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Urteil der Berufungskammer der Zentralkomission für die Rheinschiffahrt
vom 18.03.2013
475 Z - 2/13
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Eignerin des MS „L“ und macht aus eigenem und aus abgetretenem Recht der HDI AG als Schiffskaskoversicherer des MS „L“ gegen die Beklagten zu 1) und 2) als gemeinsame Schiffseigner sowie gegen den Beklagten zu 3) als verantwortlichen Schiffsführer des TMS „A“ (im Folgenden: Schiffsführer S) Schadensersatzansprüche aus dem nachstehend beschriebenen Schiffsunfall geltend.
Am 22. Juli 2008 ereignete sich auf den Rhein nördlich des Hafens K-N bei Rheinkilometer 697,52 gegen 6.15 Uhr eine Schiffskollision. Hieran war das von dem Schiffsführer S geführte TMS „A“ als Bergfahrer und MS „L“ mit dem Schiffsführer P als Talfahrer beteiligt. Beide Schiffe fuhren beladen. Zum Unfallzeitpunkt herrschten auf dem Rhein gute Sichtverhältnisse. Der Streit der Parteien geht im Wesentlichen darum, zu welchem Zeitpunkt TMS „A“ eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord von MS „L“ verlangt und zu welchem Zeitpunkt die blaue Tafel gesetzt und das Funkellicht angeschaltet worden ist. Streitig ist auch der Inhalt einzelner Funkkontakte. Unstreitig wurde MS „L“ weiter nach Steuerbord an den rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne geführt. Es kam zur Kollision, wobei der Kopf von TMS „A“ backbords auf das Vorderschiff von MS „L“ auftraf und an der Backbordseite entlang schrammte. An beiden Schiffen entstanden erhebliche Schäden. MS „L“ schlug über Steuerbord um und lag mit dem Kopf zu Berg außerhalb der Fahrrinne fest. Nach mehreren vergeblichen Versuchen konnte es am Abend des Tages freigeturnt werden.
Die Klägerin hat zur Begründung der Klage vorgetragen:
Der Schiffsführer P des MS „L“ habe den Bergfahrer aus einer Entfernung von etwa 1 km in der Mitte der Fahrrinne erstmals wahrgenommen, wobei der Bergfahrer ohne blaue Tafel und Funkellicht unterwegs gewesen sei. MS „L“ habe eine Begegnung Backbord-Backbord erwartet und seinen Kurs noch etwas weiter nach Steuerbord an den Rand der Fahrrinne verändert. Erst als die Schiffe noch etwa eine Schiffslänge voneinander entfernt gewesen seien, habe TMS „A“ plötzlich über Kanal 10 eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord verlangt, steuerbords die blaue Tafel gesetzt und das Funkellicht eingeschaltet. Der Schiffsführer des MS „L“ habe sofort geantwortet, dass Steuerbord-Steuerbord nicht mehr klar gehe, sondern dass eine Backbord-Backbord Begegnung erfolgen solle. Weitere Gespräche habe es zwischen den Schiffsführern nicht gegeben. TMS „A“ sei dann in Backbordschräglage in seinen Kurs geraten. Er habe deshalb noch weiter nach Steuerbord gehalten und sei aus der Fahrrinne geraten. Eine Begegnung Backbord-Backbord wäre gefahrlos möglich gewesen, wenn TMS „A“ nicht seinen Kurs nach Backbord verändert hätte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 126.444,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 119.808,06 € seit dem 26.09.2008 und von weiteren 6.636,50 € seit dem 07.11.2008, zuzüglich einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 2.282,00 € zu zahlen sowie
den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Verklarungsverfahrens P, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort - 25 II 2/08 Bsch - aufzuerlegen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen:
TMS „A“ sei bereits ab Rheinkilometer 699 etwa in der Mitte des Stroms und damit am rechten Rand der Fahrrinne gefahren. Mit einem Koppelverband habe es – bei gesetzter blauer Tafel nebst Funkellicht - eine Steuerbord-Steuerbord Begegnung gegeben. Etwa bei Rheinkilometer 698 habe der Schiffsführer S die ebenfalls rechtsrheinisch fahrende Talfahrt bemerkt. Er habe sie als Väth-Schiff identifiziert und über Kanal 10 den Talfahrer angesprochen und eine Steuerbord an Steuerbord Begegnung verlangt und angefragt, warum er so weit steuerbord fahre. Eine Antwort habe er nicht erhalten. Deshalb habe er später den Talfahrer erneut angesprochen und eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt. Es sei wiederum keine Reaktion erfolgt, wobei TMS „A“ nun am rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne ca. 40 Meter vom rechtsrheinischen Ufer geführt worden sei. Der Schiffsführer habe abgestoppt und rückwärts gemacht. Erst als MS „L“ etwa 200 m vor dem Kopf von TMS „A“ gewesen sei, habe er eine Antwort von TMS „L“ erhalten mit dem Inhalt, er solle nach Steuerbord halten, MS „L“ wolle eine Begegnung Backbord-Backbord machen. Er habe geantwortet, dass dies nicht mehr möglich sei. TMS „A“ sei inzwischen ständig