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Leitsatz:
Eine Schadensersatzpflicht besteht nicht, wenn sich ein Fahrzeug, das nicht unter Radar fahren darf und deshalb wegen optisch ungenügender Sicht die Fahrt hätte einstellen müssen, bei der Annäherung an die Kollisionsstelle so verhalten hat, wie es sich nach den Bestimmungen der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung bei zulässiger Radarfahrt hätte verhalten müssen. Insoweit liegt die Beweislast uneingeschränkt bei dem Schiffsführer dieses Fahrzeugs
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 19.06.2006
— Az: 432 Z — 2/06 —
(Vorinstanz: AG Duisburg-Ruhrort, Rheinschifffahrtsgericht, vom 03.01.2005 — 5 C 6/04 BSch)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Die Parteien streiten über die Folgen einer Schiffskollision, die sich Mitte März 2003 gegen 6.30 Uhr in der Ortslage Düsseldorf bei Rhein-km 752 zwischen dem in der Radarfahrt zu Tal kommenden Schubverband MS „J"/SL „X" und dem zu Berg kommenden MS „P" ereignet hat.
Die Klägerin ist Eignerin des MS „J" (" (1.981 t; 1.213 kW; 95 m lang; 11,40 m breit) und des SL „X" (2.277 t; 81,50 lang, 11,40 m breit). Der unbeladene Schubverband (künftig nur: SV „J.") wurde von dem Schiffsführer S., der ein Radarpatent besitzt, verantwortlich geführt.
Der Beklagte zu 1) ist Eigner des MS „P" (1.301 t; 589 kW, 85 m lang; 8,20 m breit). Das mit 1.095 t Flugasche beladene Schiff wurde von dem Beklagten zu 2) verantwortlich geführt, der noch nicht im Besitz eines Radarpatents war.
Zum Unfallzeitpunkt näherte sich SV „J" in der Talfahrt Rhein-km 752. Aus der Sicht des SV „J" beschreibt der Rhein dort eine Rechtskrümmung. SV „J" durchfuhr die Krümmung in Steuerbord-Schräglage. Entgegen kam auf dem dort üblichen Kurs rechtsrheinisch MS „P". Die Schiffsführer sprachen über Funk eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord ab. Gleichwohl kam es zu einer Kollision Kopf auf Kopf. Das Fahrwasser ist rechtsrheinisch durch eine rote Tonnenlinie begrenzt.
Vortrag der Klägerin:
Nach der Funkabsprache über die vorgesehene Begegnung sei das Echo des MS „P" auf dem Radarbildschirm des SV „J" im Radarschatten der unterhalb gelegenen Flughafenbrücke verschwunden. Im Fahrweg des SV „J" sei MS „P" dann plötzlich wieder aufgetaucht. Trotz Ausweichmanöver beider Schiffsführer nach Backbord sei es zum Anstoß Kopf auf Kopf gekommen. Es habe dichter Nebel mit einer Sichtweite von 100 m-200 m geherrscht. MS „P" hätte daher die Fahrt einstellen müssen. Selbst bei zulässiger Radarfahrt hätte MS „P" warten müssen, weil sich wegen des in der Kurve entgegenkommenden Schubverbandes erkennbar eine Gefahrenlage entwickelt habe. Außerdem hätte MS „P" als Radarfahrer „Achtung-Signale" und Warnungen per Funk geben müssen; auch dies sei nicht geschehen. Nach all dem liege die Schuld bei dem Beklagten zu 2).
Die Beklagten sind diesem Vorwurf wie folgt entgegengetreten:
Zur Kollision sei es nur deswegen gekommen, weil SV „J" die Kurve in derart starker Steuerbord-Schräglage durchfahren haben, dass er MS „P" den Weg versperrt habe. MS „P" sei sogar noch über die rote Tonnenlinie zum rechtsrheinischen Ufer hin ausgewichen. Kollidiert seien die Schiffe jenseits der roten Tonnenlinie außerhalb des Fahrwassers.
