Banque de données de juriprudence
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 22. November 2000
402 Z – 6/00
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 25. Oktober 1999 - 5 C 29/98 BSch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 14.11.1996 gegen 8.50 Uhr im Nebel bei Rhein-km 806,5 – Ortslage Rheinberg – zwischen dem MS G und dem Koppelverband TMS AI/TSL AII ereignet hat. Die Klägerin ist der Versicherer des Containerschiffs MS G (2.720 ts; 1.349 kw; 109,86 lang, 11,40 m breit und 3,53 m tief, beladen mit 2.400 ts Container). Sie klagt aus übergangenem und abgetretenen Recht des Schiffseigners S in Zwijndrecht. Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin, mindestens Ausrüsterin des Koppelverbandes TMS AI/TSL AII, der mit 4.000 Tonnen Gasöl beladen war. Dieser Koppelverband wurde von dem Beklagten zu 2 verantwortlich geführt.
Zu der angegebenen Zeit befand sich der Koppelverband A linksrheinisch im Revier bei Rheinberg in der Bergfahrt. Zu Tal kam MS G. Beide Fahrzeuge fuhren wegen des Nebels mit Hilfe von Radar. Etwa bei Rhein-km 806,5 kam es zum Zusammenstoß des MS G mit dem vorgespannten TSL AII, wobei das Backbordvorschiff des Containerschiffs mit dem Backbordvorschiff des Tankleichters kollidierte. Bei dem Unfall wurden die genannten Schiffe beschädigt. Die Beklagte zu 1 hat in Kenntnis des Unfalls und seiner Folgen ihren Koppelverband zu neuen Reisen ausgesandt.
Mit der Klage macht die Klägerin ihren auf 84.767,13 hfl bezifferten Schaden geltend. Soweit sie ursprünglich einen höheren Schadensersatz verlangt hat, hat sie ihre Klage teilweise zurückgenommen.
Die Klägerin hat behauptet, die Kurse der Schiffe hätten bei der Annäherung zunächst so gelegen, dass eine gefahrlose Begegnung Backbord an Backbord möglich gewesen sei. Als die Fahrzeuge ungefähr auf gleicher Höhe gewesen seien, sei der Koppelverband plötzlich nach Backbord ausgeschert und sei dadurch gegen das Backbordvorschiff des MS G gestoßen.
Vor der Anfahrung habe das TMS AI eine Ruderstörung gemeldet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 1, ausser dinglich haftend mit dem MTS AI im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes auch persönlich haftend, zu verurteilen, an die Klägerin 84.767,13 hfl bzw. den gleichwertigen Betrag in Deutscher Mark zu dem am Zahlungstage gültigen Umrechnungskurs nebst 4% Zinsen seit dem 1.9.1997 zu zahlen.
De Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen und der Klägerin auch die Kosten der Teilrücknahme aufzuerlegen.
Die Beklagten haben ein unfallursächliches Verschulden des Koppelverbandes bestritten. MS G habe bei der Annäherung an die Unfallstelle einen Kurs gesteuert, als wolle es zwei vorausfahrende Talfahrer überholen. Auf eine Funkdurchsage des Koppelverbandes habe MS G nicht reagiert, sondern sei trotz der im Revier bei Rheinberg vorgeschriebenen geregelten Begegnung nach Backbord in den Kurs der Bergfahrt gekommen und habe so den Unfall verursacht.
Im übrigen haben sich die Beklagten gegen die Höhe des geltend gemachten Liegegeldes gewandt.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beweisaufnahme durch das am 15.11.1999 verkündete Urteil der Klage in Höhe von 83.618 hfl stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.
Zur näheren Begründung seiner Entscheidung hat das Rheinschifffahrtsgericht ausgeführt, der Beklagte zu 2 habe als Schiffsführer des Koppelverbandes den Unfall verschuldet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten die Kurse der unfallbeteiligten Schiffe zunächst so gelegen, dass eine problemfreie Begegnung zu erwarten gewesen sei. Als sich die Fahrzeuge auf etwa 600 bis 800 m angenähert gehabt hätten, habe der Koppelverband A seinen Kurs nach Backbord mit der Folge der anschließenden Kollision geändert.
Ein Verschulden der Schiffsführung des MS G könne demgegenüber nicht festgestellt werden.
Das unterbliebene Achtungssignal sei ohne Auswirkung auf das Unfallgeschehen.