geworden. MS „L“ sei in Steuerbordschrägfahrt in Richtung rechtsrheinisches Ufer dann in den Kurs des TMS „A“ gekommen. Der Schiffsführer des TMS „A“ habe die Maschine vollan zurück gemacht, um die Kollision weniger heftig ausfallen zu lassen. Im Zeitpunkt der Kollision habe auf der Steuerbordseite des TMS „A“ eine Fahrrinnenbreite von 120 - 150 m für eine gefahrlose Begegnung zur Verfügung gestanden. Aus der zeitlichen Abfolge der Funkgespräche und der gefahrenen Geschwindigkeit der Schiffe ergebe sich jedenfalls, dass TMS „A“ in einem Abstand von deutlich mehr als 500 m die Begegnung Steuerbord an Steuerbord unter Hinweis auf die gesetzte blaue Tafel verlangt habe, ohne zunächst eine Antwort oder eine Reaktion des MS „L“ zu erhalten. Ferner stehe fest, dass MS „L“ der Weisung des Bergfahrers nach einer Begegnung Steuerbord an Steuerbord nicht entsprochen habe, sondern entgegen dieser Kursweisung gefahren sei.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach mit einem Anteil von 70 Prozent für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Schiffsführer des TMS „A“ sei ein verschuldeter Verstoß gegen §§ 1.04 a), b) 6.04 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung (RheinSchPV) anzulasten. Der Bergfahrer müsse dem Talfahrer einen geeigneten Weg für die Begegnung freilassen. Der Talfahrer habe bis zu der Kollision beständig einen für eine Begegnung Backbord-Backbord geeigneten Kurs im rechtsrheinischen Bereich der Fahrrinne verfolgt, dies sei für den Bergfahrer auf Grund der guten Sichtbedingungen über eine für ein eigenes Fahrmanöver hinreichend große Strecke erkennbar gewesen. Die örtlichen Gegebenheiten hätten unstreitig hinreichend Raum für eine gefahrlose Begegnung Backbord-Backbord gelassen. Da eine Kursweisung des Bergfahrers ebenso feststehe wie die Tatsache, dass der Talfahrer nicht den ihm gewiesenen Weg genommen habe, sei der Talfahrer darlegungs- und beweispflichtig, dass keine § 6.04 Nr. 3 b) RheinSchPV entsprechende Kursweisung erteilt worden sei. Er habe seine Behauptung zu beweisen, der Bergfahrer habe ihm keinen geeigneten Weg gewiesen und er habe die Kursweisung nicht befolgen können. Dieser Beweis sei erbracht. Ein Bergfahrer, der keine rechtzeitige Weisung erteile oder der nicht dafür sorge, dass seine Weisung vom Talfahrer rechtzeitig wahrgenommen werde, lasse diesem keinen geeigneten Weg frei. Entscheidende Bedeutung komme im Rahmen der Beweiswürdigung den Bekundungen des an dem Geschehen persönlich nicht beteiligten Zeugen S zu. Demgegenüber hätten die Bekundungen der Schiffsführer der unfallbeteiligten Schiffe bzw. des Zeugen M als Besatzungsmitglied des MS „L“, die die Unfallschilderung der jeweiligen Partei bestätigt hätten, keinen maßgeblichen Beweiswert, weil diese Zeugen ein besonderes persönliches Interesse am Ausgang des zu erwartenden Schadensersatzverfahrens hätten und deshalb nicht ersichtlich sei, dass der Darstellung der einen Seite mehr Glauben zu schenken sei als der Darstellung der anderen Seite. Demgegenüber habe das Gericht bei den Bekundungen des Zeugen S keine Entlastungs- oder Belastungstendenzen zu finden vermocht. Er habe von drei Anrufen des Bergfahrers berichtet, allerdings nicht bekundet, dass der Bergfahrer bei dem ersten Anruf eine Wegweisung gegeben hätte. Das Gericht gehe davon aus, dass dem Zeugen ebenfalls erinnerlich gewesen wäre, wenn der Bergfahrer bei dem ersten Anruf tatsächlich den Talfahrer als Väth-Motor angesprochen, eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord verlangt und gefragt hätte, warum er so weit steuerbords fahre. Nach der Aussage des Zeugen S habe der Bergfahrer erst bei seinem zweiten, weniger als eine Minute später erfolgenden Anruf eine Begegnungsanweisung Steuerbord an Steuerbord ausgesprochen. Die hierauf erfolgende Reaktion des Talfahrers habe der Zeuge dem Inhalt nach in Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugen S, P und M wiedergegeben. Danach habe der Talfahrer in direkter Antwort eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt. Der Zeuge habe auch einen dritten Anruf des Bergfahrers bestätigt, der allerdings angespannt erneut „Steuerbord an Steuerbord“ verlangt habe und nicht, wie der Zeuge S geantwortet haben wolle, dass es für Backbord-Backbord zu spät sei. Aus dieser Aussage des Zeugen S schließe das Gericht, dass die Begegnungsanweisung des Bergfahrers nicht so rechtzeitig erfolgt sei, dass der Talfahrer ihr noch ohne die Gefahr einer Kollision hätte nachkommen können. Der Talfahrer habe vielmehr bis zum verspäteten Setzen des Zeichens gemäß § 6.04 Nr. 2 RheinSchPV davon ausgehen können, dass die Bergfahrt ihn an Backbord vorbeifahren lassen werde.