Die Sicht sei gut gewesen. Oberhalb der Flughafenbrücke aufkommende Nebelschwaden hätten trotzdem jederzeit eine Orientierung nach Sicht zugelassen und keine Radarfahrt erforderlich gemacht. Das fehlende Patent sei für den Unfall nicht ursächlich gewesen. Zusätzlich zu der Funkabsprache über die Begegnunghabe MS „P" auch „Achtung-Signale" gegeben.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat mit Grund- und Teilurteil die Klage dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Den Beklagten zu 2) treffe als Schiffsführer des MS „P" ein Verschulden an dem Unfall. Dieses müsse sich die Beklagte zu 1) zurechnen lassen.
Dem Beklagten zu 2) sei die Radarfahrt mangels Radarpatent nicht erlaubt gewesen. Er hätte gern. § 6.32 RheinSchPV die Fahrt einstellen müssen, sobald er mit Rücksicht auf die verminderte Sicht, den übrigen Verkehr und die örtlichen Umstände die Fahrt nicht ohne Gefahr habe fortsetzen können. Er habe davon ausgehen müssen, dass eine solche Gefahr bestand. Das Rheinschifffahrtsgericht stützt sich dabei auf das Ergebnis der Beweisaufnahme. Nach Aussagen unbeteiligter Zeugen habe bereits in Höhe der Fähre Kaiserswerth dichter Nebel mit einer Sichtweite von allenfalls 120 m geherrscht, ohne sich bis zur Unfallstelle zu verbessern. Die Beweisaufnahme habe ferner keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich MS „P" bei der Annäherung an die Unfallstelle so verhalten habe, wie es § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV von einem Bergfahrer verlange. MS „P" hätte rechtzeitig Warnsignale geben und außerdem SV „J" über Funk auf die drohende Gefahrensituation hinweisen müssen. Letzteres zumindest sei nicht geschehen. Andererseits konnte das Gericht einen Verstoß des Schiffsführers von MS „P" gegen die Verpflichtung nach § 6.04 Nr. 1 RheinSchPV, der Talfahrt einen geeigneten Weg zu weisen und frei zu lassen, nicht feststellen. Die Begegnung sei über Funk abgesprochen worden und SV „J" habe linksrheinisch genügend Fahrwasser für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord zur Verfügung gestanden. MS „P" könne deshalb nicht angelastet werden, wegen des entgegenkommenden Schubverbandes nicht unterhalb der Kurve angehalten zu haben.
Beim Schiffsführer des SV „J" hat das erstinstanzliche Gericht ein Mitverschulden gesehen, das der Klägerin gern. § 254 BGB zuzurechnen sei. Er habe die Kursweisung des MS „P" nicht hinreichend beachtet. Aufgrund der im Verklarungsverfahren erhobenen Beweise hat es das Gericht als erwiesen angesehen, dass sich die Kollisi-an zumindest am rechtsrheinischen Rand des Fahrwassers ereignet habe, so dass dem SV „J" zur linksrheinischen Seite für eine Vorbeifahrt genügend Raum geblieben sei. SV „J" sei zu lange und zu weit in Steuerbord-Schräglage mit dem Kopf in Richtung der Tonnenlinie gefahren, obwohl der Schiffsführer gewusst habe, dass MS „P" entgegengekommen sei und eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord abgesprochen war. Desweiteren hat das Rheinschifffahrtsgericht dem Schiffsführer S. einen schuldhaften Verstoß gegen § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV angelastet, weil er trotz erkennbarer Gefahrenlage weder Schallzeichen gegeben noch seine Geschwindigkeit vermindert habe.
Das Rheinschifffahrtsgericht ist bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin gekommen. Es sei insofern beim Radartalfahrer eine besondere Verantwortung, weil er mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal gefahren und einen größeren Anhalteweg benötigt habe als der Bergfahrer. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei SV „J" wesentlich schneller als MS „P" und mit unverminderter Geschwindigkeit auf den späteren Kollisionspunkt zugefahren. Der Schiffsführer von SV „J" habe im übrigen selbst nicht erklärt, vor der Kollision die Geschwindigkeit vermindert zu haben.
Beide Parteien haben das Urteil mit formund fristgerecht eingelegter Berufung angegriffen.
