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Urteil des Amtsgerichts – Moselschiffahrtsgericht St. Goar
vom 12.01.2004
4 C 17/03.BSchMo
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer der Brücke, die bei Mosel-Km 171,520 innerhalb der Ortslage Mehring über die Mosel führt. An dieser Brücke wurden im Herbst 2000 Arbeiten ausgeführt, bei denen die Aufbauten bis auf die Brückenpfeiler entfernt wurden.
Am Abend des 21. November 2000 fuhr der Beklagte zu 1. mit dem der Beklagten zu 2. gehörenden GMS I das 86 m lang und 9,50 m breit ist, beladen mit 1.524 Tonnen Feinkohle zu Berg. Es war dunkel, indes klar, so dass gute Feuersicht herrschte. Der Beklagte zu 1. hatte das Radargerät des Schiffes eingeschaltet. Als er sich Mosel-Km 171 näherte, bemerkte er auf der linken Moselseite ein Schild, das auf Arbeiten an der Klägerin hinwies. Nachdem er die Linkskurve bei Mosel-Km 171,00 durchfahren hatte, erwartete er vor sich das Brückenbauwerk, das im Brückenbereich mit Straßenlaternen beleuchtet sein sollte. Zu seinem Erstaunen konnte er die Brücke jedoch nicht mehr erkennen, sah vielmehr die linke Moselseite durch Scheinwerfer hell erleuchtet, da dort Bauarbeiten ausgeführt wurden. Der Beklagte zu 1. verblieb deshalb mit seinem Schiff auf der rechten Moselseite, um einen angemessenen Abstand von den Bauarbeiten zu halten, zumal er wusste, dass auf der rechten Moselseite ausreichend Wasser anstand. Dabei übersah er indes den noch im Strom verbliebenen rechten Brückenpfeiler, der um ca. 2,00 m die Wasseroberfläche überragte und mit in einem Abstand von je ca. 30 m talwärts und bergwärts ausgelegten Radarbojen gekennzeichnet war. Mit mäßiger Fahrt stieß GMS I mit dem Bug gegen den zum rechten Ufer hin stehenden Brückenpfeiler. Der Aufprall war so stark, dass das Schiff Wasser schöpfte und schließlich trotz umfangreicher Rettungsversuche sank.
Die Klägerin hat den im Flussbett verbliebenen Brückenpfeiler auf seine Standfestigkeit hin überprüft.
Die hierfür gemachten Aufwendungen sind Gegenstand der Klage, die am 2. Oktober 2003 bei Gericht eingegangen ist. Schon mit Schreiben vom 11. Dezember 2000 hatte die Klägerin bei der Beklagten zu 2. sowie bei dem zuständigen Havariekommissariat in Antwerpen geschätzte Kosten in Höhe von 50.000,00 DM angemeldet und in Höhe von 33.085,00 DM mit Schreiben vom 2. Februar 2001 unter Vorlage der Rechnung bei dem belgischen Havariekommissariat geltend gemacht. Daraufhin hatte sich mit Schreiben vom 6. Februar 2001 das Havariekommissariat Gielisch bei der Klägerin gemeldet und unter anderem mitgeteilt, dass ein entsprechender Anspruch sich nur gegen die Eigentümerin des Schiffes (Beklagten zu 2.) würde richten können und das Havariekommissariat in Antwerpen sowie das Havariekommissariat Gielisch nur Regulierungshilfe leisten könne. Zunächst müsse die Klägerin allerdings darlegen, wie sich die verhältnismäßig hohe Forderung für eine Taucheruntersuchung zusammensetze. Darüber hinaus könne mit einer Schadensregulierung nicht vor Abschluss des bei dem Moselschifffahrtsgericht in St. Goar anhängigen Verklarungsverfahren gerechnet werden. Das Verklarungsverfahren wurde am 14. Juli 2003 geschlossen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Verjährung sei bis zu dem Ende des Verklarungsverfahrens unterbrochen gewesen, obgleich sie unterdessen wiederholt die Schadensregulierung vergeblich angemahnt hatte. Der Beklagte zu 1. habe den Schaden verschuldet. Er habe den Brückenpfeiler im Radarbild erkennen und den Zusammenstoß vermeiden müssen. Der Brückenpfeiler habe nach dem Abbau der zuvor vorhandenen Brücke für den Aufbau der neuen Brücke nach entsprechender Verstärkung wieder verwendet werden sollen. Die Verstärkung habe unmittelbar bevorgestanden. Nach dem Anprall von GMS I sei es aber erforderlich gewesen, die in besonders tiefem Wasser stehenden und ausschließlich auf Druck bewehrten Pfeilerstümpfen überprüfen zu lassen. Diese Überprüfung sei sehr aufwändig gewesen, so dass einschließlich der Auslagenpauschale von 25,00 DM sich ein Schadensbetrag von 16.916,09 Euro ergebe.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 16.916,09 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 17. März 2001 zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Die Firma G. sei nicht berechtigt gewesen, die Verjährung unterbrechende Verhandlungen mit der Klägerin aufzunehmen. Dies habe sie auch nicht getan. Spätestens nach ihrem zweiten vergeblichen Erinnerungsschreiben vom 3. Mai 2002 habe die Klägerin davon ausgehen müssen, die Firma G. sei nicht weiter für die Beklagte tätig und die Verhandlungen seien abgebrochen.