Demgegenüber vermöge das Gericht der Aussage des Zeugen H keinen Beweiswert beizumessen. Dieser Zeuge habe einen Funkverkehr der beteiligten Schiffsführer geschildert, der noch über die von dem Zeugen S bekundeten Gespräche hinausgehe. Seine Aussage sei zwar ausgesprochen detailliert gewesen; es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge den tatsächlichen Funkverkehr, wenn er ihn tatsächlich mitgehört haben sollte, in einer die eine Partei begünstigenden Weise ergänzt und ausgestaltet habe.
Im Rahmen der Beweiswürdigung sei auch der durch die GPS-Aufzeichnungen dokumentierte unstreitige Kurs des MS „L“ in der Annäherung der Schiffe hin zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne zu berücksichtigen. Es widerspreche jeder Übung und der Lebenserfahrung, dass der Schiffsführer von MS „L“ angesichts der guten Sichtverhältnisse sehenden Auges auf einen Kollisionskurs mit TMS „A“ gegangen wäre, wenn TMS „A“ sich vor der Kollision auf Backbordkurs bereits am rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne befunden und zudem die blaue Tafel gesetzt und das Funkellicht eingeschaltet gehabt hätte. Dass die Annäherung des Bergfahrers von MS „L“ etwa infolge Unaufmerksamkeit erst durch den zweiten Anruf von Seiten TMS „A“ aufgefallen wäre, schließe das Gericht angesichts der durch die insoweit unstreitige GPS-Aufzeichnung dokumentierten langsamen Kursveränderung aus der Mitte der Fahrrinne heraus nach Steuerbord an den Rand der rechtsrheinischen Fahrrinne aus. Es werde hieran deutlich, dass MS „L“ von einer Begegnung Backbord-Backbord ausgegangen sei und hierfür noch mehr Raum zwischen den Schiffen habe schaffen wollen. Um der hiernach verspäteten Kursweisung Folge zu leisten, hätte MS „L“ bei einer Entfernung von maximal 200 m einen Kreuzkurs vor dem Kopf von TMS „A“ nach Backbord einschlagen müssen. TMS „A“ hätte in Anbetracht der Kurse der Schiffe und der Annäherungsgeschwindigkeit nicht auf seiner Kursweisung beharren und seinen Kurs fortsetzen oder sogar noch nach Backbord verändern dürfen. Dahinstehen könne, ob die von TMS „A“ behaupteten Schallzeichen gegeben worden seien; sie seien jedenfalls nicht rechtzeitig erfolgt.
Allerdings sei die Haftung für die Folgen des Schiffsunfalls nicht allein auf das Verschulden des Schiffsführers S zurückzuführen. Vielmehr sei auch von einem Verschulden des Schiffsführers P des MS „L“ am Zustandekommen der Kollision auszugehen. Auch die Klägerin habe nicht zur beweisen vermocht, dass Schiffsführer P die ihm gemäß § 1.04 RheinSchPV auferlegten Sorgfaltspflichten in jeder Hinsicht beachtet habe. Wie bereits ausgeführt gehe das Gericht von einem ersten an den Talfahrer gerichteten Anruf von Seiten TMS „A“ ohne Kursweisung aus. Es habe nicht zweifelhaft sein können, dass MS „L“ gemeint gewesen sei. Auf diesen Anruf hätte MS „L“ antworten und nach dem Begehr fragen sollen. In der kritischen Phase der Annäherung nach der erfolgten Begegnungsanweisung hätte MS „L“ überdies die Geschwindigkeit reduzieren müssen, um das Risiko und die Folgen einer Kollision zu mindern. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Kollision vermieden worden wäre oder zumindest ihre Folgen bei Beachtung dieser nautischen Verpflichtung weniger gravierend ausgefallen wären.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt, wobei die Beklagten eine Entscheidung durch die Berufungskammer begehrt haben, während die Klägerin sich mit ihrer - zeitlich später eingegangenen - Berufung an das Rheinschifffahrtsobergericht Köln gewandt hat.