Die Klägerin wehrt sich gegen die Annahme eines Mitverschuldens wegen eines pflichtwidrigen Verhaltens der Schiffsführung des SV „J". Sie hält dem entgegen, dass vielmehr der Schiffsführer des MS „P" im dichten Nebel ohne Radarpatent gefahren und die Fahrt nicht eingestellt habe, obwohl dazu schon unterhalb der Flughafenbrücke Veranlassung und Gelegenheit bestanden habe. Deshalb spreche der Beweis des ersten Anscheins für sein Verschulden. Dieser Gesichtspunkt greife nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur dann nicht, wenn der Schiffsführer des MS „P" sich so verhalten hätte, wie dies ein die Fahrt erlaubterweise fortsetzender Talfahrer getan hätte. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Beklagte zu 2) habe vielmehr gegen sämtliche Bestimmungen des § 6.03 RheinSchPV verstoßen, bei deren Beachtung die Havarie verhindert worden wäre. Er habe den SV „J" frühzeitig erkannt, sei aber in einem Seitenabstand von 20 m-30 m zu den roten Tonnen trotzdem mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren. Dadurch habe er ausgerechnet an der engsten und nautisch anspruchsvollsten Stelle der Stromkrümmung eine Begegnung herbeigeführt. Die Klägerin hält ihm außerdem vor, unmittelbar vor der Kollision, von einer panikartigen Funkdurchsage abgesehen, keine Funksprüche abgesetzt und bei der Annäherung der Schiffe keines der vorgeschriebenen Schallzeichen abgegeben zu haben. Die Kollision habe aber auch nicht außerhalb des Fahrwassers, sondern im Fahrwasser in einem Abstand von 30 m zur Tonnenlinie stattgefunden, und zwar an einer Stelle, die der SV „J" in der engsten Krümmung aus nautischen Gründen habe anhalten müssen. Unter diesen Umständen sei für die Annahme eines Mitverschuldens der Schiffsführung des SV „J" kein Raum.
Die Beklagten kommen zu einer völlig anderen Bewertung der Beweisaufnahme als das Rheinschifffahrtsgericht.
Die Sicht sei für die Weiterfahrt ohne Radar ausreichend gewesen. Sie habe mindestens 300 m-400 m betragen. Soweit sich das Rheinschifffahrtsgericht auf die gegenteilige Aussage eines Zeugen stütze, habe sich dieser offensichtlich verschätzt. Unabhängig von dieser Sichtweise zum Unfallzeitpunkt habe sich der Schiffsführer des MS „P" in jeder Hinsicht nautisch richtig verhalten; das fehlende Radarpatent habe sich in keiner Weise unfallursächlich ausgewirkt. Die Beklagten kommen aufgrund der Beweisaufnahme ferner zu der Feststellung, dass sich die Kollision außerhalb des Fahrwassers - zwischen der roten Tonnenlinie und dem rechtsrheinischen Ufer - ereignet habe. Nach dorthin sei der Schiffsführer des MS „P" ausgewichen. In der gegebenen Situation wäre jeder Radarbergfahrer nach dorthin ausgewichen. Der Beklagte habe rechtzeitig Warnsignale gegeben. Zunächst habe für eine Warnung über Funk keine Veranlassung bestanden. Der Beklagte zu 2) habe davon ausgehen dürfen, dass SV „J" rechtzeitig vor der Begegnung aufstrecken und das Aufstreckmanöver wie abgesprochen durchführen werde. Dies sei wider Erwarten nicht geschehen. Es sei dann nur noch kurze Zeit zur Abgabe des Achtung-Signals geblieben.
Die Berufungskammer ist dem Rheinschifffahrtsgericht im Ergebnis gefolgt, dass beide Schiffsführungen den Zusammenstoß schuldhaft verursacht haben, wobei das Verschulden des Schiffsführers des SV „J" dasjenige des Beklagten zu 2) in einem Maße überwiege, dass eine Haftungsverteilung im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin angemessen erscheine.
I.
