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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 25. März 2008
440 Z - 1/08
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2006 - 31 C 3/06 -)
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einer Schiffskollision in Anspruch, die sich am 26.01.2004 in Höhe von Rhein-km 402,0 bei unsichtigem Wetter zwischen dem aus dem Schub- und Schleppboot „S“ und dem Tonnenleger “O“ bestehenden Verband, der sich nach der Ausfahrt aus dem Hafen Speyer auf der Talfahrt befand und von dem bei der Klägerin beschäftigten Schiffsführer Wilhelm B geführt wurde, und dem zu Berg kommenden – später in „A" umbenannten – TMS „T“ ereignete, das, beladen mit 1600 t Gasöl, von dessen Schiffseigener, dem Beklagten, zum Unfallzeitpunkt verantwortlich geführt wurde.
Die klagende Bundesrepublik Deutschland ist Eignerin des Schub- und Schleppboots „S“ und des Tonnenlegers “O“. Das Schub- und Schleppboot „S“ ist 15,57 m lang, 3,59 m breit und mit einer 113-kW-Antriebsmaschine ausgestattet. Es verfügt nicht über Radar. Bei dem „O“ handelt es sich um einen zum Tonnenleger umgebauten offenen Prahm mit 18,28 m Länge und 4,30 m Breite.
Das TMS „T“ ist 99,9 m lang, 9,0 m breit, hat eine Tragfähigkeit von 1627 t und eine Maschinenleistung von 900 PS. Es war zum Unfallzeitpunkt mit Radar ausgerüstet, verfügte jedoch nicht über einen Radareinmannfahrstand.
Die Klägerin hat vorgetragen: Bei Ausfahrt des SB „S" aus dem Hafen am 26.01.2004 gegen 07.40 Uhr habe trotz Dunkelheit gute Sicht geherrscht. Nebel sei nicht erkennbar gewesen. Beleuchtung und Funk beim Verband seien ordnungsgemäß eingeschaltet gewesen. Vor der Ausfahrt aus dem Hafen habe Schiffsführer B über Kanal 10 seine Ausfahrt aus dem Hafen bekannt gegeben. Hierauf habe sich ein Bergfahrer mit der Antwort: „Bergfahrt bei Kilometer 402, Backbord-Backbord Begegnung" gemeldet, was der schifffahrtsüblichen Begegnung in diesem Bereich entspreche. Schiffsführer B habe daraufhin einen Kurs rechts von der Mitte der Fahrrinne eingenommen. Es seien dann insgesamt zwei Begegnungen Backbord an Backbord mit Bergfahrern erfolgt. Die Sicht sei zu diesem Zeitpunkt immer noch gut gewesen. In Höhe von Rhein-km 401,8 sei plötzlich eine Nebelwand aufgetaucht, so dass die Sicht dort lediglich 50-200 m betragen habe. Noch bevor Schiffsführer B habe umdrehen oder in langsamer Fahrt das Ufer habe ansteuern können, sei in ca. 100 m Entfernung vor dem Schubverband das TMS „T" auf Kollisionskurs im Nebel sichtbar geworden. Da nach dem letzten Funkverkehr Backbord-Backbord-Begegnung abgesprochen gewesen sei, habe Schiffsführer B noch versucht, einen Kurs steuerbord einzuschlagen und somit das TMS „T" backbord passieren lassen zu können. Es sei zur Havarie gekommen, wobei der Bug des TMS „T" mit der Backbordseite des Tonnenlegers kollidiert sei. Danach sei der Schubverband an der Backbordseite des TMS „T" entlang gerutscht. Im weiteren Verlauf seien dann der Tonnenleger, mit dem Bug auch das SB „S" unter Wasser gedrückt worden. Die Koppeldrähte des Schubverbandes seien gebrochen und der Tonnenleger abgerissen und gesunken.