Die Klägerin verteidigt zunächst das angegriffene Urteil insoweit, als das Rheinschifffahrtsgericht ein Verschulden der Schiffsführung des TMS „A“ bejaht hat, sie wendet sich jedoch gegen die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass die Schiffsführung des MS „L“ ein Mitverschulden an dem Schiffsunfall treffe. Im Einzelnen trägt sie vor:
Das Rheinschifffahrtsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Partei „L“ den Beweis dafür erbracht habe, dass die Kursweisung des TMS „A“ in einem Abstand beider Schiffe von Bug zu Bug „von weniger als 200 m“ erteilt worden sei. Dieser Abstand sei angesichts der von beiden Schiffen gefahrenen Geschwindigkeiten zu gering gewesen. Allein der Schiffsführung des TMS „A“ wäre es möglich gewesen, die Kollision zu vermeiden, indem sie unmittelbar vor der Kollision die zu diesem Zeitpunkt eingeleitete Backbordbewegung gestoppt hätte und geradeaus weitergefahren wäre. Für die Schiffsführung des MS „L“ sei es dagegen nicht möglich gewesen, der Kursweisung des TMS „A“ zu folgen. Auf die Ausführungen in dem in der ersten Instanz vorgelegten DST-Gutachten werde ergänzend Bezug genommen. Die Aussagen des Schiffsführers S seien widerlegt. Der behauptete erste Funkspruch in einer Entfernung von etwa 1.000 m sei auf MS „L“ nicht empfangen worden. Auch der Zeuge S habe sich bei seiner Vernehmung an die Kanal 10-Durchsagen erinnern können. Der Zeuge sei sich sicher gewesen, dass bei dem ersten allgemein gehaltenen Funkspruch eine Kursweisung nicht erteilt worden sei. Auf die Aussage des Zeugen H könnten sich die Beklagten nicht mit Erfolg stützen, denn dieser Zeuge habe einen sehr merkwürdigen Funkverkehr behauptet, der nachweislich nicht und auch nicht mit dem von ihm behaupteten Inhalt zu irgendeiner Zeit stattgefunden habe. Zutreffend sei, dass der Bergfahrer eine hohe Verantwortung hinsichtlich der Kursweisung trage. Das bedeute aber auch, dass an die ordnungsgemäße und rechtzeitige Kursweisung des Bergfahrers hohe Anforderungen zu richten seien. Dieser besonderen Verantwortung sei der Bergfahrer „A“ in diesem Havariefall nicht gerecht geworden.
Nicht berechtigt sei jedoch der Vorwurf des Rheinschifffahrtsgerichts, die Schiffsführung des MS „L“ habe auf einen ersten Funkspruch des TMS „A“ nicht geantwortet. Der von dem Zeugen S bekundete Funkspruch habe nicht einmal die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt, die an einen solchen Funkspruch gemäß § 6.32 Abs. 2 a) bis d) RheinSchPV zu richten seien. Es könne daher bereits nicht festgestellt werden, dass ein Schiff, das diesen Funkspruch gehört habe, verpflichtet gewesen sein solle, sich daraufhin zu melden. Als einziger Bergfahrer sei für die Schiffsführung des MS „L“ das TMS „A“ zu sehen gewesen. Hinsichtlich dieses Bergfahrers sei die Situation aber klar gewesen, da die Kurse für eine Begegnung Backbord-Backbord festgelegt gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
der Klage gemäß dem in erster Instanz gestellten Antrag
„die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 126.444,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 119.808,06 € seit dem 26.09.2008 und von weiteren 6.636,50 € seit dem 07.11.2008, zuzüglich einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 2.282,00 € zu zahlen sowie
den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Verklarungsverfahrens P, Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort - 25 II 2/08 Bsch - aufzuerlegen.“
in vollem Umfang stattzugeben und
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen und
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagten wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen insbesondere geltend:
Im Ausgangspunkt zutreffend sei das Rheinschifffahrtsgericht davon ausgegangen, dass der Talfahrer für seine Behauptung darlegungs- und beweispflichtig sei, die Kursweisung des Bergfahrers für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord sei nicht rechtzeitig erfolgt und er habe sie nicht befolgen können. Nicht gefolgt werden könne aber der weiteren Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, der Talfahrer habe diesen Beweis geführt. Der Schiffsführer S von TMS „A“ habe im Verklarungsverfahren als Zeuge ausgesagt, er sei mit blauer Tafel und Funkellicht am rechten Rand der Fahrrinne zu Berg gefahren und habe erstmals in einem Abstand von etwa 1.000 m den Talfahrer über Funk angesprochen und auf die Begegnung Steuerbord an Steuerbord hingewiesen. Da er ohne Antwort geblieben sei und der Talfahrer seinen Kurs nicht geändert habe, habe er dann noch einmal über Funk die Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt. Erst in einem Abstand von etwa 200 m habe der Talfahrer erstmals reagiert, über Funk eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt und sei in Steuerbordschrägfahrt in Richtung des rechtsrheinischen Ufers in seinen Kurs gefahren. Der Zeuge H von MS „E“ habe diese Aussage im Kern in den hier wesentlichen Punkten bestätigt. Auch der Zeuge S habe ausgesagt, ein Bergfahrer habe von dem Talfahrer am N Stadthafen eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt und nachdem keine Antwort gekommen sei, relativ zügig danach nochmals die Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt.