Jedenfalls hafteten die Beklagten nicht für den der Klägerin entstandenen Schaden. Der Beklagte zu 1. habe den Unfall nicht verschuldet. Er habe den in der Mosel verbliebenen Brückenpfeiler nicht sehen können, weil dieser nicht beleuchtet gewesen sei. Der Beklagte zu 1. sei nicht nach Radar, sondern vielmehr nach Sicht gefahren, was bei den herrschenden Witterungsbedingungen trotz Dunkelheit durchaus möglich gewesen sei. Die linke Moselseite sei durch die dort vorhandene Baustellenbeleuchtung voll ausgeleuchtet gewesen, weshalb der rechte Brückenpfeiler unsichtbar gewesen sei.
Darüber hinaus sei die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadens nicht nachvollziehbar.
Wegen des Sachvortrages der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Die Akten betreffend die Verklarung auf Antrag des Beklagten zu 1. des Binnenschifffahrtsgerichtes St. Goar (Az.: 4 II 2/00) sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft in Koblenz (Az.:2010 Js 9155/01) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist jedenfalls gegen die Beklagte zu 2. dem Grunde nach gerechtfertigt. Insoweit war durch Teil-Grundurteil zu entscheiden. Ob die Klage auch gegen den Beklagten zu 1. begründet ist und in welcher Höhe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zusteht, bedarf noch der weiteren Erörterung bzw. der Beweiserhebung.
I. Der Beklagte zu 1. hat den infrage stehenden Unfall verschuldet, so dass die Beklagte zu 2. als Eignerin von GMS I gemäß § 3 BinSchG für den bei dem Unfall entstandenen Schaden haftet.
Nach dem Ergebnis des Verklarungsverfahrens ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1. der vor ihm liegenden Fahrstrecke nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt hat. Dies ergibt sich schon aus der eigenen Schilderung des Beklagten zu 1., der als einziger Augenzeuge den Hergang des Schiffsunfalles wahrgenommen hat. Danach ist davon auszugehen, dass auf Arbeiten an der Brücke rechtzeitig hingewiesen wurde, der der Klägerin gehörende Brückenpfeiler sowie die Radarbojen, die vor und hinter dem Hindernis im Wasser schwammen, im Radarbild klar sichtbar waren und der Beklagte zu 1. diese bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte sehen müssen. Unstreitig hatte der Beklagte zu 1. bei herrschender Dunkelheit das Radargerät eingeschaltet. Zwar fuhr er nicht ausschließlich nach dem in dem Bildschirm sichtbaren Bild. Er bediente sich aber grundsätzlich auch des Gerätes, um die vor ihm befindliche Wasserstrecke zu beobachten um Hindernisse rechtszeitig und besser erkennen zu können. Unstreitig war lediglich das linke Moselufer beleuchtet, während das rechte Ufer und die rechte Seite der Wasserfläche im Dunkeln lagen. Der Beklagte zu 1. wollte auf dieser Seite zu Berg fahren. Nichts hätte näher gelegen, als dass sich der Schiffsführer durch einen Blick in den Radarbildschirm vergewissert hätte, dass der Weg frei sei.