Auch ein fehlerhaftes Manöver des letzten Augenblicks könne nicht angenommen werden.
Ein unterbliebenes Ausweichmanöver des Containerschiffs nach Steuerbord könne seiner Schiffsführung nicht vorgeworfen werden, weil dieses Manöver sehr gefährlich gewesen wäre. Es hätte die Gefahr bestanden, dass der Vierkantbug des Leichters das MS G mittschiffs getroffen, das Schiff aufgerissen und zum Sinken gebracht hätte. Auch sei der Abstand der Schiffe zu gering gewesen. Für gegenteilige Annahmen habe die Beweisaufnahme nichts ergeben.
Der Schiffsführung des MS G könne auch nicht vorgeworfen werden, die Maschine nur langsamer und nicht auf „zurück“ gestellt zu haben. Man habe ein Verfallen des Schiffes im Strom vermeiden müssen.
Zur Höhe ihres Schadens könne die Klägerin statt Nutzungsverlust von 1.959.- DM nur einen Tagessatz von 1.850.- DM verlangen.
Gegen dieses ihr am 29.11.1999 zugestellte Urteil haben die Beklagten durch einen am 20.12.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und diese durch einen weiteren, am 29.12.1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagten wenden sich gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil und rügen eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung des Unfallgeschehens. Ausserdem seien Beweiserbieten übergangen worden.
Die Beklagten behaupten, der Koppelverband sei am linksrheinischen Rande der Fahrrinne mit einem Abstand von 40 bis 50 m zum linken Ufer gefahren. Bei dieser Fahrweise habe MS G fast die gesamte Breite der Fahrrinne zur reibungslosen Begegnung Backbord an Backbord zur Verfügung gestanden. MS G sei aber sehr breit gefahren. Bereits im Bereich des Rheinbogens bei km 805,5 habe MS G einen linksrheinischen Kurs gewählt, der in einem Abstand von 50 bis 60 m entlang der linksrheinischen Kribben geführt habe. Obwohl die Fahrrinne von Rhein-km 805,5 nach 806 von linksrheinisch nach rechtsrheinisch wechsele, habe MS G auch im weiteren Verlauf der Talfahrt seinen breiten Kurs im Wesentlichen beibehalten. Es sei nur eine geringe Kurskorrektur erfolgt mit der Folge, dass MS G ab km 806 Mitte Strom zu Tal gefahren sei. Seine Geschwindigkeit habe hierbei 19 bis 20 km/h betragen. Als die Fahrzeuge noch 700 bis 800 m voneinander entfernt gewesen seien, habe kurzzeitig die Backbord-Hauptmaschine des MTS AI ausgesetzt. Der schon langsam fahrende Koppelverband sei hierdurch noch langsamer geworden und in leichter Schräglage nach Backbord geraten. Der Beklagte zu 2 habe den Maschinenausfall sofort über Kanal 10 gemeldet und gleichzeitig eine Korrektur des Kurses eingeleitet, um den Koppelverband wieder in eine gestreckte Lage zu bringen. Da sich der fast voll abgeladene Koppelverband „wie eine Schnecke“ zu Berg bewegt habe, sei die Kursabweichung langsam abgelaufen. Das Schiff habe sogleich wieder in eine gestreckte Lage gebracht werden können. Als sich der Kopf des Koppelverbandes schon wieder nach Steuerbord bewegt habe, sei die Kollision mit MS G bei Rhein-km 806,7 und zwar nach Angaben des Zeugen Goudriaan von MS C in der Strommitte erfolgt.
Hätte MS G den rechtsrheinischen Teil der Fahrrinne benutzt, wie es der geregelten Begegnung und der gesteigerten Sorgfalt bei dichtem Nebel entsprochen hätte, wäre der Unfall vermieden worden. Die ungewöhnliche Fahrweise des MS G spreche dafür, dass der Rudergänger ungeeignet gewesen sei. Dieser habe über kein Radarpatent verfügt. Die Aussage des Schiffsführers, dass er neben dem Rudergänger gestanden und das Radarbild beobachtet habe, sei angesichts der Fahrweise des Schiffes als Schutzbehauptung zu bewerten.