Zu Unrecht meine das Rheinsschifffahrtsgericht, der Aussage des Zeugen H von MS „E“ könne kein Glauben geschenkt werden, weil sich diese Aussage nicht in Übereinstimmung mit den Aussagen der anderen Zeugen bringen lasse. Bei Würdigung seiner Aussage komme es nicht darauf an, ob er Funksprüche mit ihrem genauen Wortlaut wiedergeben könne, sondern entscheidend sei, dass die Aussage in ihrem Kern bestimmt und mit den feststehenden Tatsachen sowie anderen Beweisergebnissen in Einklang stehe. Auch das Rheinschifffahrtsgericht gehe auf Grund der Aussage des Zeugen S zu Recht davon aus, dass der Bergfahrer den Talfahrer dreimal über Funk angerufen habe.
Nach dem Vortrag des Talfahrers und den überreichten GPS-Dateien stehe fest, dass er zu keinem Zeitpunkt den Versuch unternommen habe, der Kursweisung Steuerbord an Steuerbord zu entsprechen. Wenn das Rheinschifffahrtsgericht die Lebenserfahrung bemühe und annehme, der durch die GPS-Aufzeichnungen des Talfahrers dokumentierte stetige Kurs nach Steuerbord zum rechten Rand der Fahrrinne beweise, dass der Bergfahrer nicht am rechten Rand der Fahrrinne mit blauer Tafel zu Berg gefahren sein könne, denn dann hätte der Talfahrer bewusst einen Kollisionskurs gesteuert, unterstelle es eine aufmerksame Schiffsbesatzung. Hierbei übersehe es jedoch, dass Schiffsbesatzungen häufig morgens um 6.00 Uhr bei wenig Verkehr kurz einnickten oder einfach unaufmerksam seien. Dafür spreche hier, dass der Talfahrer auf die ersten Funkdurchsagen des Bergfahrers nicht reagiert habe, wie das Schifffahrtsgericht an anderer Stelle für bewiesen erachtet habe.
Falsch sei die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, der Bergfahrer „A“ hätte nicht auf seiner Kursweisung beharren und seinen Kurs fortsetzen dürfen, sondern ausweichen müssen. Eine der zentralen Grundregeln des Binnenschifffahrtsverkehrsrechts sei das Gebot, dass der Bergfahrer seiner hohen Verantwortung der Kursweisung gerecht werde und bei seiner Kursweisung bleibe, gerade weil der Talfahrer sie befolgen müsse. Darüber hinaus habe das Rheinschifffahrtsgericht auch nicht festgestellt, dass der Bergfahrer die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Kurs zu ändern und dadurch den Unfall zu verhindern.
Das Rheinschifffahrtsgericht habe dem Bergfahrer vorgeworfen, wegen des Kollisionskurses nicht rechtzeitig Schallzeichen gegeben oder eine Klärung herbeigeführt zu haben. Schiffsführer S habe allerdings bei seiner Vernehmung als Zeuge im Verklarungsverfahren ausgesagt, in einer Entfernung von 500 m ein Achtungs-Signal gegeben zu haben. Unabhängig davon habe das Rheinschifffahrtsgericht nicht festgestellt, dass Schallzeichen den Unfall verhindert hätten. Dies wäre nicht der Fall gewesen, da sich der Talfahrer nie um die Kursweisung gekümmert habe.
Die Beklagten verweisen hinsichtlich der Berufung der Klägerin darauf, dass der Zeuge H von MS „E“ die Aussage des Schiffsführers S bestätigt und ausgesagt habe, dass das vor ihm fahrende TMS „A“ vom Talfahrer eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt habe.
