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Urteil des Amtsgerichts - Rheinschiffahrtsgericht - Duisburg-Ruhrort
vom 11.08.2003
5 C 12/03 BSch
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.6.2001 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Hälfte sämtlicher materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 20.02.2001 an der Kaimauer des Hafens in Leverkusen zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann der Kläger eine etwaige Vollstreckung gegen ihn durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110%. des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
Streitwert: Schmerzensgeldantrag: 20.000 Euro Feststellungsantrag: 20.000 Euro
Gesamt: 40.000 Euro
Tatbestand:
Der Beklagte war am 20.2.2001 Eigner und Schiffsführer des MS C.
An jenem Tage wurde das MS C im Hafen der Bayer AG in Leverkusen gelöscht. Der Kläger war Arbeitnehmer der Firma E Lade- und Löschbetriebe GmbH in W. und arbeitete während des Löschens des Schiffes gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Zeugen D., auf dem Schiff. Nachdem die Löscharbeiten beendet waren, verließ der Kläger das Schiff über eine an der Kaimauer hängende und zu diesem Zweck dort angebrachte Leiter. Dabei stürzte er von der Leiter auf das Gangbord des Schiffes und verletzte sich schwer.
Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe den Unfall verschuldet.
Sein Sturz sei dadurch verursacht worden, dass der Beklagte bereits mit dem Ablegemanöver begonnen habe, als sich der Kläger noch auf der Leiter befunden habe. Hierdurch sei die Leiter derart in Bewegung gesetzt worden, dass er den, Halt verloren habe. Aufgrund der erlittenen Verletzungen sei er bis heute arbeitsunfähig. Zur Dauer der weiteren Arbeitsunfähigkeit könnten die Ärzte noch nicht endgültig Stellung nehmen.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.06.2001 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 20.03.2001 an der Kaimauer des Hafens in Leverkusen zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe den Unfall selbst verschuldet; ihn, den Beklagten, treffe kein Verschulden. Nach dem Löschen habe der Laderaum seines Schiffes auf eine Beschädigung besichtigt werden sollen. Dazu sei er von Personen, die auf der Kaimauer gestanden hätten, gebeten worden, das MS C um eine halbe Schiffslänge zu verholen, damit diese Personen das Schiff über eine dortige Treppe betreten könnten. Sein Matrose habe hieraufhin schon die Leine am Heck des Schiffes losgeworfen und er habe schon den Schiffsmotor gestartet, das Schiff habe aber noch gegen den Kai gedrückt gelegen. In dem Moment habe sich der Kläger, ohne Abstimmung oder Ankündigung auf die Leiter begeben. Er, der Beklagte, habe darauf reagiert, indem er dem Matrosen nicht die Anweisung gegeben habe, die Leinen vorn loszuwerfen, sondern zu warten. Während man noch auf den Kläger gewartet habe, sei dieser von der Leiter gefallen. Zudem seien die geltendgemachten Ansprüche verjährt. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass auch andere Faktoren dazu beigetragen haben, dass der Kläger bis heute arbeitsunfähig ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf den fachchirurgischen Bericht des Klinikums Leverkusen vom 6.9.02 (Anlage 13 zur Klageschrift, Blatt 17 der Akten) verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen, mit dem aus dem Sitzungsprotokoll vom 28.7.20.03 ersichtlichen Ergebnis.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war in dem zuerkannten Umfang zulässig und begründet.
Im übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.
A. Die Zahlungsklage
Der Kläger hat gegen den Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB alter Fassung einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, das das Gericht auf 10.000 Euro bemessen hat. § 847 BGB alter Fassung ist gemäß Artikel 229 § 8 Abs. 1 EGBGB anzuwenden, weil das schädigende Ereignis vor dem 1.8.2002 erfolgt ist.
1.
Verjährung kann nicht festgestellt werden.
Maßgeblich ist § 11.7 Abs. 1 Nr. 7 Binnenschiffahrtsgesetz, weil der Kläger eine Forderung aufgrund. Verschuldens der Schiffsbesatzung geltend macht. § 117 Binnenschiffahrtsgesetz gilt auch für Ansprüche, die auf §§>823 ff. BGB gestützt werden (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 117 Rd.-Nr. 1) Der geltend„gemachte Anspruch verjährt somit mit dem Ablauf eines Jahres, gemäß § 117 Abs. 2 Binnenschiffahrtsgesetz beginnend `mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist. Die Verjährungsfrist lief somit ab am 31.12.2002. Rechtzeitige Unterbrechung gemäß § 209 Abs. 1 BGB alter Fassung bzw. rechtzeitige Hemmung gemäß § 204 Abs.1 Nr. 1 BGB neuer Fassung in Verbindung mit § 170.Abs. 3 BGB alter Fassung bzw. § 167 ZPO neuer Fassung kann festgestellt werden. Danach wird die Verjährung unterbrochen bzw. gehemmt, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist die Klage anhängig gemacht worden ist und wenn die Zustellung zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist aber noch demnächst erfolgt. Nach Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Landgerichts Köln vom 22.11.02 hat der Kläger die Klageschrift vom 25.11.02 am 26.11.02 beim Landgericht Köln eingereicht. Mit gerichtlicher Verfügung vom 26.11.02 wurde das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Zustellungsverfügung getroffen. Unerheblich ist, dass die Zustellung der Klage an den Beklagten erst Ende Januar / Anfang Februar 2003, also nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt ist, denn die Zustellung erfolgte noch „demnächst" im Sinne der genannten Vorschriften (vgl. dazu Zöller, Kommentar zur ZPO, 22. Auflage, § 270 Rd.-Nr. 5; Baumbach/Hartmann, Kommentar zur ZPO, 61. Auflage, § 167, Rd.Nr. 16; jeweils dazu, dass eine Verzögerung der Zustellung ins Ausland dem Kläger, der rechtzeitig die Klageschrift eingereicht hat, nicht angelastet werden kann).