Ein weiteres schwerwiegendes Verschulden des MS G liege darin, dass man den Kurs in Strommitte beibehalten habe, als man auf dem Radarschirm die Kursänderung des Koppelverbandes bemerkt habe. MS G sei verpflichtet gewesen, dem Koppelverband nach Steuerbord hin auszuweichen und den Kurs einzuschlagen, der dem Erfordernis der geregelten Begegnung entsprochen habe. Auch hätte MS G seine Geschwindigkeit spürbar herabsetzen müssen.
Im übrigen meinen die Beklagten, das Vorschiff des Koppelverbands habe sich maximal bis 7 Grad und allenfalls 22 m nach Backbord bewegt. Wäre der Winkel größer gewesen, wäre es nicht möglich gewesen, den Verband wieder in eine gestreckte Lage zurückzuholen, wofür Beweis durch Einholung eines Gutachtens erboten werde. Daraus ergebe sich, dass der Unfall sich in der rechtsrheinischen Fahrrinnenhälfte ereignet habe.
Schließlich wenden sich die Beklagten gegen die Höhe des ausgeurteilten Liegegeldes. Das gesetzliche Liegegeld übersteige die von MS G zu erzielenden Nettofrachteinnahmen. Es sei nur ein Tagessatz von 1.250.- DM zu erzielen gewesen.
Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Beklagten mit Recht zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens aus dem Unfallereignis vom 4.11.1996 nach den §§ 3, 4, 92 ff, 114 BinnSchG 823, 249 BGB verurteilt, denn der Beklagte zu 2 hat diesen Unfall durch einen Verstoß gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV verschuldet. Er hat durch eine Kursänderung seines Verbandes den Zusammenstoß mit dem Talfahrer herbeigeführt, wie das Rheinschifffahrtsgericht mit zutreffender Begründung dem Beweisergebnis entnommen hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung sind unbegründet.
1. Die Beklagten stellen in der Berufungsinstanz selbst nicht in Abrede, dass ihr Koppelverband wegen eines Maschinenversagens den Kurs nach Backbord hin geändert hat, obwohl zu dieser Zeit sich das MS G mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal näherte. Schon hierdurch hat der Beklagte gegen das Kursänderungsverbot des § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV schuldhaft verstoßen, wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend festgestellt hat. Denn durch die Kursänderung wurde die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeigeführt und hierauf beruht hier die Kollision. Es hätte den Beklagten oblegen, darzulegen, dass der auf einem Machinenversagen beruhende Ruderausfall nicht auf ihrem Verschulden beruhte. Es spricht deshalb gegen die Beklagten der Beweis des ersten Anscheins für ein nautisches Fehlverhalten der Schiffsführung des Koppelverbandes bzw. ein dem Schiffsführer als Verschulden zuzurechnendes Versehen innerhalb seiner über den nautischen Aufgabenbereich hinausgehenden Betriebssphäre, zu der auch die ordnungsgemäße Wartung der Ruderanlage und der Maschine gehört (BGH VersR 1969, 441; Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV 3. Aufl. Rdn 13 zu § 1.08). Wie die Berufungskammer in ihrer in der Zeitschrift für Binnenschifffahrt 1978, S. 475 veröffentlichten Entscheidung bereits früher ausgeführt hat, haben sich der Schiffsführer und der Schiffseigner dahin zu entlasten, dass ihnen bei dem Ruderversager keine Fehler unterlaufen sind, da dem Geschädigten die Verhältnisse unbekannt sind (vgl. auch Bemm/v. Waldstein, a.a.O. Rdn 12 zu § 1.08). Daran fehlt es hier. Die Beklagten haben die Gründe für das Maschinenversagen, die zum Ruderausfall führten, nicht dargetan.
2. Die Beklagten sehen in einem Verstoß der Schiffsführung des MS G gegen § 9.04 RheinSchPV die alleinige Ursache für die in Rede stehende Schiffskollision und weisen auf den von MS G bei der Annäherung an die spätere Unfallstelle eingehaltenen Kurs und den späteren Begegnungskurs dieses Schiffes hin. Dem kann nicht beigetreten werden.
Im Rahmen der geregelten Begegnung nach § 9.04 Nr. 1 b) RheinSchPV besteht kein dem Strassenverkehr vergleichbares Rechtsfahrgebot. Im Rahmen der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung bestehen Rechtsfahrgebote nur aus Gründen der Verkehrssicherheit im engen Fahrwasser, nicht aber allgemein bei der geregelten Begegnung (ebenso : Pabst, ZfB 1972, 1359 vgl. auch Bemm/v. Waldstein, a.a.O, Rdn 1 zu § 9.04). Dementsprechend hat auch die Berufungskammer der Zentralkommission (ZfB 1996, SaS 1570) keineswegs einem strengen Rechtsfahrgebot das Wort geredet und das Fahrwasser im Bereich der geregelten Begegnung nicht zwischen Berg- und Talfahrt aufgeteilt, sondern die beiderseitigen Pflichten beim Begegnungsverkehr an den bei diesem Manöver möglichen Gefahren ausgerichtet. Die Berufungskammer hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass ein Bergfahrer im Bereich der geregelten Begegnung gegen § 9.02 Nr. 1bc RheinSchPV verstößt, wenn er nicht rechtzeitig Steuerbordkurs einschlägt, um der Talfahrt Backbord an Backbord begegnen zu können. Hinzugefügt hat die Berufungskammer, dass es fehlerhaft sei, diesen Kurs nicht über Sprechfunk mitzuteilen. Ein Talfahrer muss hingegen seine Geschwindigkeit reduzieren und notfalls abstoppen, um hinreichende Zeit für eine gefahrlose Begegnung zu haben, sobald er eine unklare Lage infolge eines fehlerhaften Kurses der Bergfahrt feststellt.
Mißt man die beiderseitigen Kurse und das Unfallgeschehen an diesen Grundsätzen, kommt dem sehr weit linksrheinisch verlaufenden Kurs des MS G im Bereich der Stromkrümmung oberhalb der späteren Unfallstelle keine Bedeutung zu: dieser Kurs ist jedenfalls, wie auch die Beklagten nicht in Abrede stellen, bei der weiteren Talfahrt nicht beibehalten worden. MS G hat seinen Kurs nach Steuerbord verlegt, wie auch der Zeuge G bekundet hat, der auf seinem Radarbild den Kurs des MS G verfolgen konnte. Goudriaan hat sehr eindrucksvoll und realistisch geschildert, dass MS G aus seiner Ecke herausgefahren ist und dann wie üblich nach Steuerbord gehalten hat. Wie den weiteren Angaben dieses Zeugen zu entnehmen ist, wäre die Begegnung problemfrei Backbord an Backbord durchgeführt worden, hätte nicht MS AI seinen Kurs geändert und wäre nicht der Koppelverband in eine Schräglage von etwa 30 Grad geraten. Im Moment der Kollision, so hat der Zeuge erklärt, habe sich MS G in der Mitte des Stromes befunden. Diese Aussage steht in Übereinstimmung mit der Zeichnung des Zeugen, die als Anlage 1 zu dem Protokoll seiner Vernehmung vom 3.8.1998 beigefügt worden ist.
Dass der Beklagte zu 2 seinen Verband sofort wieder aufgefangen und ihn in eine gestreckte Position zurückgeholt hat, wie die Beklagten behaupten, findet in dem erstinstanzlichen Beweisergebnis keine Grundlage. Soweit der Zeuge G in seinem Havariebericht von einem solchen Manöver gesprochen hat, hat er diese Angaben bei seiner Vernehmung als Zeuge nicht wiederholt. Die Berufungskammer ist der Überzeugung, dass der Zeuge bei seiner Befragung vor Gericht seine Eindrücke von dem Unfallgeschehen vollständig wiedergegeben hat. Es kann deshalb durchaus so sein, dass Goudriaan in seinem Havariebericht Vermutungen wiedergegeben hat. Auch die Beklagten haben ihm insoweit in der Beweisaufnahme keine entsprechende Vorhaltungen zur Klarstellung gemacht. Die Berufungskammer sieht sich deshalb außerstande, entsprechende Feststellungen zu Gunsten der Beklagten zu machen.
Soweit die Beklagten behaupten, der Unfall habe sich linksrheinisch ereignet, hat das Beweisergebnis für Feststellungen in dieser Richtung keine ausreichende Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr setzen sich die Beklagten ohne überzeugende Gründe über die Aussagen des Zeugen G, wonach der Unfall in Strommitte erfolgte, hinweg. Es bedarf deshalb auch keines Sachverständigengutachtens zur weiteren Feststellung des Kurses des Talfahrers und der Bestimmung der Unfallstelle. Nach der Überzeugung der Berufungskammer kann zudem auch ein Sachverständiger allein aus dem Anstoß der Schiffe, der Strömung und einem unterbliebenen Herumfallen des Koppelverbandes keine zuverlässigen Rückschlüsse auf das Kursverhalten der beteiligten Fahrzeuge ziehen, da die Ursprungssituation nicht mehr realistisch nachgestellt und berechnet werden kann.
Unter diesen Umständen ist die Berufungskammer der Überzeugung, dass der Kurs des MS G vor dem Unfall für eine gefahrlose Begegnung bedenkenfrei gewesen ist. Es wäre nicht zum Unfall gekommen, wenn MTS AI nicht den Kurs geändert hätte.
3. Soweit die Beklagten den Unfall auf eine mangelnde Eignung des Zeugen M als Rudergänger zurückführen, der kein Radarschifferzeugnis gehabt und keinen Kurs entsprechend der geregelten Begegnung gesteuert habe, vermochte ihnen die Berufungskammer nicht zu folgen.
Ein Rudergänger bedarf auf der Fahrt bei unsichtigem Wette mit Hilfe von Radar keines entsprechenden Radarschifferzeugnisses, wenn sich im Steuerstuhl ein anderes Mitglied der Schiffsbesatzung aufhält, das über ein entsprechendes Zeugnisses verfügt und den Kurs des Schiffes sowie das Radarbild laufend verfolgt und notfalls korrigiert. Dass diese Voraussetzungen hier vorlagen, nimmt die Berufungskammer auf Grund des Beweisergebnisses an.
Nach den Bekundungen des Zeugen S, der der verantwortliche Schiffsführer des MS G gewesen ist und über ein Radarschifferzeugnis verfügte, hat zwar der Zeuge M als Steuermann, ohne im Besitz eines Radarschifferzeugnisses zu sein, das Schiff geführt, S will aber im Steuerhaus gewesen sein und die beiden Tagessichtradargeräte, vor denen M saß, mitbeobachtet haben. Er will auf einem Stuhl direkt neben dem Sitz des Steuermanns gesessen haben und will so in der Lage gewesen sein, beide Geräte einzusehen.
Die Berufungskammer sieht keinen Grund, den Angaben des Zeugen S zu misstrauen; denn es ist nicht einzusehen, dass S als verantwortlicher Schiffsführer dem Radarbild gleichgültig gegenübergestanden haben sollte, zumal infolge des herrschenden Nebels die Verkehrssituation nur auf dem Radarschirm verfolgt werden konnte. Dass Sijbrands zur Unfallzeit im Steuerstuhl des MS G gewesen ist, entnimmt die Berufungskammer den Angaben des Zeugen M, wonach dieser Zeuge nach der Kollision auf das Vorschiff gegangen ist, um die Unfallschäden zu besichtigen, S aber das Ruder übernahm.
4. Die Schiffsführung des MS G hat auch nicht gegen obige Grundsätze bei der geregelten Begegnung verstoßen.
Die Beklagten werfen der Schiffsführung des MS G vor, auch dann noch nicht die Geschwindigkeit spürbar vermindert zu haben, als man auf dem Radarschirm die Bewegung des Koppelverbandes nach Backbord bemerkt und den Hinweis des Beklagten zu 2 auf einen technischen Defekt der Backbordmaschine des Koppelverbandes gehört habe.
Insofern vermochte die Berufungskammer dem erstinstanzlichen Beweisergebnis keine sicheren Feststellungen zu entnehmen.
Der Zeuge M will, als er die Kursänderung des Koppelverbandes bemerkt habe, diesen sofort über Funk angerufen, sein Schiff gerade gehalten und die Maschine langsamer gemacht haben.
Unter diesen Umständen lässt sich nicht feststellen, dass ein solches Maschinenmanöver unterblieben ist, auch wenn der Zeuge G eine Verringerung der Geschwindigkeit des Talfahrers nicht bemerkt hat; denn G konnte wegen des unsichtigen Wetters eine Verringerung des Schraubenwassers des MS G nicht sehen. Er konnte nur den Talfahrer eine gewisse Zeit auf dem Radarschirm verfolgen, bis sich eine Verringerung der Maschinendrehzahl des Schiffes auf die Geschwindigkeit auswirkte. Berücksichtigt man weiter, dass hier der Abstand der Schiffe nicht groß gewesen ist,- der Zeuge Goudriaan hat den Abstand auf 600 bis 700 m geschätzt, der Zeuge M hat von 200 bis 300 m gesprochen und der Zeuge S hat den Abstand mit 300 bis 400 m etwas größer angegeben, als der Koppelverband den Kurs änderte, - und sich dieser Abstand in der Realität infolge der hohen Geschwindigkeit des Talfahrers schnell verringerte, musste Goudriaan eine Verringerung der Geschwindigkeit des Talfahrers auch nicht notwendig ins Auge fallen.