Durch Urteil vom 10. Januar 2012 hat das Rheinschifffahrtsobergericht Köln - 3 U 43/11 BSchRh - auf Antrag der Klägerin den Rechtsstreit zur Entscheidung über ihre Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts vom 18. Juli 2011 an die Berufungskammer verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Dies folgt für die Berufung der Beklagten aus Art. 37 Abs. 2, Abs. 3 der Mannheimer Akte und für die Berufung der Klägerin aus den §§ 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungskammer ist gemäß Art. 37bis der Mannheimer Akte insgesamt zur Entscheidung über die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zuständig, da die Berufungskammer zuerst angerufen wurde, und zwar durch die Berufung der Beklagten, während die Berufung der Klägerin zeitlich später bei dem Rheinschifffahrtsobergericht Köln eingelegt worden ist. In der Sache hat nur die Berufung der Beklagten Erfolg, während die Berufung der Klägerin zurückzuweisen ist. Die Beklagten sind der Klägerin aus eigenem bzw. übergegangenem Recht nicht gemäß den §§ 3, 92 ff. BinSchG, 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, so dass die Klage abzuweisen ist. Der Schiffsführer P des MS „L“ hat den Schiffsunfall am 22. Juli 2008 schuldhaft verursacht, während sich ein Verschulden des Schiffsführers S von dem TMS „A“ nicht feststellen lässt.
1. Der Schiffsführer P von dem MS „L“ hat schuldhaft gegen die Vorschrift des § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen.
a) Hiernach müssen die Talfahrer den Weg nehmen, den ihnen die Bergfahrer weisen. Diese Regelung bezweckt, mehr Klarheit für die Begegnungskurse zwischen Berg- und Talfahrt zu schaffen und damit die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen. Die Talfahrer müssen deshalb grundsätzlich auch eine nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung der Bergfahrer befolgen. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Bergfahrer entgegen § 6.04 Nr. 1 RheinSchPV keinen geeigneten Weg für den Talfahrer freigelassen hat oder wenn sonst Umstände vorliegen, die es der Talfahrt nach § 1.05 RheinSchPV erlauben, von der Kursweisung des Bergfahrers abzuweichen. Den Beweis dafür hat der Talfahrer zu erbringen (vgl. BGH NJW-RR 1989, 473). Von dieser Beweisverteilung ist im Ausgangspunkt auch das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgegangen.
b) Schiffsführer P hat den ihm gewiesenen Weg nicht genommen, ohne berechtigt zu sein, von der Kursweisung des Bergfahrers abzuweichen. Entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts kann es nicht als bewiesen angesehen werden, dass der Schiffsführer S die Kursweisung erst so spät gegeben hat, dass der Schiffsführer P als Talfahrer sie nicht mehr befolgen konnte. Aufgrund der im Verklarungsverfahren erhobenen Beweise ist es jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord entsprechend dem Vortrag der Beklagten bereits mit einem Abstand von mehr als 500 m vor der späteren Unfallstelle erfolgt ist und nicht erst – so der Vortrag der Klägerin – zu einem Zeitpunkt, als sich die beiden Schiffe schon auf eine Entfernung von einer Schiffslänge (Bug zu Bug) genähert hatten. Dass der Schiffsführer P auch bei einer derart zeitigen Kursweisung keinen geeigneten Weg für eine Steuerbord an Steuerbord Begegnung mehr hatte, wird nicht einmal von der Klägerin selbst behauptet, jedenfalls hat sie nicht bewiesen, der Schiffsführer P habe auch eine solche Kursweisung nicht befolgen können. Ob ihm die Befolgung einer Kursweisung im zeitlichen Abstand von weniger als einer Minute vor der Kollision noch möglich war, ist deshalb für die Annahme seines Verschuldens unerheblich.
aa) Das Rheinschifffahrtsgericht hat überzeugend begründet, dass es einen ersten Funkspruch des TMS „A“ zumindest mit dem Inhalt „Die Talfahrt am N Stadthafen“ gegeben hat und dass dieser Funkspruch nur an den Schiffsführer des MS „L“ gerichtet sein konnte. Ein solcher Funkspruch ist von dem für die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts als entscheidend angesehenen - unbeteiligten - Zeugen S bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Funkspruch bei dem Schiffsführer des MS „L“ nicht angekommen ist, bestehen nicht. Nicht zu folgen vermag die Berufungskammer allerdings der weiteren Feststellung des Rheinschifffahrtsgerichts, in diesem Funkspruch sei noch keine Kursweisung des Bergfahrers ausgesprochen worden. Dies lässt sich den Bekundungen des Zeugen S nicht entnehmen. Dieser hat zwar nicht ausdrücklich bestätigen können, dass bereits im Rahmen des ersten von ihm vernommenen Funkspruchs eine Kursweisung im Sinne einer Begegnung Steuerbord-Steuerbord erfolgt sei. Auf der anderen Seite hat der Zeuge S dies aber auch nicht ausgeschlossen. Bei dieser Sachlage verbleibt die Möglichkeit, dass der Zeuge S einen Teil des ersten Funkspruchs, der nach dem Vortrag der Beklagten ebenfalls den Hinweis auf eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord enthielt, nicht gehört hat.