2.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann festgestellt werden, dass der Beklagte den Unfall verschuldet hat.
Es ist erwiesen, dass sich das Schiff bewegt hat, während der Kläger gerade auf der Leiter war und dass der Kläger infolge dessen von der Leiter gestürzt ist.
Unstreitig hatte der Beklagte bereits veranlasst, dass sein Matrose, der Zeuge K., die Leine am Heck des Schiffes losgeworfen hatte. Diese Tatsache in Verbindung mit der Aussage des Zeugen D. gibt dem Gericht die Überzeugung von dem genannten Geschehensablauf. Der Zeuge D. hatte nach seiner Aussage den Sturz des Klägers von der Leiter nicht beobachtet, sondern nur ein Geräusch gehört. Glaubhaft hat er aber ausgesagt, vielleicht zwei Meter daneben gestanden zu haben und auf das Geräusch sofort vom Kai hinunter auf das Schiff geblickt zu haben. Dabei habe er bemerkt, wie die Leiter „richtig ruckelte" und habe weiter bemerkt, dass sich das Schiff bewegt habe. Das Schiff, das ursprünglich dicht am Kai gelegen habe, habe sich langsam schräg nach hinten vom Kai wegbewegt. Der Zeuge gab des weiteren auch eine nachvollziehbare Erklärung dafür, wie schon eine geringfügige Bewegung des Schiffes zu einer heftigen Bewegung der Leiter führen konnte; nämlich dadurch, dass das Schiff während des Löschvorgangs langsam nach oben gestiegen sei und dadurch die Leiter mit emporgehoben habe. Schon eine geringfügige Bewegung des Schiffes weg von der Kaimauer führte dann dazu, dass die Leiter wieder herunterfiel und dadurch in eine heftige Bewegung geriet. Dies verursache Sturzes des Klägers.
Das Gericht hat keine Veranlassung, an dieser nachvollziehbaren Aussage des Zeugen D. zu zweifeln. Er hatte für die Beobachtungen, die er geschildert hat, eine sehr gute Beobachtungsposition. Weiter fiel auf, dass er genau trennte zwischen dem, was er tatsächlich beobachtet hat und dem was er aufgrund seiner Position nicht beobachten konnte, nämlich insbesondere den Kläger auf der Leiter und den Sturz selbst. Für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen D. sprach zusätzlich seine Aussagekonstanz. Seine Aussage entsprach im wesentlich und insbesondere auch zu den wichtigen Umständen seiner bereits vor der Polizei am 3.5.02 gemachten Aussage.
Die Aussage des Zeugen K. konnte die Überzeugung des Gerichts nicht erschüttern. Der Zeuge Krause hat zwar bestritten, dass sich das Schiff bewegt habe. Es fiel aber auf, dass er zu weiteren wesentlichen Tatsachen keine Angaben machte, möglicherweise aus fehlender Erinnerung. So hat er nichts dazu bekundet, dass er die Leine am Heck des Schiffes losgeworfen habe; auch konnte er sich nicht' daran erinnern, dass er entsprechend der Aussage des Zeugen O. das vorne am Schiff befindliche Tau vom Schiffspoller gelöst hatte und damit beschäftigt war, das Tau auch vom Landpoller zu lösen, obwohl der Zeuge einräumte, dass eigentlich er nur dieses Besatzungsmitglied gewesen sein kann. Insgesamt erschien dem Gericht die Aussage des Zeugen K. deshalb auch zu der Bewegung des Schiffes als nicht geeignet, die klare und eindeutige Aussage des Zeugen, D. in Zweifel zu ziehen.
Diese unfallursächliche Bewegung seines Schiffes hat der Beklagte zu vertreten und begründet sein Verschulden an dem Unfall. Denn es war üblich und auch dem Beklagten bekannt, dass die Mitarbeiter des Lade- und Löschbetriebes unmittelbar nach Beendigung des Löschens das Schiff verließen und zwar über die zu diesem Zweck an
der Kaimauer hängende Leiter. Eine andere Möglichkeit, das Schiff zu verlassen, bestand nicht. Dem entspricht auch die Darstellung des Beklagten, dass er mit dem Verholen seines Schiffes habe abwarten wollen, bis der Kläger das Schiff verlassen hatte. Tatsächlich hatte der Beklagte aber schon zuvor durch das Lösen der Schiffsbefestigung am Heck die Ursache für die Bewegung des Schiffes gesetzt, obwohl der Beklagte hätte wissen können und müssen, dass durch das Lösen eines Teils der Schiffsbefestigung die sichere Lage des Schiffes nicht mehr gewährleistet war, insbesondere nicht an der Liegestelle in Leverkusen, an der eine starke Strömung herrschte, wie die Beweisaufnahme ebenfalls ergeben hat.