Diese Überprüfung war umso notwendiger, als der Beklagte zu 1. die Fahrstrecke kannte und wusste, dass an dieser Stelle zuvor eine Brücke, die auf zwei Pfeilern ruhte, die Mosel überspannt hatte. Vermisste er nach dem Durchfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171 die zuvor sich bei Mosel-Km 171,520 befindliche Brücke, so lag es umso näher, nach evtl. von der Brücke zurückgebliebenen Hindernissen auch im Radarbild zu suchen, zumal die Brückenbauarbeiten auf der linken Moselseite noch erkennbar im Gange waren. Der Beklagte zu 1. hätte mit dem Hindernis selbst dann rechnen müssen, wenn der Brückenpfeiler nicht durch Radarbojen gesichert gewesen wäre und hätte das Hindernis auch erkennen müssen.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte zu 1. habe das Radarbild nicht zu beobachten brauchen. Es ist allgemein anerkannt, dass der Schiffsführer jederzeit alle Maßnahmen in Erwägung zuziehen und zu treffen hat, die zur Sicherheit des eigenen Schiffes und der sonstigen Schifffahrt geeignet sind. Er hat insbesondere alle nautischen Hilfsmittel wie Radargerät und Funkgeräte in Betrieb zu nehmen, wenn er sich Gewissheit über die Verkehrslage im Strom verschaffen muss (vgl. Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, RIV 4 zu § 1.04). Der Beklagte zu 1. fuhr, wie er selbst angegeben hat, mit geringer Geschwindigkeit zu Berg. Er hatte somit, selbst wenn er mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h gefahren sein sollte, etwa 2 1/2 Minuten Zeit, um den in einer Entfernung von ca. 400 m vor seinem Bug befindlichen Brückenpfeiler zu erkennen, nachdem er die Linkskurve bei Mosel-Km 171,00 durchfahren hatte. Es kann nicht angenommen werden, das Hindernis sei plötzlich aufgetaucht. Mit einem Blick in das mitlaufende Radargerät hätte der Beklagte zu 1. leicht das in seinem Kurs befindliche Hindernis erkennen können, wie die Probefahrt anläßlich der richterlichen Augenscheinseinnahme im Rahmen des Verklarungsverfahrens ergeben hat.
Da somit jedenfalls ein Verschulden des Beklagten zu 1. für den der Klägerin entstanden Schaden ursächlich geworden ist, ist unerheblich, ob der Brückenpfeiler an sich ausreichend kenntlich gemacht war. Es oblag nicht der Klägerin, für die Sicherheit des Schiffsverkehrs Sorge zu tragen. Ein evtl. Mitverschulden eines Dritten ist wegen § 830 Abs. 1 BGB unerheblich.
II. Die Beklagte zu 2. kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Verjährung des Anspruchs berufen: Zwar ist von der kurzen Verjährung des § 117 BinSchG auszugehen, weshalb die Vollendung der Verjährung grundsätzlich 1 Jahr nach Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, eingetreten gewesen sein könnte. Im vorliegenden Fall war die Verjährung indes gemäß § 852 Abs. 2 BGB gehemmt, weil davon auszugehen ist, dass zwischen dem Kläger als Ersatzberechtigten und der Beklagten zu 2. als Ersatzverpflichteter Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz in der Zeit vom 6. Februar 2001 bis jedenfalls 14. Juli 2003 geführt wurden.
Unstreitig hatte die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2000 ihren Anspruch bei der Beklagten zu 2. und bei dem zuständigen Havariekommissariat in Rotterdam geltend gemacht. Sie hatte weiterhin mit Schreiben vom 2. Februar 2001 unter Vorlage der Rechnungen um die Regulierung des Gesamtschadens gebeten. Die Beklagte zu 2. stellt nicht in Abrede, dass sich daraufhin und unter Bezug auf das Schreiben vom 2. Februar 2001 das Havariekommissariat G. gemeldet hat und um Aufklärung der Schadenshöhe gebeten hat. Die Firma G. hat weiter mitgeteilt, eine Schadensregulierung komme erst nach Abschluss des Verklarungsverfahrens in Betracht. Dieses Schreiben kann nur in der Weise verstanden werden, dass die Firma G. im Auftrage der Beklagten zu 2. in Regulierungsverhandlungen eintrat, zumal sie betonte, dass sie Regulierungshilfe leiste. Da die Ausführungen der Firma G. unter Bezug auf das Schreiben der Klägerin vom 2. Februar 2001 erfolgten, bedarf es der Erhebung eines Beweises über die Berechtigungen der Firma G. zur Verhandlungsaufnahme nicht: Die Beklagte zu 2. müsste schon dartun, dass die Firma G. ohne ihr Wissen und ohne ihr Wollen tätig geworden ist, wollte sie sich den Inhalt des Schreiben vom 6. Februar 2001 nicht zurechnen lassen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Unterbrechung nicht schon deshalb beseitigt, weil die Firma G. auf Erinnerungsschreiben der Klägerin nicht reagierte: Dies kann seinen Grund darin gehabt haben, dass das Verklarungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist endet aber erst, wenn der Ersatzpflichtige klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er führe die Verhandlungen nicht fort (vgl. BGH, Urteil 30. Juni 1998 abgedruckt u. a. in Vers.R 1998, S. 1295).
Die Ausführungen der Parteien in den Schriftsätzen vom 7. Januar 2004 rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Danach könnte der Beklagte zu 1. mit Erfolg die Verjährung einreden. Die Haftung der Beklagten zu 2. ist durch die dortigen Ausführungen nicht berührt.
Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten.