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Leitsatz:
Wird infolge eines Rattenverdachts ein Schiff - erfolglos - begast und dadurch die Löscharbeit vorübergehend eingestellt, so ist dieses Hindernis mit den entsprechenden Folgen, z. B. Überschreiten der Löschzeit und Entstehung von Liegegeldansprüchen, nicht der Sphäre des Schiffsführers, sondern derjenigen des Absenders oder Empfängers zuzurechnen.
Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig
vom 1. Oktober 1982
4 U 58/82
Zum Tatbestand:
Die Klägerin führte als Unterfrachtführerin im Auftrage der Beklagten - Hauptfrachtführerin - einen Getreidetransport durch. Nach Ablauf der Löschzeit, die am 13. Oktober 1980 endete, begann die Löscharbeit erst am 16. Oktober 1980. Nachdem am 17. Oktober 1980 Rattenverdacht geäußert worden war, wurden die Löscharbeiten auf Veranlassung der Beklagten unterbrochen und das Schiff am 19. Oktober 1980 begast. Ratten wurden nicht gefunden; auch ob Ratten an Bord gewesen waren, wurde nicht festgestellt. Die Löschung der Ladung wurde am 23. Oktober 1980 beendet. Gemäß Berechnung der Klägerin zahlte die Beklagte ohne Vorbehalt Liegegeld in Höhe von 8466,- DM für 10 Tage vom 14. bis 23. Oktober 1980. Später hielt sich die Beklagte nur zur Zahlung von Liegegeld für 5 Tage vom 14. bis 18. Oktober 1980 verpflichtet und rechnete mit der Hälfte des Betrages gegenüber einer unstreitigen Forderung der Klägerin auf.
Die Klägerin verlangt Zahlung des Betrages von 4233,- DM, da die Beklagte als Absenderin der Getreideladung Frachtschuldnerin sei und durch vorbehaltlose Zahlung ihre Verpflichtung anerkannt habe. Die durch Rattenverdacht verursachte Unterbrechung der Löscharbeiten sei von der Klägerin nicht zu vertreten.
Die Beklagte meint, die Klägerin müsse sich an den ursprünglichen Auftraggeber, die Fa. B., halten. Bei der Beladung seien jedenfalls keine Ratten an Bord gekommen und auch sonst sei der Beklagten keine schuldhafte Vertragsverletzung vorzuwerfen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr auf Berufung der Klägerin jedoch stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Ob die Beklagte bereits mit der vorbehaltslosen Zahlung der gesamten Liegegeldrechnung über 10 Tage die Forderung der Klägerin anerkannt hat, ist zweifelhaft. Diese Frage braucht nicht entschieden zu werden. Denn die Klägerin hatte ohnehin gem. § 49 BSchG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung des gesamten Liegegeldes von 10 Tagen. Die Unterbrechung der Löscharbeiten aufgrund des Rattenverdachts kann ihr nicht angelastet werden. Die Beklagte und nicht etwa die Firma B. ist Schuldnerin dieses Liegegeldes. Als Hauptfrachtführerin ist sie Absenderin im Sinne des Unterfrachtvertrages (Staub-Helm, HGB, 3. Aufl. § 432 Anm. 15, 16; Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., § 26 BSchG, Anm. 3c). Der Absender schuldet das Liegegeld neben dem Empfänger als Gesamtschuldner (RGZ 122, 221/226; Vortisch-Zschucke § 49 BSchG Anm. 3a). Voraussetzung für die Entstehung des Liegegeldes ist, dass das Schiff löschbereit gemeldet und objektiv löschbereit war (BGHZ 1, 47/50; 2, 20/22; Vortisch-Zschucke 3. Aufl. § 49 BSchG Anm. 1 b). Treten Löschhindernisse auf, die von keinem Teil verschuldet sind, ist das Risiko nach § 48 BSchG so verteilt, dass jeder Teil die Hindernisse hinnehmen muss, die in seiner Sphäre aufgetreten sind (BGHZ 2, 20/24/25). Danach hat der Schiffer nur für Hindernisse einzutreten, die in seiner Sphäre auftreten. Alle anderen Umstände gehen zu Lasten des vertraglichen Liegegeldschuldners, hier also zu Lasten der Beklagten. Gründe dafür, dass die Klägerin sich nicht an die Beklagte als Absender, sondern an den Empfänger halten muss, sind nicht vorgetragen. Sie sind auch nicht ersichtlich. Das Liegegeld stellt nämlich nicht etwa einen Schadensersatzanspruch dar, sondern ein besonderes gesetzliches Entgelt für die besondere zeitliche Inanspruchnahme des Schiffes zum Zwecke der Entladung (BGHZ 1, 47/50; Vortisch Zschucke 3. Aufl. § 49 BSchG Anm. 1). Daraus folgt, dass sich die Klägerin zu Recht an die Beklagte als ihre Vertragspartnerin hält.
Die Unterbrechung der Löscharbeiten lag nicht in der Sphäre der Klägerin. Die Beklagte muss sich diese Unterbrechung zurechnen lassen. Als Grund für Unterbrechung der Löscharbeiten kann nur der Rattenverdacht angesehen werden und nicht etwa ein tatsächlicher Rattenbefall. Denn dass tatsächlich Ratten an Bord waren, wird nicht mehr vorgetragen. Ob der bloße Rattenverdacht, sei er vage oder begründet, die Löschbereitschaft eines Schiffes entfallen lässt, kann zweifelhaft sein, da das Schiff objektiv gelöscht werden kann. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Rattenverdacht die Löschbereitschaft eines Schiffes entfallen ließe, braucht sich das der Schiffsführer, hier also die Klägerin, nicht zurechnen zu lassen. Denn wenn dem Rattenverdacht nachgegangen und das Schiff begast wird, so handelt es sich dabei in erster Linie um eine Schutzmaßnahme für die Ladung. Es geht vor allem dem Empfänger darum, die Ladung rattenfrei in Empfang zu nehmen. Soweit aber die Löschung aus Gründen unterbrochen wird, die in der Ladung liegen, ist das nicht der Sphäre des Schiffsführers zuzurechnen. Denn alle Hindernisse, die nicht in der Person des Schiffsführers oder am Schiff liegen, hat der Empfänger - bzw. hier der Absender - zu vertreten (Vortisch-Zschucke 3. Aufl. § 47 BSchG Anm. 3d). Diese Risikoverteilung erscheint hier auch interessengerecht. Der Schiffsführer hat nämlich keine Möglichkeit, die Löscharbeiten zu beeinflussen. Das ist allein Sache des Absenders oder des Empfängers. Daher kann der Schiffsführer die Unterbrechung der Löscharbeiten wegen Rattenverdachts auch nicht verhindern. Seine vertragliche Verpflichtung beschränkt sich darauf, sein Schiff löschbereit zu halten. Da das Entstehen eines Rattenverdachts auch immer von subjektiven Momenten getragen ist, muss das bloße Entstehen des Rattenverdachts nicht zwangsläufig auch zu einer Unterbrechung der Löscharbeiten führen. Denn derjenige, der die Verantwortung für die Löscharbeiten trägt, muss entscheiden, ob er trotz des Rattenverdachts die Löscharbeiten fortsetzen will oder nicht. Auf diese Entscheidung aber hat der Schiffsführer keinen Einfluss, wie bereits erörtert wurde. Wenn der Schiffsführer aber auf diese Entscheidung keinen Einfluss hat, so kann diese Entscheidung, wenn sie zur Unterbrechung der Löscharbeiten führt, nicht seiner Risikosphäre zugerechnet werden.
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