3.
Das Gericht hat das angemessene Schmerzensgeld auf, 10.000 Euro festgesetzt, damit auf die Hälfte des vom Kläger genannten Mindestbetrages von 20.000 Euro.
Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes sind alle nachteiligen Folgen für die körperliche und seelische Verfassung des Verletzten zu berücksichtigen (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 62. Auflage, § 253, Rd.-Nr. 15). Zugrunde gelegt hat .das Gericht dabei, dass der Kläger durch den Unfall gemäß dem fachchirurgischen Bericht des Klinikums Leverkusen vom 6.9.02 einen körpernahen verschobenen Oberschenkeltrümmerbruch links, einen Fersenbeintrümmerbruch links und einen nicht verschobenen Bruch des Griffelfortsetzes der Speiche am linken Handgelenk erlitten hat. Weiter hat das Gericht zugrunde gelegt, dass der Kläger entsprechend dem genannten Bericht stationär im. Krankenhaus untergebracht war vom 20.2.01 bis zum 23.3.01, dass anschließend eine ambulante Behandlung des Klägers durchgeführt wurde, dass er erneut stationär untergebracht war vom 14.5. bis 15.6.01 zur Entfernung von 2 Drähten aus dem Fersenbein, dass ab dem 20.8.01 eine ambulante Rehabilitation durchgeführt wurde, dass der Kläger erneut vom 4.10. bis 8.1.0.01 zwecks Entfernung der Bolzen aus dem Oberschenkel stationär untergebracht war und dass ab dem 6.3.02 eine Maßnahme in der Unfallklinik Duisburg-Buchholz durchgeführt wurde. Diese Verletzungen und Behandlungen des Klägers konnten als unstreitig bewertet werden. Das Bestreiten des Beklagten zu den Verletzungen in der Klageerwiderung kann nur dahin verstanden werden, dass der Beklagte eine nach wie vor bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers als Folge des Unfalls mit Nichtwissen bestreitet. Dies war nicht näher aufzuklären. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Frage einer nach wie vor bestehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls bedeutsam ist für das von dem Kläger in diesem Rechtsstreit geltend gemachte Schmerzensgeld. Maßgebliche Faktoren dafür waren vielmehr die erlittenen Verletzungen und die dadurch bedingten ärztlichen Behandlungen, insbesondere Operationen.
Grundsätzlich angemessen wäre dafür der von, dem Kläger genannte Betrag von 20.000 Euro. Bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes ist jedoch auch ein Mitverschulden des Verletzten zu berücksichtigen (vgl. Palandt, am angegebenen Ort, Rd.-Nr. 17). Ein solches Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz kann festgestellt werden, Unwidersprochen und damit unstreitig hat der Beklagte vorgetragen, dass er nicht nur die Leine am. Heck des Schiffes hatte lösen lassen, um das Verholmanöver durchzuführen, sondern dass er auch bereits den Motor seines Schiffes gestartet hatte. Der Kläger musste also damit rechnen, dass sich das Schiff jeden Moment zumindest geringfügig bewegen konnte. Auch er war entsprechend der Aussage des Zeugen O. wie der Zeuge D. ein erfahrener Löscharbeiter, konnte und musste deshalb wie der Zeuge D. wissen, dass die an der Kaimauer w 4 hängende Leiter durch das Schiff möglicherweise angehoben worden war und schon bei einer geringen Bewegung des Schiffes auf die ursprüngliche Position herunterfallen konnte. Gleichwohl hat er sich entschlossen, in dieser gefährlichen Situation auf die Leiter zu steigen. Dieses daraus sich ergebende Mitverschulden des Klägers hat das Gericht ebenso schwer bewertet wie das Verschulden des Beklagten und dem gemäß das Schmerzensgeld: auf 10.000 Euro als angemessen festgesetzt.
B. Die Feststellungsklage
Die Feststellungsklage ist in dem zuerkannten Umfang begründet; im übrigen war sie ebenfalls als unbegründet. abzuweisen.
Ein Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (vgl. BGH NJW - RR 88, 445; Zöller § 256 ZPO, Rd.-Nr. 8a). Dies kann angenommen werden. Es ist zumindest möglich, dass der Kläger nach wie vor noch arbeitsunfähig ist aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen und dass er als Folge des Unfalls heute noch nicht bezifferbaren materiellen und/oder immateriellen Schaden erleidet. Bei dem Feststellungsaspruch war jedoch das hälftige Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen.
C.
Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 284 ff. BGB alter Fassung; die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung. über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709, 1.08 ZPO für den Kläger und auf §§ 708 Nr. 11, 7111,108, ZPO für den Beklagten.