Danach sei vom Beklagten als Schiffsführer des TMS „T" der Funkspruch: „Was macht ihr für einen Scheiß? Das war Steuerbord-Steuerbord!" gekommen. Dies sei der erste Funkspruch gewesen, den Schiffsführer B seit der letzten Bestätigung der Backbordbegegnung bei Ausfahrt aus dem Hafen erhalten habe. Schiffsführer B habe erwidert, dass Backbordbegegnungen angesagt gewesen seien. Hierauf habe der Beklagte geantwortet, er habe gar nichts gesagt, er habe telefoniert. Später habe er noch nachgefragt, ob etwas passiert sei, dies jedoch ohne anzuhalten. Während der gesamten Dauer des Havarievorgangs habe TMS „T" seine Geschwindigkeit weder gedrosselt noch die Fahrt gestoppt. Auch im Anschluss an die Havarie habe es seine Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fortgesetzt. Da der Schubverband nach der Havarie nicht mehr manövrierfähig gewesen sei, habe Schiffsführer B das Blaulicht eingeschaltet. Das nachfolgende MS „C" habe den Havaristen längsseits genommen und ihn zum Alten Hafen in Speyer gebracht. Auf Grund der Havarie seien am SB „S" erhebliche Schäden entstanden, und der Tonnenleger sei vollständig zerstört worden.
Nach all dem sei die Havarie eindeutig auf ein überwiegendes Verschulden des Schiffsführers des TMS „T" zurückzuführen. Ein daneben eventuell bestehendes Mitverschulden des Schiffsführers des SB „S“ würde dahinter vollständig zurücktreten. Der Schiffsführer des Tankmotorschiffs sei bei vollkommen unsichtigem Wetter ausschließlich nach Radar gefahren, obwohl das TMS „T" nicht mit einem Radareinmannsteuerstand ausgerüstet gewesen sei und sich auch keine für diesen Fall gemäß § 6.32 RheinSchPV vorgeschriebene zweite, mit dem Radar hinreichend vertraute Person im Steuerhaus befunden habe.
Obwohl Schiffsführer B sich über den Funkkanal 10 gemeldet und der Schiffsführer des TMS „T" diese Meldung auch vernommen habe und er anschließend den Schubverband auch deutlich sichtbar auf seinem Radarschirm 1000 m voraus habe erkennen können, sei von seiner Seite aus weder eine Absprache noch eine Mitteilung über den Standort und die Fahrtrichtung des TMS „T" erfolgt. Dies sei jedoch gemäß § 6.32 Nr. 2 a RheinSchPV für die Radarfahrt zu Berg vorgesehen.
Darüber hinaus habe der Schiffsführer des TMS „T" auch den in der Folge zwischen dem Schiffsführer des SB „S“ und anderen Bergfahrern abgesprochenen und auch durchgeführten Backbord-Backbord-Begegnungen keinerlei Beachtung geschenkt. Stattdessen sei er offensichtlich entgegen der betrieblichen Übung von einer Steuerbord-Steuerbord-Begegnung ausgegangen.
Unzutreffend sei die Behauptung des Beklagten, der Kurs der Schiffe habe einem guten Kurs für eine Begegnung entsprochen. Sowohl der Schubverband als auch das TMS „T" seien am äußersten Rand der Fahrrinne gefahren. Wegen des etwa ab Rhein-Kilometer 402 erfolgten Wechsels der Fahrrinne vom linksrheinischen zum rechtsrheinischen Ufer hin habe dieser Kurs somit von Anbeginn an einem Kollisionskurs entsprochen. Dies hätte der Beklagte bei gebotener nautischer Sorgfalt sofort erkennen können und müssen.
Letztlich entspreche es auch gemäß § 6.04 Nr. 3 RheinSchPV den Grundregeln für das Begegnen, dass der Bergfahrer - soweit er eine Steuerbordbegegnung mit dem Talfahrer wünsche - dies dem Talfahrer gegenüber deutlich machen müsse. Der Schiffsführer des TMS „T" habe jedoch, wie von der Klägerin vorgetragen, gar nichts gemacht, so dass in diesem Fall selbst bei guter Sicht der Schiffsführer des SB „S“ davon hätte ausgehen müssen, das TMS „T" wolle noch den Wechsel der Fahrrinnenseite vor Rhein-km 402 und in der Folge eine normale Backbord-Backbord-Begegnung durchführen.