Bei dieser Sachlage sieht sich die Berufungskammer außerstande, der Schiffsführung des MS G den Vorwurf eines unterbliebenen Maschinenmanövers zu machen.
5. Ohne Erfolg werfen die Beklagten der Schiffsführung des MS G vor, ein Steuerbordmanöver zur Vermeidung einer Kollision unterlassen zu haben. Insofern beruft sich die Schiffsführung des MS G darauf, der Kurs sei gerade gehalten worden, um der Gefahr eines Anstoßes an der Backbordseite des mit vier Lagen Container vollbeladenen Schiffes mit der Folge eines Sinkens des Schiffes zu begegnen.
Der Rheinschifffahrtsrichter hat die Sorge der Zeugen S und M, es wäre gefährlich gewesen, wenn der Vierkantbug des Leichters AII das MS G mittschiffs getroffen hätte, als nachvollziehbar und ein unterbliebenes Steuerbordmanöver des Talfahrers deshalb als nicht vorwerfbar bezeichnet. Die Berufungskammer sieht keine durchgreifende Gründe, diese Auffassung des erfahrenen Rheinschifffahrtsrichters in Frage zu stellen. In der gegebenen Situation blieb den genannten Zeugen auch nur geringe Zeit zu Überlegungen, wie man den Schaden so gering wie möglich halten konnte. Auch musste man besorgen, bei einer harten Kursänderung das eigene Schiff mit seiner großen Ladung unmittelbar zu gefährden. Mindestens aus dem Gesichtspunkt eines Manövers des letzten Augenblicks erscheinen die von der Schiffsführung des MS G getroffenen nautischen Maßnahmen als nicht vorwerfbar, zumal es nicht völlig unsinnig war, eine Kopf – auf Kopf – Kollision mit dem Tankkoppelverband einer seitlichen Anfahrung vorzuziehen.
6. Den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des gesetzlichen Liegegeldes für die Ausfalltage während der Reparatur des MS G hat das Rheinschifffahrtsgericht mit Recht zuerkannt.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat es mit Recht abgelehnt, den Beklagten zu 2 zu der Frage als Partei zu vernehmen, dass es der Firma S in der hier maßgebenden Zeit allenfalls möglich gewesen wäre, eine tägliche Frachteinnahme von netto 1.250.- DM, nicht aber in Höhe des gesetzlichen Liegegeldes zu erzielen. Denn der Beweis dafür, dass der Schaden geringer als das gesetzliche Liegegeld war, oblag den Beklagten. Diesen Beweis haben die Beklagten ebensowenig wie in 1. Instanz in der Berufungsinstanz geführt:
Der Antrag auf die eigene Parteivernehmung des Beklagten zu 2 war in 1. Instanz kein taugliches Beweismittel. Das Rheinschifffahrtsgericht hat deshalb die Beklagten zutreffend als beweisfällig angesehen.
Soweit die Beklagten in der Berufungsinstanz erstmals die „eidliche Parteivernehmung des Schiffseigners S, Gesellschafter der Firma S beantragt haben, verkennen sie, dass Herr Sijbrands nicht als Partei dieses Rechtsstreits ist und deshalb hier nicht als Partei vernommen werden kann. S hätte allenfalls als Zeuge vernommen werden können.
Die Berufungskammer der Zentralkommission sah zu einer Vernehmung dieses Zeugen keine Veranlassung, weil dieser Beweisantritt unsubstanziert ist.
Bei dieser Sachlage musste es bei dem angefochtenen Urteil sein Bewenden haben.
Die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen den Beklagten gemäß § 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO als Gesamtschuldnern zur Last.
7. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. November 1999 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort – 5 C 29/98 BSch – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz fallen den Beklagten als Gesamtschuldnern zur Last.
Die Festsetzung dieser Kosten gemäß Artikel 39 der revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.4 (Sammlung Seite 1822 ff.); ZfB 2001, 1822 ff.