1. Soweit es das Verschulden des Beklagten zu 2) beim Zustandekommen der Kollision angeht, sieht die Kammer keinen Grund ihm vorzuwerfen, bei der Annäherung an SV „J" zu weit in der Strommitte gefahren zu sein und dem entgegenkommenden Schubverband dadurch für die abgesprochene Begegnung keinen geeigneten Weg freigelassen zu haben. Die Kammer stellt dabei - gestützt auf die Feststellungen der Wasserschutzpolizei zu den das Fahrwasser bestimmenden Markierungen - eine Fahrwasserbreite von reichlich 130 m in Rechnung. Sie ist nach dem Ergebnis der Verklarung weiter davon ausgegangen, dass MS „P" sich hart am rechtsrheinischen Tonnenstrich auf den späteren Kollisionsweg hinzubewegt hat, so dass dem Schiffsführer des MS „J" für die Vorbeifahrt mehr als 100 m Fahrwasserbreite verblieben. Dass sich die Kollision zumindest hart am rechtsrheinischen Rand des Fahrwassers ereignet hat, leitet die Kammer vor allem aus den Aussagen verschiedener Zeugen ab, die MS „P" nach der Havarie eingemessen haben sowie aus der Lage des Backbord-Bugankers, den MS „P" mitsam der vollständig ausgelaufenen Ankerkette bei dem Anstoß verloren hatte und der nach Angaben von Zeugen 5 m-10 m außerhalb des Fahrwassers auf Grund lag. Bei einer Feststellung, dass MS „P" sich vor der Kollision am rechtsrheinischen Rande des Fahrwassers bewegte, musste sich der Kopf des SV „J" ebenfalls nah am Tonnenstrich befunden haben, der im Bereich der Unfallstelle das Fahrwasser rechtsrheinisch begrenzt. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass diese Fahrweise aus nautischen Gründen notwendig gewesen sei, um die Rechtskrümmung des Stroms an dieser Stelle zu durchfahren.
2. Die Berufungskammer teilt jedoch die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, das ein Mitverschulden des Beklagten zu 2) darin gesehen hat, dass er als Schiffsführer des MS „P" die Fahrt trotz unzureichender Sicht fortgesetzt hat, nachdem bereits unterhalb der Flughafenbrücke (Rhein-km 752,6) dichter Nebel aufgekommen war.
Von der Begrenzung der Sichtweite für die Bergfahrt bereits oberhalb der Fähre Kaisers-werth (Rhein-km 755,1) auf nur 100 m-120 m geht die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wie der Vorderrichter als gesichert aus. MS „P" habe deshalb mangels einer Person, die das Radarpatent besaß, nicht unter Radar fahren dürfen (§ 4.06 Nr. 1 b RheinSchPV. Der Beklagte zu 2) hätte bei der geringen Sichtweite von allenfalls 120 m gern. § 6.30 Nr. 5 RheinSchPV unverzüglich einen Liegeplatz aufsuchen müssen. Dies sei angesichts der Liegeplätze, die sich unterhalb der Flughafenbrücke bei Rhein-km 754 rechtsrheinisch befinden, ohne weiteres möglich gewesen. Die Kammer bestätigt damit die Wertung der Vorinstanz, dass die Fortsetzung der Fahrt trotz der erheblich eingeschränken Sichtverhältnisse einen schwerwiegenden Stoß des Beklagten zu 2) gegen die bei unsichtigem Wetter ohnehin gesteigerten Sorgfaltspflichten darstellt.
3. Die Beklagten können sich nach Auffassung der Berufungskammer nicht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.09.1973 (II ZR 31/72, VersR 1974, 134), berufen, um damit ihren Standpunkt, nicht zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, zu untermauern. Die Kammer sieht keinen vergleichbaren Sachverhalt zu dem, der der seinerzeitigen Entscheidung zugrunde lag. Danach besteht eine Schadensersatzpflicht nicht, wenn ein Fahrzeug, das nicht unter Radar fahren darf und deshalb wegen optisch ungenügender Sicht die Fahrt hätte einstellen müssen, mit einem Radartalfahrer kollidiert, obwohl es sich so verhalten hat, wie es sich diesem gegenüber bei einer zulässigen Fortsetzung der Fahrt hätte verhalten müssen. Denn die Berufungskammer musste nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgehen, dass sich die Beklagte zu 2) bei der Annäherung an die Unfallstelle gerade nicht so verhalten hat, wie es nach den Bestimmungen der RheinSchPV bei zulässiger Radarfahrt erforderlich gewesen wäre.