bb) Dass die Kursweisung durch den Schiffsführer des TMS „A“ zu spät erfolgt ist, wird auch nicht durch die GPS-Aufzeichnungen bewiesen, die den Kurs des MS „L“ in der Annäherung der Schiffe unstreitig wiedergeben. Zwar teilt die Berufungskammer die Ansicht des Rheinschifffahrtsgerichts, dass es jeder Übung und der Lebenserfahrung widerspräche, dass der Schiffsführer von MS „L“ angesichts der guten Sichtverhältnisse „sehenden Auges“ auf einen Kollisionskurs mit TMS „A“ gegangen wäre. Unberücksichtigt bleibt indessen jedoch die Möglichkeit, dass MS „L“ den vorangegangenen Funkspruch des TMS „A“ aus Unaufmerksamkeit nicht gehört hatte. Bei einer solchen Konstellation ist es durchaus nachvollziehbar und lebensnah, dass der Schiffsführer des MS „L“ keine Veranlassung gesehen hat, seinen Kurs weiter nach Backbord zu richten und davon ausging, eine Begegnung Backbord-Backbord sei möglich.
cc) Den ihr obliegenden Beweis einer nicht rechtzeitigen Kursweisung des Bergfahrers vermag die Klägerin schließlich auch nicht aufgrund der Aussagen der übrigen Zeugen zu führen. Den Bekundungen der Besatzungsmitglieder des MS „L“, dem Zeugen M und dem im Verklarungsverfahren ebenfalls als Zeugen vernommenen Schiffsführer P, die übereinstimmend von nur einer einzigen und zu späten Funkdurchsage des Bergfahrers berichtet haben, stehen die Aussagen des ebenfalls als Zeugen vernommenen Schiffsführers S von einer zeitigen Kursweisung entgegen. Auch nach Auffassung der Berufungskammer gibt es keine objektiven Beweisanzeichen dafür, welcher dieser Aussagen eher Glauben zu schenken ist, zumal die Zeugen als Schiffsführer bzw. als Besatzungsmitglied ein persönliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens haben.
Den Aussagen des unbeteiligten Zeugen H hat das Rheinschifffahrtsgericht keinen Beweiswert beigemessen. Ob dies zu Recht erfolgt ist, kann die Berufungskammer offen lassen. Der Zeuge hat jedenfalls die Behauptung der Klägerin einer zu späten Kursweisung nicht bestätigt, sondern - im Gegenteil – bereits von einer ersten Kursweisung in dem ersten Funkspruch berichtet.
dd) Wenn hiernach aber nicht auszuschließen ist, dass der Schiffsführer des TMS „A“ tatsächlich - wie behauptet - bereits in dem ersten Funkspruch eine Kursweisung Steuerbord-Steuerbord gegeben hatte und nicht erst zu einem Zeitpunkt, als sich die beiden Schiffe nur noch in einem Abstand von einer Schiffslänge von Kopf zu Kopf befunden haben, hat die Klägerin auch nicht bewiesen, dass der Schiffsführer des TMS „A“ dem Schiffsführer des MS „L“ keinen geeigneten Weg für die Begegnung gelassen habe. Die Klägerin stützt ihre Behauptung, dem MS „L“ sei zu wenig Raum belassen worden für eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord gerade darauf, dass erst zu einem sehr späten Zeitpunkt eine Kursweisung erfolgt sei, so dass eine Reaktion nicht mehr möglich gewesen wäre. Auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin wäre aber eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord möglich gewesen, wenn entsprechend der Behauptung der Beklagten bereits in einem Abstand von mehr als 500 m eine Kursweisung Steuerbord-Steuerbord erfolgt wäre und der Schiffsführer des MS „L“ daraufhin tatsächlich seinen Kurs auf eine Steuerbord-Steuerbord Begegnung ausgerichtet hätte, das heißt, sein Schiff weiter nach Backbord gelenkt hätte. Dies ergibt sich auch aus der Abbildung 8 des von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Privatgutachters B vom 19. Februar 2009 (vgl. Seite 9 des Gutachtens), das die Lage der Schiffe bei einer Entfernung Bug zu Bug von 550 m zeigt.
2. Neben diesem feststehenden Verschulden des Schiffsführers des MS „L“, der die Kursweisung des Schiffsführers des TMS „A“ entgegen § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV nicht beachtet hat, hat die Klägerin ein Verschulden des Schiffsführers des TMS „A“ nicht bewiesen.
a) Dies gilt zunächst für die vom Rheinschifffahrtsgericht als bewiesen angesehene Behauptung der Klägerin, der Bergfahrer habe die Kursweisung i.S.d. § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV derart spät gegeben, dass kein geeigneter Weg mehr für eine Steuerbord an Steuerbord Begegnung verblieben sei. Wie oben ausgeführt worden ist, hat die Klägerin eine nicht rechtzeitige Kursweisung des Bergfahrers nicht zu beweisen vermocht.
b) Ebensowenig kann zu Lasten des Bergfahrers von einem Verstoß gegen § 6.04 Nr. 3 b) RheinSchPV ausgegangen werden. Nach dieser Vorschrift müssen Bergfahrer, die – wie hier – bei Tag, d. h. nach Sonnenaufgang (vgl. § 1.01 RheinSchPV), die Talfahrer an Steuerbord vorbeifahren lassen, rechtzeitig nach Steuerbord ein weißes helles Funkellicht und eine hellblaue Tafel zeigen. Der Schiffsführer des TMS „A“ hat im Rahmen seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren bekundet, dass im Zeitpunkt der ersten Kursweisung an den Talfahrer die blaue Tafel bereits gesetzt gewesen und auch das weiße Funkellicht in Funktion gewesen sei. Dem stehen zwar die Bekundungen des Schiffsführers des MS „L“ und eines Besatzungsmitglieds dieses Schiffes entgegen, wonach das Setzen der blauen Tafel und das Anschalten des Funkellichts erst kurz nach dem – nach ihrer Darstellung – ersten Funkspruch bei einem Abstand von lediglich einer Schiffslänge und damit verspätet erfolgt sei. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass diesen Bekundungen ein höherer Wahrheitsgehalt als denjenigen des Schiffsführers des TMS „A“ zukommt. Die beiden unbeteiligten Zeugen S und Hn haben unmittelbar nur den Funkverkehr verfolgt, die Schiffe in der Annäherung vor der Kollision nicht gesehen. Immerhin hat aber der Zeuge Hn davon berichtet, dass sich der Schiffsführer des MS „L“ dafür entschuldigt habe, die Flagge nicht gesehen zu haben. Bei diesem Beweisergebnis hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis eines Verstoßes des Bergfahrers gegen § 6.04 Nr. 3 b) RheinSchPV nicht geführt.
c) Entsprechendes gilt für einen möglichen Verstoß des Bergfahrers gegen § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV. Wenn zu befürchten ist, dass die Absicht der Bergfahrer von den Talfahrern nicht verstanden worden ist, müssen die Bergfahrer zwei kurze Töne geben, wenn die Vorbeifahrt – wie hier - an Steuerbord stattfinden soll. Die Klägerin hat die Aussage des Schiffsführers des TMS „A“ im Verklarungsverfahren, in einer Entfernung von etwa 500 m und damit rechtzeitig ein Achtungssignal gegeben zu haben, nicht widerlegt. Auf die weitere Frage, ob ein akustisches Signal den Schiffsführer von MS „L“ dazu bewogen hätte, seinen Kurs nunmehr auf eine Steuerbord-Steuerbord Begegnung einzurichten, kommt es deshalb nicht an.
d) Schließlich lässt sich ein Verschulden des Schiffsführers des TMS „A“ auch nicht daraus herleiten, dass er nach der Antwort des Schiffsführers des MS „L“ nach dem zweiten Funkspruch, eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord sei nicht mehr möglich, gleichwohl an dieser Weisung festgehalten hat. Die Klägerin macht unter Hinweis auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten des Sachverständigen B geltend, dass zu diesem späten Zeitpunkt nur noch eine Begegnung Backbord-Backbord möglich gewesen wäre, während auf Grund der Stellung der Schiffe im Strom eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord ausgeschlossen gewesen sei. Es steht aber nicht fest, ob die Behauptung der Klägerin zur Stellung der Schiffe zutrifft. Zwar ergeben sich der Kurs und die Annäherungsbewegung des MS „L“ auf die Kollisionsstelle aus den von dem Privatgutachter B ausgewerteten GPS-Aufzeichnungen. Offen ist demgegenüber jedoch, an welchem Standort sich konkret TMS „A“ vor der Kollision befand. Insoweit führt auch das Rheinschifffahrtsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend aus, dass nicht zweifelsfrei geklärt sei, welchen Kurs TMS „A“ in der Annäherung ab Kilometer 698 tatsächlich verfolgt habe. Der von dem Privatsachverständigen B in die Bearbeitung der GPS-Aufzeichnungen lediglich auf Grund der Angaben von Schiffsführer P eingetragene Kurs des TMS „A“ (vgl. Abbildungen 9 bis 11 auf den Seiten 11 bis 13 des Gutachtens) ist nicht bewiesen.
Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil des Amtsgerichts - Rheinschifffahrtsgerichts - Duisburg-Ruhrort vom 18. Juli 2011 - 5 C 13/10 BSch - geändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.