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Leitsatz:
Hat ein zuvor Kopf zu Berg stilliegendes Fahrzeug zur Fortsetzung der Talfahrt nach § 6.13 Nr. 1 RheinSchPV zulässigerweise gewendet, weil es zu Beginn des über Funk angekündigten Wendemanövers einen hinreichenden Abstand zu den in der Bergfahrt befindlichen anderen Schiffen hatte, mithin auch das Manöver gefahrlos fortsetzen konnte, kommt es nach einer gleichwohl mit einem Bergfahrer erfolgten Kollision auf die Frage der dem Wendenden obliegenden Beweislast nicht an. Da ihn kein Verschulden an dem Schiffsunfall trifft, bedarf es auch nicht der Prüfung eines Mitverschuldens des Bergfahrers an der Kollision.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 3. Oktober 1997
366 Z - 14/97
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 17. Februar 1997 - 5 C 64/96 BSch)
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Schiffszusammenstoß, der sich am 5. November 1995 gegen 6.50 Uhr auf dem Rhein in der Ortslage Orsoy zwischen dem TMS T (1.262 t) der Klägerin und dem MS K (1.499 t) der Beklagten, von denen der Beklagte zu 1 das Schiff verantwortlich führte, ereignet hat. Zur Unfallzeit herrschte unsichtiges Wetter. Beide Schiffe fuhren mit Radarhilfe.
MS K befand sich mit einer Ladung von ca. 1.000 t Futtergerste auf der Fahrt von Metz (Frankreich) nach den Niederlanden. Das Schiff übernachtete vom 4. zum 5. November 1995 linksrheinisch unterhalb des Steigers von Orsoy, etwa bei Rhein-km 793,4 bis 793,5, Kopf zu Berg. Am Morgen des 5. November 1995 setzte seine Führung die Talreise fort. Im Zusammenhang mit dem Wendemanöver kam es etwa in Fahrwassermitte zu dem Schiffszusammenstoß, wobei das zunächst linksrheinisch zu Berg kommende TMS T mit dem Bug gegen die Backbordseite des MS K geriet. Beide Schiffe erlitten nicht unerhebliche Schäden.
Nach Ansicht der Klägerin hat der Beklagte zu 1 die Kollision verschuldet. Er habe ein falsches Wendemanöver durchgeführt. Zunächst habe er das Manöver unvermittelt begonnen und dadurch die Führung von TMS T zum Abstoppen und Rückwärtsschlagen gezwungen. Ferner habe er kein Wendesignal gegeben; auch sei das Wendemanöver lediglich einmal über Kanal 10 angekündigt worden. Zu Lasten der Beklagten gehe außerdem, daß das Wenden des MS K über Steuerbord erfolgt und außerdem offen sei, in welchem Teil des Fahrwassers sich der Unfall ereignet habe und welche Kurse zuvor die Schiffe gefahren seien.
Die Klägerin hat beantragt zu erkennen:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 16.240,00 hfl nebst 1.040,00 DM zuzüglich 4% Zinsen seit dem 1.12.1995 als Gesamtschuldner zu zahlen.
2. Wegen dieser Forderungen haften die Beklagten nicht nur dinglich mit dem ihnen gehörenden MS K, sondern im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich.
Die Beklagten, die MS K in Kenntnis des Unfalls und der Klageforderung zu neuen Reisen ausgesandt haben, haben Klagabweisung beantragt.
Sie bestreiten jedwedes Verschulden des Beklagten zu 1 an der Kollision und machen hierfür den Schiffsführer Doden von TMS T verantwortlich. Sie haben hierzu vorgetragen:
TMS T sei während des Wendemanövers auf dem Radarbild des MS K in etwa 1.200 m Entfernung sichtbar geworden. Sein Kurs sei hart linksrheinisch verlaufen. Diesen Kurs habe TMS T noch eingehalten, als MS K sein Wendemanöver beendet und sich anschließend in gestreckter Talfahrt zur Begegnung Backbord an Backbord befunden habe. Plötzlich habe der Bergfahrer bei einem Höhenabstand der beiden Fahrzeuge von 600 bis 700 m begonnen, seinen bis dahin unproblematischen linksrheinischen Kurs in Strommitte zu verlegen. Weil TMS T diesen Kollisionskurs beibehalten habe, sei es zur Anfahrung gekommen, obwohl MS K noch versucht habe, nach Steuerbord auszuweichen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hierzu hat es näher ausgeführt:
a) « Der Wendende sei dafür beweispflichtig, daß der Abstand zu Entgegenkommern bei Wendebeginn für eine gefahrlose Durchführung des Wendemanövers ausreichend war, wenn der Gegenfahrer seiner Pflicht entsprechend seine Geschwindigkeit vermindert und/oder seinen Kurs ändert. Diesen Beweis hätten die Beklagten nicht geführt, während nach dem Ergebnis der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts anzunehmen sei, daß der Unfall im Zusammenhang mit dem Wendemanöver erfolgt ist und nicht nach vollständiger Beendigung des Wendemanövers, nachdem sich die beiden Schiffe bereits in einem klaren Kurs zur Begegnung Backbord an Backbord befunden hatten. Folglich sei von einem Verschulden des Beklagten zu 1 an dem Unfall auszugehen ».
T nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. So sei ein schuldhafter Verstoß des Schiffsführers von TMS T gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV nicht anzunehmen. Ebenfalls könne ein solcher Verstoß des Schiffsführers von TMS T gegen § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV nicht festgestellt werden. Zwar habe die durchgehende Schiffahrt, sofern nötig und möglich, ihre Geschwindigkeit und ihren Kurs zu ändern, damit das Wenden ohne Gefahr geschehen kann. Voraussetzung dazu sei aber die Zulässigkeit des Wendemanövers, die vorliegend, von den Beklagten nicht bewiesen worden sei. Weiter könne dem Schiffsführer von TMS T auch kein unfallursächliches Verschulden wegen eines Verstoßes gegen § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV angelastet werden, weil er vor der Kollision MS K in einem gefährlichen Kurs bemerkt haben müsse und es unterlassen habe, einen oder mehrere Warntöne abzugeben ; denn es könne nicht festgestellt werden, daß in dem Moment, in dem der Schiffsführer von TMS T die Gefahrensituation bemerkt habe, die Abgabe eines Warntons noch Einfluß auf das Geschehen hätte haben können. Schließlich könne ein Mitverschulden auch nicht deshalb bejaht werden, weil der Schiffsführer von TMS T nicht auf die über Funk erfolgte Ankündigung des Wendemanövers ausreichend reagiert habe ; nach dem Beweisergebnis könne nur von einer einmaligen Ankündigung des Manövers ausgegangen werden, welche der Schiffsführer von TMS T überhört haben müsse ; ein Verschulden wegen mangelnder Aufmerksamkeit bei der Schiffsführung könne aus dem Überhören eines einmaligen Funkspruchs nicht hergeleitet werden ; dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung dessen, daß die Schiffsführung des MS K sorgfältig zu überprüfen hatte , ob das Wendemanöver durchgeführt werden konnte und, gegebenenfalls, dies dann in der gebotenen Form zu machen. Demgegenüber sei der Schiffsführer des TMS T ahnungslos in Bezug auf die anstehende Gefahrenlage gewesen.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Demgegenüber beantragt die Klägerin, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg.
Nach § 6.13 Nr. 1 RheinSchPV dürfen Fahrzeuge nur wenden, nachdem sie sich vergewissert haben, daß der übrige Verkehr unter Berücksichtigung der nachstehenden Nummern 2 und 3 dies ohne Gefahr zuläßt und andere Fahrzeuge nicht gezwungen werden, unvermittelt ihren Kurs oder die Geschwindigkeit zu ändern. Es ist unbestritten, daß MS K linksrheinisch unterhalb des Steigers von Orsoy übernachtet hat und der Kurs des Bergfahrers linksrheinisch verlief. Nach den Angaben des Beklagten zu 1 im Verklarungsverfahren hatte er mit dem Drehen bereits begonnen, als er den Bergfahrer in einer Entfernung von 1.200 m auf dem Radarbild ausmachte. Trifft diese Entfernungsangabe zu, so konnte der Beklagte zu 1 das Wendemanöver gefahrlos fortsetzen, zumal eine Backbordbegegnung für die beiden Fahrzeuge vorgeschrieben war (vgl. § 9.04 Nr. 1 b RheinSchPV) und seitens des MS K nach den Bekundungen des Schiffsführers B, der mit seinem MS B ebenfalls (hinter TMS T) linksrheinisch zu Berg fuhr und an der Kollision unbeteiligt war, das Wendemanöver über Backbord zweimal über Funk angekündigt worden war. Danach hängt die Frage, ob das Wendemanöver des MS K vor dem zu Berg kommenden TMS T zulässig war, von der von dem Beklagten zu 1 genannten Entfernung von 1.200 m ab. Diese Angabe ist nach der Ansicht der Berufungskammer glaubhaft, nachdem der Schiffsführer D des TMS T bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren erklärt hat, er habe auf dem Radarschirm 1.600 m voraus einen « Stillieger » ausgemacht und auf 1.200 m bemerkt, « daß sich dort etwas bewegte », wodurch die von dem Beklagten zu 1 angegebene Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen etwa zu Beginn des Wendemanövers bestätigt wird. Außerdem ergibt sich aus der Aussage von Schiffsführer D, daß auch er auf 600 m jedenfalls das Drehen des MS K erkannt hat, mithin in einer Entfernung, bei der im Hinblick auf die geringe Strömung (Angabe der Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren) die Durchführung des Wendemanövers noch gefahrlos möglich gewesen wäre, wenn TMS T nicht mit Backbordkurs in das Fahrwasser der Talfahrt gelaufen wäre anstatt linksrheinisch zu bleiben.
Offen kann bleiben, ob, wie das Rheinschiffahrtsgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, der Wendende dafür beweispflichtig ist, daß der Abstand zu den Entgegenkommern für eine Durchführung des Wendemanövers ausreichend war, wenn der Gegenfahrer seiner Pflicht entsprechend seine Geschwindigkeit vermindert und/oder seinen Kurs ändert. Denn nach den vorstehenden Ausführungen steht fest, daß MS K zu Beginn des Wendemanövers einen hinreichenden Abstand zu TMS T innegehabt hat, so daß es auf die Frage der Beweislast nicht ankommt (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht 4. Aufl. § 92 a Rdn. 9.10 und Korioth, Handbuch der Beweislast im Privatrecht Bd. 4. BinnSchG §§ 92-92 f Rdn. 6, 7; Bemm/von Waldstein, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 3. Aufl. Einf. Rdn. 117; § 6.13 Rdn. 33).
Keiner Erörterung bedarf auch die von dem Rheinschiffahrtsgericht eingehend geprüfte Frage eines Mitverschuldens des TMS T an der Kollision, nachdem die Führung des klagenden MS K kein Verschulden an dem Schiffsunfall trifft.
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ist wie folgt zu erkennen:
Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 17. Februar 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Deren Festsetzung gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1998 - Nr.1/2 (Sammlung Seite 1670 f.); ZfB 1998, 1670 f.