Der Beklagte habe es sorgfaltspflichtwidrig unterlassen, als Bergfahrer den Schiffsführer des SB „S“ mit seinem Schubverband, welchen er auf seinem Radarschirm habe beobachten können, gemäß § 6.32 Nr. 2 d RheinSchPV wenigstens durch Schallzeichen auf sich aufmerksam zu machen bzw. die Fahrt zu vermindern.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 249.049,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 13.12.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen: Am 26.01.2004 sei das TMS „T" gegen 06.00 Uhr auf Höhe Mannheim bei Dunkelheit zu Berg gefahren. Es habe dichtester Nebel mit einer Sicht von etwa 50-100 m geherrscht, so dass er ausschließlich nach Radar gefahren sei. Das TMS „T" sei mit einem Abstand zu den rechtsrheinischen Krippen von etwa 20 m mit etwa 10,5 km/h gefahren. Ein Talfahrer sei auf dem Radarschirm nicht zu sehen gewesen und habe sich über die eingeschalteten Kanäle 10 oder 18 nicht gemeldet. Dann sei folgende Meldung über Kanal 10 gekommen: „Wasserbauboot „S" kommt aus Hafen Speyer und geht zu Tal." Gegen 07.30 Uhr sei das MS „S" ins Radarbild gekommen. Bei einem Kopf-auf-Kopf-Abstand von ca. 1000 m sei das Schiff mittig, leicht linksrheinisch gefahren, was bei der etwa 300 m breiten Fahrrinne einem guten Kurs für die Begegnung entsprochen hätte. In der Folge habe das TMS „T" die rote Tonne bei Rhein-Kilometer 402,7 in einem Abstand von etwa 10 m passiert.
Plötzlich, beide Schiffe hätten einen Kopf-auf-Kopf-Abstand von allenfalls noch 150 m gehabt, sei das Wasserbauboot fast in einer 90°-Drehung nach Steuerbord in den Bergkurs von TMS „T" gefahren. Er, der Beklagte, habe sofort sein Schiff gestoppt und über Funk noch „Steuerbord-Steuerbord" gerufen. Unmittelbar danach sei es zur Havarie gekommen. Der Steven des TMS „T" sei mit der Backbordseite des Wasserbaubootes, offensichtlich in dessen Mitte, kollidiert.
Der Schiffsführer des Wasserbaubootes habe die Havarie verursacht und verschuldet, da er bei extrem schlechten Sichtverhältnissen (Nebel) mit dem MS „S" ohne Radargerät die Fahrt aufgenommen und fortgesetzt habe.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beweiserhebung mit Urteil vom 20.10.2006 der Klage dem Grunde nach zu 2/3 stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin könne Ersatz von zwei Dritteln des ihr bei dem Unfallereignis entstandenen Schadens beanspruchen. In Höhe eines Drittels müsse sie sich ein Mitverschulden ihres Schiffsführers B zurechnen lassen.
Dem Beklagten als Schiffsführer des TMS „T" seien unfallursächliche Fehler anzulasten.
Zunächst sei ihm vorzuwerfen, dass er - obwohl das TMS „T“ unstreitig nicht mit einem Radareinmannfahrstand ausgerüstet sei - entgegen § 6.32 Abs. 1 RheinSchPV eine mit der Verwendung von Radar hinreichend vertraute zweite Person während der Fahrt nicht eingesetzt habe.
Darüber hinaus sei unter den gegebenen und festgestellten Sichtverhältnissen auch versäumt worden, die nach § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV zur Kursweisung vorgeschriebenen Schallsignale abzugeben. Insoweit sei zwischen den Parteien unstreitig und von allen Zeugen auch bestätigt worden, dass keines der an der Havarie beteiligten Schiffe Schallsignale abgegeben habe. Dies hätte erfolgen müssen, denn bei dem herrschenden Nebel und aufgrund der Tatsache, dass die Schiffsführung des TMS „T" selbst den ankommenden Talfahrer nicht optisch habe sehen können, sei klar gewesen, dass der Talfahrer auch das TMS „T" nicht rechtzeitig würde erkennen können oder gar evtl. Begegnungsanweisungen Folge leisten könnte. Dies um so mehr, als die Schiffsführung des TMS „T" den Schubverband „S" schon bei einem Kopf-auf-Kopf-Abstand von 1000 m gesehen habe und das Schubboot sich nach Ausfahrt aus dem Hafen Speyer über Kanal 10 gemeldet habe. Letzteres sei auch von dem Beklagten bemerkt worden.
Hinzu komme, dass gem. § 6.04 Nr. 3 RheinSchPV der Bergfahrer, der eine Steuerbord-Begegnung mit dem Talfahrer wünsche, dies dem Talfahrer gegenüber deutlich machen müsse. Unstreitig habe der Beklagte jedoch keinerlei Zeichen gegeben. Die Abgabe der Schallzeichen wäre unter diesen Umständen nur dann entbehrlich gewesen, wenn zu diesem Zeitpunkt durch eine Begegnungsabsprache über Funk, wie sie nur für Fahrzeuge in der Radarfahrt durch § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV ausdrücklich vorgeschrieben sei, Klarheit über die bevorstehende Begegnung schon bestanden hätte oder sofort geschaffen worden wäre. Nach § 6.30 Nr. 2 RheinSchPV müssten alle Fahrzeuge bei unsichtigem Wetter den anderen Fahrzeugen die für die Sicherheit der Schifffahrt notwendigen Nachrichten geben. Das sei jedoch nicht geschehen. Dies obwohl der Schubverband sich schon nach der Ausfahrt aus dem Hafen Speyer gemeldet habe. Hierauf habe sich jedoch lediglich der dem TMS „T" vorausfahrende Schiffsführer van Gent gemeldet und als Bergfahrer eine Backbord-Backbord-Begegnung angegeben.
Zu Lasten des Beklagten sei ferner zu berücksichtigen, dass an die Sorgfaltspflichten eines im Nebel mit Radar fahrenden Schiffes erhöhte Anforderungen zu stellen seien (BGH, Urteil vom 17.11.1966, AZ: II ZR 210/64). Der Beklagte habe jedoch, obwohl er das entgegenkommende MS „S" auf seinem Radarschirm bemerkt, dessen Funkspruch gehört und keinerlei Kontakt mit diesem gehabt habe, seine Fahrtgeschwindigkeit bis unmittelbar vor der Havarie nicht vermindert. Letztlich habe er auch nicht den schiffsüblichen Kurs eingehalten, dessen Einhaltung bei unsichtigem Wetter besondere Bedeutung zukomme (BGH VersR 1964, 187; 1974, 189).
Dem gegenüber sei dem Schiffsführer des Verbands zunächst vorzuwerfen, dass er entgegen § 6.30 Nr. 2, 3 RheinSchPV bei Einsetzen des dichten Nebels (unsichtigen Wetters) mit dem von ihm geführten Schub- und Schleppboot „S" nebst Tonnenleger „O" nicht sofort die Talfahrt eingestellt und soweit wie möglich das Fahrwasser frei gemacht habe.
Aufgrund der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren und der Zeugenvernehmung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass von dem Schubboot „S" auf seiner Fahrt aus dem Hafen Speyer bis zur Havarie die zunehmende Sichtverschlechterung auszumachen gewesen sei und dass der Schubverband spätestens bei etwa Kilometer 401-402 in unsichtiges Wetter mit wechselnden Sichtweiten geraten sei. Dies ergebe sich aus den glaubhaften Aussagen der unbeteiligten Zeugen Vogel, Seine, van Gent und Abendroth. Insbesondere stehe aufgrund ihrer Angaben fest, dass Schiffsführer B nicht nur in das unsichtige Wetter hineingefahren sei, sondern auch, obwohl die Sicht nicht mehr als etwa 100 m betragen habe, noch weiter gefahren sei. Ihm sei somit vorzuwerfen, dass er trotz sich bereits anzeigender Sichtverschlechterung und schließlich einer Sichtweite von nicht mehr als 100 m seine Fahrt nicht sofort eingestellt und das Fahrwasser frei gegeben habe. Die Berufungskammer der Zentralkommission habe mehrfach ausgeführt (Urteil vom 07.12.1972 -15 Z-2/72, ZfB 1973, 524, und 363 Z - 11/97), dass bei einer Sicht von 200-400 m zwar die Bergfahrt, nicht aber die Talfahrt nach optischer Sicht fortgesetzt werden dürfe. Gegenteiliges ergebe sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen Abendroth.
Zusammenfassend sei festzustellen, dass beide Schiffsführungen in erheblicher Weise die sie bei der Fahrt in unsichtigem Wetter treffenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Bei deren Beachtung auf beiden Seiten wäre es nicht zu dem Zusammenstoß gekommen. Bei Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile sei von einem überwiegenden Verschulden der Schiffsführung des TMS „T" auszugehen. Das Gericht erachte danach eine Schadensverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Beklagten für gerechtfertigt.
Gegen diese Entscheidung richten sich die form- und fristgerecht eingereichte und begründete Berufung des Beklagten und die (unselbständige) Anschlussberufung der Klägerin, mit denen die Parteien ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen.
