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Urteil des Amtsgerichts – Rheinschiffahrtsgericht St. Goar
vom 13.12.2004
4 C 11/04.BSchRh
Tatbestand:
Die Klägerin nahm in der Zeit vom 27. bis 28. September 2003 an einer von der Beklagten veranstalteten Busreise nach Rüdesheim/Rhein teil. Im Rahmen dieser Reise sollte auch eine Rheinfahrt von Rüdesheim nach St. Goarshausen stattfinden, wobei diese unter Vermittlung der Streithelferin, welcher die Beklagte mit am 12. Juni 2004 zugestelltem Schriftsatz den Streit verkündet hat, von der Firma K, durchgeführt wurde. Als das von K im Linienbetrieb eingesetzte FGS L St. Goarshausen fast erreicht hatte, erlitt es wegen des damals herrschenden extremen Niedrigwassers Grundberührung und lief gegenüber dem Loreleyfelsen bei St. Goar ins linksrheinische Ufer. Als der Bug des Schiffes auf das Ufer aufprallte, kamen viele der Fahrgäste zu Fall und/oder wurden durch in Bewegung geratenes Schiffsinventar getroffen und verletzt. So auch die Klägerin.
Diese verlangt deshalb von der Beklagten Minderung des vereinbarten Reisepreises, Erstattung der ihm entstandenen Arzt- und Reinigungskosten sowie Schmerzensgeld.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte müsse sich das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen, worauf das Unfallereignis zurückzuführen sei, anrechnen lassen und habe deshalb für die Folgen des Unfalls einzustehen. Ein Schwergewicht der Busreise habe auf der Rheinfahrt gelegen, die man wegen des Unfalls nicht zu Ende gebracht habe. Deshalb sei eine Minderung des Reisepreises um 1/3 gerechtfertigt. Bei dem Unfall habe sie eine Prellung des Nasenbeines, sowie eine Nasenbeinfraktur erlitten, weshalb sie in der Zeit vom 29. September 2003 bis 10. Oktober 2003 arbeitsunfähig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
a) die Beklagte zur Zahlung von 94,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 16. Oktober 2003 und
b) zur Zahlung eines in das Ermessen des Gerichtes festzusetzendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 16. Oktober 2003 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie habe ihre Erfüllungsgehilfin sorgfältig ausgewählt. Denn bei der Firma K handele es sich um ein sehr bekanntes Personenschifffahrtsunternehmen auf dem Rhein. Was zu dem Unfall geführt habe, sei völlig ungeklärt. Das Schiff habe ausreichend Flottwasser gehabt, so dass die Grundberührung völlig unvorhergesehen gewesen sei. Eine Warnung der Passagiere sei nicht möglich
gewesen, zumal diese Warnung in den verschiedensten Sprachen hätte erfolgen müssen. Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen. Die Ermittlungsakten 2040 Js 053597/03 StA Koblenz waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist zum Teil auch begründet. Die Beklagte haftet für die Schäden, die den von ihr beförderten Personen entstanden sind. Den ihr obliegenden Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht geführt.
1. Das Rheinschifffahrtsgericht ist gemäß Art. 34 Abs. 2c der revidierten Rheinschifffahrtsakte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Dessen Gegenstand sind die Schäden, welche Schiffe während der Fahrt anderen verursacht haben.
2. Die Beklagte haftet für den der Klägerin entstandenen Schaden gemäß § 77 Abs. 1 BSchG i. V. m. § 664 Abs. 1 Satz 1 HGB nebst Art. 2 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB.
a) Unstreitig war zwischen den Parteien ein Beförderungsvertrag zustande gekommen, wonach die Klägerin auf dem FGS L an der Fahrt von Rüdesheim nach St. Goarshausen teilnehmen sollte. Die Beklagte ist deshalb "Beförderer" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Anlage zu § 664 HGB, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beförderung von ihr oder einem ausführenden Beförderer durchgeführt wurde (Art. 1 Abs. la der Anlage zu § 664 HGB).
b) Unstreitig ist die Körperverletzung der Klägerin während der Beförderung eingetreten.
c) Gemäß Art. 2 Abs. 3 der Anlage zu § 664 HGB wird das Verschulden des Beförderers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn die Körperverletzung des Reisenden durch Strandung des Schiffes entstanden ist oder doch mit einem solchen Ereignis in Zusammenhang steht. Dies ist hier der Fall. Unstreitig wurde die Klägerin verletzt, als FGS L in die Steine des linksrheinischen Ufers bei RheinKm 554,3 lief.
3. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, der Unfall sei ohne Verschulden des Beförderers oder seiner in Ausübung ihrer Verrichtung handelnden Bediensteten zustande gekommen: Es kann schon nicht als erwiesen angesehen werden, die Führung von FGS L habe mit einer Grundberührung nicht rechnen müssen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen S in dem Ermittlungsverfahren 2040 Js 053597/03 StA Koblenz konnte Schiffsführer H von FGS L mit einer Mindestfahrrinnentiefe von 1,44 m rechnen, während der Tiefgang des stillliegenden Schiffes bereits 1,30 m betrug. Berücksichtigt man, dass nach der Aufnahme der Fahrt das Heck eine Tiefertauchung um 15 bis 30 cm erfuhr und zudem an Übergängen von größeren Wassertiefen auf großflächige Flachwasserbereiche zusätzliche Sogkräfte auftreten, welche einer Tiefertauchung des Schiffes im Dezimeterbereich bewirken können, so war mit einer Grundberührung schon bei Aufnahme der Fahrt zu rechnen. Auch ein Ruderausfall kann nicht als erwiesen angesehen werden. Der Sachverständige hat bei der Untersuchung des Schiffes festgestellt, dass zwar der Steuerbordmotor alsbald nach der Grundberührung ausgefallen sein musste, der Backbordmotor jedoch weitgehend intakt war und sowohl mit diesem als auch mit dem Bugstrahlruder es hätte möglich gewesen sein müssen, den Unfall abzuwenden.
4. Der Höhe nach ist die Klage indes nicht vollends gerechtfertigt: So kann die Klägerin keine Minderung des Reisepreises verlangen, da die Beklagte ihre Leistungen fast vollständig erbracht hatte. Lediglich 1 bis 2 km der Reise wurden nicht per Schiff, sondern mit dem Bus zurückgelegt. Gemessen an dem Gesamtprogramm ist dies nur ein so geringer Teil, dass eine Minderung des Reisepreises nicht gerechtfertigt erscheint.
Allerdings kann die Klägerin Erstattung der von ihr verauslagten Arzt- und Reinigungskosten sowie des auf sie entfallenden Anteils an den Medikamentenkosten verlangen. Als Schmerzensgeld erschienen 600,00 Euro angemessen. Die Verletzung der Klägerin im Gesichtsbereich war sicherlich recht schmerzhaft. Sie hatte eine Deformation zur Folge und ließ zudem eine dauernde Entstellung im Gesichtsbereich befürchten. Die Klägerin war für ca. 2 Wochen arbeitsunfähig. Angesichts der Tatsache, dass sie bei der klaren Rechtslage sogar um die Wiedergutmachung einen Rechtsstreit führen musste, erschien ein Schmerzensgeld von 600,-- EUR deshalb angemessen.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 101, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Gemäß § 708 Nr. 11 ZPO war das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, indes war dem Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 Euro abzuwenden.
Streitwert: 1.004,96 Euro.