Löschplatz befand sich im Bereich einer von der Beklagten eingerichteten und betriebenen Wasserbaustelle. Unstreitig war indessen an der späteren Unfallstelle bei mittlerem Tiden-Niedrigwasser teilweise ein Tiefgang von nur 2,25 m und teilweise von nur 2,40 m vorhanden. Es ist davon auszugehen, daß MS „A", dessen Bug etwa in Höhe der Profilmarkierung 50 lag, im Bereich der Untiefe, welche sich in Höhe der Profilmarkierungen 65 bis 70 befand, auf Grund geriet. Anscheinend kam MS „A" (auch) auf ein Unterwasserhindernis auf. Auch im letzteren Fall ist aber die Beklagte schadensersatzpflichtig, denn sie war der Klägerin gegenüber für den ordnungsgemäßen Zustand des von ihr angewiesenen Liegeplatzes verantwortlich. Der Schiffsführung auf MS „A" konnten weder die bezeichnete Untiefe noch das Unterwasserhindernis bekannt sein, sie durfte von der Ungefährlichkeit des ihr angewiesenen Liegeplatzes ausgehen und hatte keinen Anlaß, die Anweisung der Beklagten nachzuprüfen.
Daß die Beklagte dem Schiff gegenüber äußerte, sie kenne den Tiefgang an der Löschstelle nicht, daher müsse das Schiff bei ablaufendem Wasser mit Peilstangen selbst die Tiefe ermitteln, ist angesichts der Aussagen der Zeugen Hö. und Ha. jedenfalls nicht bewiesen. Der Beklagten hätte die Wassertiefe am Löschplatz bekannt sein müssen, da es sich, wie bereits erwähnt, um eine von ihr selbst eingerichtete und betriebene Baustelle handelte.
Die Beklagte haftet außerdem nach §823 Abs. 1 BGB, weil sie im Bereich des späteren Unfallortes einen Verkehr eröffnet hatte und daher für den ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich war (siehe auch insoweit BGH a.a.O.).
Ein Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB) ist nicht festzustellen. Die Beklagte hat, wie erwähnt, nicht bewiesen, die Führung des Schiffes darauf hingewiesen zu haben, sie kenne den Tiefgang an der Löschstelle nicht, das Schiff müsse diesen daher bei ablaufendem Wasser mit Peilstangen selbst ermitteln. Anhaltspunkte für eine Nichteignung dieses Platzes lagen nicht vor. Auch mußte die Schiffsführung nicht die Wassertiefe mit Peilstangen ermitteln, sondern konnte aufgrund der uneingeschränkt ausgesprochenen Löschanweisung der Beklagten von einer ausreichenden Wassertiefe auch bei Ebbe ausgehen. Etwas anderes hat auch nicht deswegen zu gelten, weil das Niedrigwasser am Unfalltag etwa 50 cm niedriger als normalerweise ausfiel. Dies stellte keine ganz ungewöhnliche Tidenabweichung dar, die Löschanweisung der Beklagten enthielt keine Einschränkung dahin, daß sie nur für den Fall mittleren Tiden-Niedrigwassers gelte.
Die Anschlußberufung der Klägerin ist begründet, die Klägerin kann auch Erstattung der Kosten des Sachverständigen fordern.
...“.