Der Beklagte wendet sich im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Beurteilung des Geschehens durch das Rheinschifffahrtsgericht. Er erachtet zunächst den ihm gemachten Vorwurf, die Bestimmung des § 6.32 Nr. 1 RheinSchPV nicht beachtet zu haben, wonach sich bei der Radarfahrt eine zweite, mit der Verwendung von Radar in der Schifffahrt hinreichend vertrauten Person ständig im Steuerhaus aufhalten muss, nicht für berechtigt, weil dies für den Unfall nicht kausal geworden sei. Dasselbe gelte für das Unterlassen der Abgabe von Schallsignalen zur Kursweisung.
Auch das vom Rheinschifffahrtsgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1966 angenommene Verantwortungsgefälle zwischen Radarfahrer und Nichtradarfahrer bestehe wegen gewandelter Verhältnisse heute nicht mehr. Eine erhebliche Gefahrensteigerung habe – anders als in den vom Bundesgerichtshof vor mehr als 40 Jahren entschiedenen Fällen – im vorliegenden Fall nicht aus der Fortsetzung der Fahrt des orientierten Radarbergfahrers TMS „T“, sondern aus der Aufnahme und Fortsetzung der Fahrt des desorientierten Nichtradarfahrers „S/O“ resultiert.
Ferner habe sich das Rheinschifffahrtsgericht mit seinem Vorbringen, dass den Leiter des Außenbezirks Speyer des WSA Mannheim, den Zeugen Abendroth, ein Organisationsverschulden treffe, rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Dieses Verschulden bestehe darin, dass der Außenbezirksleiter Abendroth den Schiffsführer B angewiesen habe, auf einem nebelsensiblen Streckenabschnitt zu einer besonders nebelintensiven Jahreszeit die Talfahrt mit dem radarlosen, schwer navigierbaren Verband „S/O“ aufzunehmen, ohne sich über die seinerzeit herrschende Sicht zu unterrichten und sich bei seiner Stammbehörde in Mannheim telefonisch nach den dort herrschenden Wetterverhältnissen zu erkundigen.
Im Übrigen fehle für eine Verschuldensverteilung zu seinen, des Beklagten, Lasten jegliche Begründung. Auch in der Sache werde die vorgenommene Haftungsverteilung den vom Rheinschifffahrtsgericht festgestellten schweren, havarieursächlichen nautischen Fehlern der Schiffsführung des SV „S/O“ nicht gerecht. Dass dieser, wie vom Rheinschifffahrtsgericht festgestellt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf dem wegen häufig auftretenden Nebels im Großraum Speyer besonders gefährlichen Streckenabschnitt ohne Radar nicht nur in das unsichtige Wetter hineingefahren, sondern bei einer Sicht von nicht mehr als 100 m noch weitergefahren sei, könne nur als verantwortungslos bezeichnet werden. Schließlich hätte auch das Organisationsverschulden der Klägerin bei der Verschuldensabwägung berücksichtigt werden müssen.
Der Beklagte beantragt, das Grundurteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht - Mannheim vom 20.10.2006 – Az. 31 C 1/06 – dahin abzuändern, dass die die Klage abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und erachtet die im erstinstanzlichen Urteil für ein Verschulden der Schiffsführung der Bergfahrt gegebene Begründung für zutreffend, deren Verschulden sie als allein kausal für den Unfall ansieht. Eine erhebliche Gefahrenlage, so macht sie geltend, habe der Beklagte schon dadurch geschaffen, dass er in dichtem Nebel abweichend von dem im Bereich der Unfallstelle schifffahrtsüblichen Kurs an den rechtsrheinischen Tonnen entlang gefahren sei. Davon abgesehen hätte er gemäß §§ 630 Nr. 2, 3 und 5, 6.32 Nr. 1 RheinSchPV schon in Mannheim die Fahrt einstellen und einen Liegeplatz aufsuchen müssen, weil das TMS „T“ nicht mit einem Radareinmannfahrstand ausgestattet gewesen sei und sich auch keine zweite Person mit Radarausbildung im Steuerhaus aufgehalten habe. Die verbotswidrige Fortsetzung der Fahrt sei für die streitgegenständliche Havarie daher sehr wohl ursächlich. Ferner habe die Schiffsführung des Tankmotorschiffs unter Verstoß gegen § 6.04 Nr. 3 und 4 RheinSchPV weder die gewünschte – schifffahrtsunübliche – Begegnung Steuerbord-Steuerbord angezeigt noch Schallsignale abgegeben. Dieser Verstoß wiege um so schwerer, als der Beklagte den Verband nach eigenen Angaben bereits auf eine Entfernung von 1.000 m erkannt habe und bei richtiger Auswertung von dessen Lage „mittig, leicht linksrheinisch“ hätte erkennen können und müssen, dass TMS „T“ auf Kollisionskurs zu dem Verband gelegen habe.
Ein Organisationsverschulden, so trägt sie weiter vor, sei ihr nicht anzulasten. Es liege in der alleinigen Verantwortung des jeweiligen Schiffsführers zu entscheiden, ob eine Fahrt aufgenommen oder fortgesetzt werde.
Soweit das Rheinschifffahrtsgericht jedoch dem Schiffsführer des SB „S“ anlaste, bei Einsetzen des dichten Nebels mit dem Verband nicht sofort die Talfahrt eingestellt und soweit möglich das Fahrwasser freigemacht zu haben, sei dies unzutreffend und, wie sie näher ausführt, auf eine unzutreffende Würdigung der Zeugenaussagen und des Inhalts der Ermittlungsakten zurückzuführen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, das Grundurteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht - Mannheim vom 20.10.2006 – Az. 31 C 1/06 – dahin abzuändern, dass die die Klage gegenüber dem Beklagten dem Grunde nach gerechtfertigt ist.
Der Beklagte beantragt, die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach zu zwei Dritteln für gerechtfertigt erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Berufungskammer teilt die dem zugrunde liegende Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass beide Schiffsführungen den streitgegenständlichen Unfall schuldhaft herbeigeführt haben, wobei das Verschulden des Beklagten dasjenige des Schiffsführers B in einem solchen Maße überwiegt, dass die Haftung für den Unfallschaden der Klägerin im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Beklagten zu verteilen ist.
I.
Dem Beklagten als Schiffsführer des TMS „T“ fallen schwerwiegende, für die Havarie ursächliche Verstöße gegen Vorschriften der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung zur Last.
1. Da das TMS „T“ unstreitig nicht mit einem Radareinmannfahrtstand ausgerüstet war, hätte der Beklagte gemäß § 6.32 Nr. 1 RheinSchPV nur dann mit Radar fahren dürfen, wenn sich eine zweite, mit der Verwendung von Radar in der Schifffahrt hinreichend vertraute Person ständig im Steuerhaus aufgehalten hätte. Das war, wie gleichfalls unstreitig ist, nicht der Fall. Unter diesen Umständen hätte der Beklagte gemäß § 6.30 Nr. 5 RheinSchPV die Bergfahrt beim Einsetzen des unsichtigen Wetters (Nebels) auf der Höhe von Mannheim einstellen und unverzüglich einen Liegeplatz aufsuchen müssen.
Dass die verbotswidrige Fortsetzung der Bergfahrt des TMS „T“ für die Havarie nicht ursächlich gewesen sei, wie der Beklagte meint, kann nicht angenommen werden. Hätte der Beklagte bei Mannheim einen Liegeplatz aufgesucht, wäre es zu der Kollision bei Speyer nicht gekommen. Wäre der Steuerstand des Tankmotorschiffs während der Radarfahrt vorschriftsmäßig besetzt gewesen und das Radarbild mit der gebotenen Sorgfalt ausgewertet worden, so hätte der Schiffsführung auffallen müssen, dass das rechtsrheinisch zu Berg kommende Tankmotorschiff auf Kollisionskurs zu dem zu Tal kommenden Schubverband „S/O“ lag. Denn nach eigenen Angaben des
Beklagten fuhr der Verband, als er bei einem Abstand der Fahrzeuge von ca. 1.000 m ins Radarbild des Tankmotorschiffs kam, mittig, leicht linksrheinisch, was in Anbetracht des linksrheinischen Verlaufs der Fahrrinne im Bereich der Unfallstelle einem Kurs am geografisch rechten Rand der 92 m – nicht 300m, wie der Beklagte meint – breiten Fahrrinne entsprach. Es kann mithin keine Rede davon sein, dass der aus dem Radarbild erkennbare Kurs des Talfahrers einem guten Kurs für eine Steuerbord-Steuerbord-Begegnung entsprochen habe, wie der Beklagte meint.
2. Gemäß § 6.32 Nr. 2 Buchst. a RheinSchPV hätte der Beklagte, nachdem er in der Radarfahrt zu Berg den entgegenkommenden Verband auf dem Radarbildschirm bemerkt hatte, diesem über Sprechfunk unter anderem seinen Standort und seine Fahrtrichtung mitteilen und die Vorbeifahrt absprechen müssen. Das ist unstreitig nicht geschehen. Vielmehr hat der Beklagte nach eigenen Angaben erst unmittelbar vor der Kollision bei einem Abstand beider Fahrzeuge von allenfalls noch 150 m über Funk „steuerbord-steuerbord!“ geschrieben.
Auch die Missachtung dieser Vorschrift war für die spätere Kollision ursächlich. Denn wenn die Begegnung mit der Talfahrt bei einem Abstand der Fahrzeuge von ca. 1.000 m abgesprochen worden wäre, hätte diese noch genügend Zeit für eine Kursänderung gehabt, um der Bergfahrt die gewünschte Steuerbord-Steuerbord-Begegnung gefahrlos zu ermöglichen. Falls mit dem auf dem Radarbildschirm bemerkten Talfahrer kein Sprechfunkkontakt zustande gekommen wäre, hätte der Beklagte gemäß § 6.32 Nr. 2 Buchst. d RheinSchPV Schallsignale geben, seine Geschwindigkeit vermindern und, falls nötig, anhalten müssen. Auch durch diese Maßnahmen hätte sich die Kollision mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden lassen.
Für eine frühzeitige Absprache der von TMS „T“ geforderten Steuerbord-Steuerbord-Begegnung bestand zudem auch deswegen dringender Bedarf, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zumindest ein vorausfahrender Bergfahrer mit der Talfahrt über UKW-Kanal 10 eine Begegnung Backbord-Backbord abgesprochen hatte, wie sie auf dem dortigen Stromabschnitt schifffahrtsüblich ist.
II.
1. Andererseits trifft auch den Schiffsführer des SV „S/O“ ein erhebliches Verschulden an der Havarie. Gemäß § 6.30 Nr. 2, 3 und 5 Buchst. a und b RheinSchPV hätte er bei Aufkommen des unsichtigen Wetters in Gestalt einer Nebelbank die Fahrrinne so weit wie möglich freimachen, unverzüglich einen Liegeplatz aufsuchen und während der Fahrt zu dieser Stelle soweit wie möglich am Rand der Fahrrinne fahren, als Nebelzeichen einen langen Ton geben und diesen in Abständen von längstens einer Minute wiederholen sowie einen Ausguck auf dem Vorschiff des Tonnenlegers aufstellen müssen. Das ist nicht geschehen, obwohl nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Sicht im Bereich der Unfallstelle derart eingeschränkt war, dass eine Fortsetzung der Fahrt nach optischer Sicht nicht mehr möglich war.
Zu Unrecht beanstandet die Anschlussberufung der Klägerin die auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und auf die Aussagen der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen gestützte Feststellung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass schon oberhalb der Unfallstelle unsichtiges Wetter herrschte, das eine Fortsetzung der Fahrt nach optischer Sicht nicht mehr gestattete. Dies ergibt sich insbesondere aus der Aussage des Zeugen Vogel, der den zu Tal fahrenden Schubverband vor der Kollision vom linksrheinischen
Ufer aus bei Rhein-km 401,8 beobachtet und bekundet hat, dass zu dieser Zeit und an dieser Stelle die Sicht auf dem Wasser etwa 200 m betragen habe, so dass er das gegenüberliegende Ufer nicht habe erkennen können. Auch der Zeuge van Gent, der am Unfalltag vor dem TMS „T“ zu Berg fuhr und dem Verband „S/O“ einige Minuten vor der Kollision oberhalb der Autobahnbrücke Speyer (Rhein-km 403,18) begegnete, hat bekundet, dass bei dieser Begegnung die Sicht erheblich eingeschränkt gewesen sei und nicht mehr als „gute 100 m“ betragen habe. Dass die Unfallstelle nach der Kollision in dichtem Nebel lag, geht des Weiteren aus den Aussagen der Zeugen Seine und Abendroth hervor.
Die Aussagen der Zeugen Seidel und Ihrig stehen dem vom Rheinschifffahrtsgericht gewonnenen Beweisergebnis nicht entgegen. Der Zeuge Seidel, der am Unfalltag als Matrosen-Motorwart auf dem Schub- und Schleppboot „S“ eingesetzt war, hat zu den Sichtverhältnissen, die im Bereich der Unfallstelle herrschten, keine Angaben gemacht, sondern nur bekundet, dass die Sicht beim Verlassen des Speyerer Bauhafens und in den folgenden fünf Minuten noch gut gewesen sei. Der Zeuge Ihrig, der den Speyerer Bauhafen mit dem TMS „E“ in der Bergfahrt passierte, bevor der Verband auslief, hat zu den Sichtverhältnissen angegeben, von Mannheim bis zur Autobahnbrücke Speyer habe dichter Nebel geherrscht; ab der Autobahnbrücke habe der
Nebel sich aufgelöst und im Stadtbereich Speyer sei die Sicht klar gewesen. Diesen Angaben lässt sich für die Sichtverhältnisse im näheren Bereich der Unfallstelle bei Rhein-km 402 nichts hinreichend Konkretes entnehmen. Sie steht jedenfalls der vom Rheinschifffahrtsgericht gewonnenen Überzeugung nicht entgegen, dass sich die Sicht nach dem Verlassen des Bauhafens bei der Annäherung an die Autobahnbrücke Speyer zunehmend verschlechterte, so dass die Schiffsführung des SV „S/O“ die Fahrt nicht hätte fortsetzen dürfen.
2. Ein Organisationsverschulden trifft die Klägerin daneben – entgegen der Auffassung des Beklagten – hingegen nicht. Es ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass die Klägerin keine organisatorischen Vorkehrungen dafür getroffen hat, dass jeweils vor Antritt der Fahrt eines ihrer Fahrzeuge die Sichtverhältnisse auf dem zu befahrenden Streckenabschnitt überprüft werden, und der Zeuge Abendroth dem entsprechende Nachforschungen auch nicht angestellt hat, bevor er den Schiffsführer B mit der Bergung einer bei Mannheim vertriebenen Tonne beauftragte. Auch nach der Auffassung der Berufungskammer ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die Entscheidung darüber, ob eine eingeschränkte Sicht der Aufnahme oder Fortsetzung einer Fahrt entgegensteht, allein dem jeweiligen Schiffsführer belässt. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung der Frage, ob für einen auf ein Organisationsverschulden gestützten Schadensersatzanspruch die Zuständigkeit der Berufungskammer gegeben wäre.
III.
Ist der Schaden somit auf das Verschulden der Besatzungen beider beteiligten Schiffe zurückzuführen, so richtet sich die Haftung gemäß § 92c BinnSchG nach der Schwere des beiderseitigen Verschuldens.
Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, dass das Verschulden des Schiffsführers des TMS „T“ dasjenige der Schiffsführung des SV „S/O“ deutlich überwiegt. Der Beklagte hat das TMS „T“ unter Missachtung der für die Fahrt unter Radar geltenden Regelung des § 6.32 Nr. 1 RheinSchPV geführt und dabei die für die Bergfahrt unter Radar geforderten Vorsichtsmaßnahmen nach
§ 6.32 Nr. 2 Buchst. a und d RheinSchPV unterlassen. Zu seinen Lasten fällt zusätzlich ins Gewicht, dass er vom schifffahrtsüblichen Kurs abgewichen ist, dessen Einhaltung bei unsichtigem Wetter besondere Bedeutung zukommt (BGH 1974, 188, 189). Auch den Schiffsführer des SV „S/O“ trifft zwar ein erhebliches Verschulden, denn er hat es trotz sich verschlechternder Sicht schuldhaft unterlassen, rechtzeitig die Fahrt einzustellen, die Fahrrinne nach Möglichkeit freizumachen und die bei unsichtigem Wetter vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Die Berufungskammer ist jedoch mit dem Rheinschifffahrtsgericht der Auffassung, dass das den Beklagten als Schiffsführer des TMS „T“ treffende Verschulden doppelt so schwer wiegt wie das des Schiffsführers B, so dass die Haftung für den von der Klägerin ersetzt verlangten Schaden im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Beklagten zu verteilen ist.
IV.
Aus den dargelegten Gründen wird deshalb für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – Mannheim vom 20.10.2006 – 31 C 1/06 – werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3 zu tragen.