Bei zulässiger Radarfahrt wäre der Beklagte zu 2) verpflichtet gewesen, zur Absprache der Vorbeifahrt über Sprechfunk den SV „J" rechtzeitig über Funk zum Abfallen nach Backbord aufzufordern, um zu erreichen, dass die Begegnung gefahrlos und in ausreichendem Abstand vonstatten ging. Das gebot bereits die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 1.04 RheinSchPV, sobald er erkannte, dass die zuvor über Funk abgesprochene Begegnung Steuerbord an Steuerbord wegen der Fahrweise des Schubverbandes zu misslingen drohte. Ferner wäre er als Radarbergfahrer nach§ 6.32 Nr. 2 a RheinSchPV verpflichtet gewesen, eine entsprechende Absprache rechtzeitig über Funk zu treffen. Der unmittelbar vor dem Zusammenstoß in erregter Form über Funk gegebene Hinweis war der Kammer nicht ausreichend und vor allem nicht rechtzeitig.
Dagegen traf den Schiffsführer des MS „P" keine Verpflichtung zur Abgabe von Warnsignalen nach § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV. Die Kammer weist insoweit darauf hin, dass die vom Rheinschifffahrtsgericht angewendete Bestimmung mit Wirkung vom 01.04.2002 durch entsprechende Anordnung vorübergehender Art inhaltlich geändert worden ist. Die Abgabe von Schallzeichen ist nunmehr gern. § 6.32 Nr. 2 d RheinSchPV für Fahrzeuge in der Radarfahrt zu Berg und allgemein gern. § 4.02 iVm. Anlage 6 RheinSch- PV nur noch für den Fall vorgeschrieben, dass mit den entgegenkommenden Fahrzeugen kein Sprechfunkkontakt und damit keine Verständigung zustande kommt.
II.
1. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts kommt die Berufungskammer zu einer schuldhaften Mitverursachung der Kollision auf Seiten der Kläger. Dieser Vorwurf liegt ihres Erachtens darin, dass der Schiffsführer des SV „J" die für die Begegnung über Funk gegebene Kursweisung des MS „P" nicht hinreichend beachtet hatte. Dazu wäre es erforderlich gewesen, rechtzeitig nach Backbord abzufallen, um den Kopf des Schubverbandes aus der Kurslinie des am rechtsrheinischen Rand des Fahrwassers aufkommenden Bergfahrers herauszubringen. Für ein solches Manöver habe dem Schiffsführer des SV „J" im linksrheinischen Teil des an der Unfallstelle ca. 130 m weiten Fahrwassers genügend Raum für eine gefahrlose Begegnung Steuerbord an Steuerbord zur Verfügung gestanden.
2. Die Berufungskammer verneint dagegen den vom Rheinschifffahrtsgericht angenommenen weiteren schuldhaften Verstoßes in der Person des Schiffsführers des SV „J" gegen § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV, weil er trotz erkennbarer Gefahrenlage weder Schallzeichen gegeben noch seine Geschwindigkeit vermindert habe. Denn auch diese Bestimmung ist, wie oben ausgeführt, ab 01.04.2002 entfallen. Eine entsprechende Verpflichtung schreibt § 6.32 Nr. 2 d RheinSchPV nur für Fahrzeuge in der Radarfahrt zu Berg und nur noch für den Fall vor, dass - anders als im vorliegenden Fall - mit den entgegenkommenden Fahrzeugen kein Sprechfunkkontakt zustande kommt.
Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Schiffsführer gern. §§ 92 c Abs. 1, 92 f Abs. 1 BSchG überwiegt aus Sicht der Berufungskammer das Verschulden des Schiffsführers des SV „J" dasjenige des Beklagten zu 2) deutlich. Der Schiffsführer des SV „J" habe unter großer Missachtung der mit der Bergfahrt über die Begegnung getroffenen Absprachen mit dem Kopf des SV „J" auf das entgegenkommende MS „P" zugehalten und dadurch die Hauptursache für die Kollision gesetzt. Nach Überzeugung der Kammer wiegt der darin liegende schuldhafte Verursachungsbeitrag doppelt so schwer wie der des Beklagten zu 2) als Schiffsführer des MS „P". Dessen Verschulden sei allerdings ebenfalls erheblich, so dass die Beklagten zu 1/3 für die Folgen der Kollision einzustehen haben. Die weitergehende Klage weist die Kammer als unbegründet zurück.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2006 - Nr.7/8 (Seite 64 ff.); ZfB 2006, 64 ff.