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Leitsätze:
1) Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht kann nur in einem durch die Wirtschaftlichkeit begrenzten vernünftigen Rahmen verlangt werden.
2) Das Verfahren der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, Hinweise auf Hindernisse wie Fehltiefen durch Bekanntmachungen zu veröffentlichen, ist ein durchaus bewährtes und sicheres Mittel im Sinne des § 1.22 RhSchPVO und geeignet, den Inhalt der Bekanntmachung über die Schiffahrtsverbände dem Schiffahrttreibenden zur Kenntnis zu bringen.
Urteil des Amtsgerichts - Schiffahrtsgericht - St. Goar
vom 29. Oktober 1975
4 C 43/73 BSch
(rechtskräftig)
Zum Tatbestand:
Das dem Beklagten gehörende MS „C" fuhr sich bei der Einfahrt in den Hafen Bingen, wo eine Teilladung des Schiffes gelöscht werden sollte, mit einem Tiefgang von 1,42 m fest, und zwar im Bereich der Hafenmündung bei Rhein-km 527,5. Für diese Hafeneinfahrt hatte die Klägerin als Verkehrssicherungspflichtige in einer Bekanntmachung der WSD Mainz etwa 3 Wochen vorher eine infolge von Schlammablagerungen entstandene Fehltiefe von 0,40 m angezeigt. Nach erfolglosen Versuchen, sich mit eigener Maschinenkraft freizuturnen, gelang es mit Hilfe des Vorspannbootes „S" und schließlich eines weiteren Bootes, das MS „C" freizubekommen.
Die Klägerin verlangt Ersatz ihrer Aufwendungen in Höhe von fast 7000,- DM, die ihr durch Abrahmung des Reviers und Wegbaggerung der infolge der Turnmanöver aller drei Fahrzeuge zusammengespülten Kies- und Sandmengen und damit zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit entstanden seien. Da die Beklagte wegen schuldhafter Nichtbeachtung der Bekanntmachung zur Wiederherstellung des vor der Festfahrung vorhandenen Zustandes der Hafeneinfahrt verpflichtet gewesen sei, habe sie, die Klägerin, ein Geschäft der Beklagten geführt und daher Anspruch auf Erstattung.
Die Beklagte bestreitet, die Bekanntmachung gekannt oder die Möglichkeit gehabt zu haben, in zumutbarer Weise Kenntnis davon zu erlangen. Die Turnversuche hätten auch nicht zur Bildung von Fehltiefen geführt. Die Baggerarbeiten seien zur Beseitigung der vorher vorhandenen Fehltiefe durchgeführt. Er bestreitet auch die Höhe der Kosten.
Das Schiffahrtsgericht St. Goar hat dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Klägerin ist zwar als Verkehrssicherungspflichtige gehalten, die Fahrrinne, zu der auch die Einfahrten in öffentliche Häfen gehören, von Hindernissen freizuhalten, insbesondere auch die Sohlentiefe herzustellen und zu erhalten. Sie kann das jedoch nur in einem durch die Wirtschaftlichkeit begrenzten vernünftigen Rahmen; es kann nicht verlangt werden, daß sie so viel Personal und Material bereithält, daß jedes Hindernis sofort beseitigt werden kann. Eine sparsame Haushaltführung, zu der die Klägerin verpflichtet ist, gebietet es, daß nicht mehr Personal und Material vorgehalten wird, als zur Erledigung der notwendigen Arbeiten in angemessener Zeit benötigt wird. Für die Zwischenzeit muß die von einem Hindernis ausgehende Gefahr auf andere Weise behoben werden, so durch Wahrschau an Ort und Stelle oder durch allgemeine Bekanntmachung.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin den Weg des Hinweises auf das Hindernis durch eine Bekanntmachung gewählt. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden, es ist in der Schiffahrt allgemein bekannt. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist diese Veröffentlichungsart das sicherste Mittel, eine möglichst große Anzahl von Verkehrsteilnehmern, und zwar alle, die es angeht, zu unterrichten. Nach § 1.22 RhSchPVO müssen die Schiffsführer die Anordnungen vorübergehender Art ..eachten, die von der zuständigen Behörde bekanntgegeben sind und u. a. auch durch die Fahrwasserverhältnisse veranlaßt sind. Wie sich aus dem Gebot des § 1.06 RhSchPVO ergibt, wonach die Maße, der Tiefgang usw. eines Fahrzeugs den Gegebenheiten dPr Wasserstraße angepaßt sein müssen, ist jeder Schiffsführer verpflichtet, sich vor Antritt der Fahrt über die Fahrwasserverhältnisse und Verkehrsvorschriften des von ihm zu befahrenden Reviers zu vergewissern. Diese Verpflichtung läßt den Charakter des Rheins als einer internationalen Schiffahrtsstraße unberührt. Wenn die Klägerin daher den Weg der Bekanntmachung, die an den dazu bestimmten, zuletzt durch Bekannmachung vom 1. Februar 1970 - Mitteilungsblatt für die Schiffahrt im Rheinstromgebiet Nr. 7/ 1970 - mitgeteilten Stellen erfolgte, wählte, so konnte sie sicher sein, daß diese Nachricht jeden Schiffer, der sich pflichtgemäß um die Kenntnis bemühte, erreichte. Darüber hinaus hat die Klägerin durch Vorlage einer Kopie des Rundschreibens Nr. 175 des Vereins zur Wahrung der Rheinschiffahrtsinteressen nachgewiesen, daß ihre Bekanntmachung Nr. 137/72 T vom 26. September 1972 bereits am 27. September, dem Tage der Herausgabe des Rundschreibens, den Schiffahrtsverbänden zugängig war, also fast drei Wochen vor dem Unfalltag.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß durch die Turnversuche des MS „M" tatsächlich die von der Klägerin behaupteten Hindernisse entstanden sind (wird ausgeführt).
Uber den Umfang der notwendigen Baggerarbeiten hat der Zeuge W ausgesagt, daß sie drei Tage gedauert haben einschließlich der für den Transport des Geräts benötigten Zeit; außerdem folgt aus seiner Bekundung, daß nur die von den Turnarbeiten hervorgerufene Anlandung, nicht aber der Schlamm in der Hafeneinfahrt bei dieser Gelegenheit beseitigt worden ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Zeuge die Unwahrheit gesagt hätte; der Beklagte hat keine Einwendungen insoweit vorgebracht, ebensowenig, wie er die von der Klägerin vorgelegten und von ihm eingesehenen Aufzeichnungen über den Einsatz des Personals und Materials beanstandet hat. Da die Zeiten in Betriebstagebüchern festgehalten sind, die fortlaufend geführt und kontrolliert werden, bestehen keine begründeten Zweifel an ihrer Richtigkeit.
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